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Spurensicherung nach Zusammenstoß

Astronomie. - Im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter ist es um den 10. Februar 2009 zu einer Kollision zweier Himmelskörper gekommen, die einer gerade noch überlebt hat. Astronomen des Max Planck Institut für Sonnensystem-Forschung in Katlenburg-Lindau haben die Vorgänge bei Beobachtungen des AsteroidenP/2010 A2 rekonstruiert. Einer der Wissenschaftler, Holger Sierks, erläutert die Erkenntnisse im Gespräch mit Ralf Krauter.

14.10.2010
    Krauter: Herr Sierks, was macht diesen Asteroiden denn so spannend?

    Sierks: Der Asteroid hat sich am Anfang als Komet gezeigt, und wir sind sehr interessiert in dieser Arbeitsgruppe an Kometen. Wir haben zunächst die Vermutung geteilt, dass es sich hier um einen Kometen im Asteroidengürtel handelt, und waren sofort Feuer und Flamme. Wir haben direkt dann auch mit den Kollegen der Rosetta Mission gesprochen, ob wir diesen vermeintlichen Kometen auch beobachten können aus einer anderen Geometrie heraus, nämlich mit Rosetta, die sich zu dem Zeitpunkt im weiteren Sinne im Anflug auf den Asteroiden Lutetia sich befand, und von da her, ich möchte ich sagen nicht bei, aber schon in einer interessanten Geometrie sich befand.

    Krauter: Das heißt, die Raumsonde war in einer günstigen Lage, um sich genauer einen Überblick zu verschaffen, was genau für ein Himmelskörper das ist, der da so viele Partikel verliert? Das war es ja, weshalb man anfangs dachte, es sei ein Komet.

    Sierks: Das ist korrekt. Es hat sich dann bei genauerem Hinsehen mit den hochauflösenden Teleskopen vom Boden, aus Chile und anderswo, auch im Hubble-Space-Telescope gezeigt, dass es sich nun doch nicht um einen Kometen handelt. Denn die feine Struktur im Kopf des Staubschweif hat uns früh dann vermuten lassen, oh, das könnte eine Asteroidenkollision sein. Der Zusammenstoß zweier Körper. Insbesondere hat sich ein Lichtpunkt gezeigt, der auf einen verbleibenden Körper aus dieser Kollision hindeutet. Wir haben das gerne weiter verfolgt, weil, es wurde dann sehr interessant, dadurch, dass wir mit Rosetta triangulieren können, also die räumliche Geometrie dieses Staubschweifs darstellen können, konnten wir sehr viel beitragen dazu, wie steht dieser Schweif im Raum, wie groß ist er, wie interpretieren wir die hochauflösenden Daten, die die Kollegen mit den 10-Meter-Teleskopen aufgenommen haben.

    Krauter: Die Arbeitshypothese war dann: Das ist ein Asteroid, der mit einem anderen zusammengestoßen ist, deswegen einen Trümmerschweif hinter sich herzieht. Sie haben sich dann daran gemacht, zu untersuchen, wann genau dieser Zusammenstoß stattgefunden hat. Wie sind Sie da vorgegangen?

    Sierks: Wir haben Simulationen hier im Haus vorbereitet für die heiße Phase von Rosetta für den Besuch beim Kometen Tschurjumov-Gerasimenko 2014. Wir haben diese Staubsimulation angewandt auf dieses Objekt und haben die Strukturen, die wir sehen in dem Staubschweif, interpretiert und nachvollzogen mit unseren Modellen und sehr schnell herausgefunden, oh, das sind große Bruchstücke, Millimetergröße und größer, die ganzen feinen Mikrometer-Partikel sind schon lange vom Sonnenwind davongeblasen. Diese Simulationen haben uns erlaubt, die Größenstruktur der Fragmente nachzuvollziehen, und darüber eben auch den Zeitpunkt der Kollision recht genau zu bestimmen, im Februar letzten Jahres, 10. Februar, immerhin auf +/- fünf Tage genau. Das interessante ist auch, nach unseren Erkenntnissen haben sich auch die Kollegen in den USA damit beschäftigt, die den Zeitpunkt unabhängig von uns bestimmt haben, und die haben eben unseren Zeitpunkt bestätigen können. Anfang Februar, um den 10. herum, und die kommen auf eine ähnliche Präzision. Von daher haben sich zwei unabhängige Bestimmungen des Zeitpunkts gegenseitig bestätigen können.

    Krauter: Ein Asteroidengürtel-Crash, der gar nicht lange zurückliegt. Die Methoden, die Sie angewandt haben, erinnern ein bisschen an die Arbeit von Forensikern: Man hat ein paar Indizien, muss die interpretieren und zieht dann irgendwann mal Rückschlüsse auf das, was tatsächlich passiert ist. Ist der Begriff kosmische Forensik einer, mit dem Sie leben könnten?

    Sierks: Das klingt mir ein bisschen sehr nach Gerichtsmedizin. Auch so der Titel, den ich gehört habe, die Beweisaufnahme. Mir gefällt Spurensicherung gut. Also wir versuchen aus den Spuren, die wir sehen, mit unseren Beobachtungen, Rückschlüsse zu ziehen auf das, was geschehen ist. Sachlich und neutral. Wir lernen viel darüber, über das Material, das für uns angucken. Unser Sonnensystem liegt direkt vor unserer Haustür, wir sind Teil des Ganzen. Von daher hat das Relevanz für uns.