Dienstag, 16. April 2024

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St. Moritz Art Masters
Kunst in Kirchen, Scheunen und auf Parkplätzen

Von Louise Brown | 20.08.2014
    Die Entwicklung im Engadin zeigt: Die Kunst geht zunehmend dahin, wo die Sammler und Kunstfreunde Ferien machen. In Ferienlaune lässt sich bekanntlich entspannter shoppen als auf einer überfüllten Messe.
    Alpenpanorama: samtgrüne Täler, rauschende Bäche, blühende Bergwiesen. Die Straße schlängelt sich den Hang hinauf. Über uns ragt ein schlossähnlicher Bau. Am Steuer sitzt Charlotte Desaga, Kölner Galeristin.
    Indische Kunst auf dem Dach
    "Und jetzt fahren wir den Weg zum Hotel Castell hinauf wo wir eine Arbeit einer jungen indischen Künstlerin installiert haben, Shilpa Gupta, ganz hoch oben auf dem Dach. Und wenn wir den Blick nach oben wenden, da sieht man es schon."
    "Today will end" steht dort in riesigen Neonlettern. Ein banaler Satz – der nicht treffender sein könnte, in einer Gegend, in der bekanntlich gerne Geld ausgegeben wird, als gäbe es kein Morgen. Das Stück ist ein Highlight der St. Moritz Art Masters: Zwar ein Festival und keine Messe, aber auch hier wird angesagte und teure Kunst an 30 Orten in der Region gezeigt. Charlotte Desaga:
    "Das Besondere ist, dass wir nicht den klassischen White Cube Raum bespielen, sondern Privathäuser, Kirchen oder die Landschaft, und da bekommen die die Werke eine ganz andere Wirkung."
    Da ist was dran: Die poppigen Neonbuchstaben bekommen vor der massiven Bergkulisse fast etwas Existenzielles. Was die wohlhabenden Russen weniger interessiert, die hier gerade eine Pause auf ihrer Mountainbiketour einlegen.
    Steininstallation in einer Scheune
    Seit Jahrhunderten kommen Kreative der Luft und der Inspiration wegen ins Engadin. Die Art Masters knüpfen an diese Tradition an. Ein beliebter Treffpunkt der heutigen Kunstszene: das Dörfchen Zuoz.
    Es ist schon etwas bizarr, ein mittelalterliches Patrizierhaus, auch Chesa genannt, zu betreten und in der ehemaligen Scheune eine riesige Steininstallation von Richard Long zu entdecken. Offene Holzbalken, raue Wände. Nebenan dreht sich ein elegantes, Karussell-ähnliches Bronzewerk der japanischen Künstlerin Su-Mei Tse.
    "Die Kunst muss wirklich gut sein, damit sie den alten Gemäuern standhält. Wenn das nicht Kraft und Inhalt hat, dann wirkt es viel lächerlicher als an einem neutralen Ort."
    Sagt Elsbeth Bisig von der Galerie Tschudi, einem Pionier der Gegenwartskunst in Zuoz.
    Inzwischen sind in die benachbarten Chesa Dependancen großer internationaler Galerien eingezogen.
    Kunst an Ferienorten
    Die Entwicklung im Engadin zeigt: Die Kunst geht zunehmend dahin, wo die Sammler und Kunstfreunde Ferien machen. In Ferienlaune lässt sich bekanntlich entspannter shoppen als auf einer überfüllten Messe.
    Doch auch ohne Kleingeld lässt sich im Hochtal einiges entdecken.
    Das Türmchen des preisgekrönten Lichtkünstlers James Turrell steht unauffällig an einem Parkplatz. Durch das runde Dach scheint man nach dem Himmel greifen zu können.
    Matthew Stephenson, International Director der amerikanischen Pace Gallery, kommt täglich in den Skyspace, seit er im Sommer in das Engadin reist.
    Ähnlich atemberaubend: das an einem rauschenden Bach gelegenen Felsbad des japanischen Künstlers Tadashi Kawamatas.
    U-Bahneingang auf Golfplatz
    Am Golfplatz von Zuoz kann man – mitten auf der grünen Wiese – einen leuchtend weißen U-Bahneingang von Martin Kippenberger bestaunen.
    Diese und andere Werke holte der Schweizer Mäzen Ruedi Bechtler ins Engadin. Als absoluter Insidertipp gilt seine private Sammlung im schlossähnlichen Hotel Castell.
    Auf vier Zimmerfluren reihen sich bekannte Namen der Gegenwartskunst: David Shrigley, Carsten Höller, Peter Regli, Tobias Madison, Superflex....
    "Wenn Sie die Kernwerte der Marke Engadins und St. Moritz betrachten, dann ist das Schillernde St. Moritz und das Inspirierende Engadin, und das eine kann ohne das andere nicht, es ist wirklich eine Symbiose, die da entsteht."
    Sagt Direktorin Ladina Tarnuzzer.
    Während für die Promis bei der St. Moritz Art Masters der Champagner bereit steht, trinken an der Bar des Castells lokale Künstler zu später Stunde noch einen Bettmümpfli. Selbst hier ist von der Kunst kein Entkommen: Im Flaschenregal leuchten drei Videoprojektionen der Künstlerin Pipilotti Rist.