Freitag, 29. März 2024

Archiv

Technik im Auto
Radio bleibt, nur die Quelle ändert sich

Ein Blick auf die Trends der IAA zeigt: Im modernen Pkw hat der Fahrer technisch viele Möglichkeiten – Bewegtbild inklusive. Und das Buhlen um Einlass in das Kommunikationszentrum von morgen hat bereits begonnen.

Von Michael Braun | 20.09.2017
    Der Blick in ein Auto-Cockpit.
    Fast jeder zweite Autofahrer hört regelmäßig Radio. (picture alliance / Arne Dedert / dpa)
    "Sie können diese Dynamik selbst am Lenkrad genießen. Oder Sie lassen ID Crozz voll automatisiert fahren – sicher und entspannt."
    Klar, im Vordergrund stehen auf der IAA die Autos, die lieferbar, also zu verkaufen sind. Doch die Zukunft lauert auf den Ständen in Form von Studien, mehr oder weniger seriennah. Assistenzsysteme bis zum automatisierten Fahren sind dabei das Thema. Und damit auch Konnektivität. Bei VW mit seinem ID Crozz ist das so. Auch BMW hält mit.
    "Über die BMW ConnectedApp haben Sie Zugriff auf Anwendungen wie Facebook, Twitter, Wikilocal, Nachrichten, Webradio und Kalender."
    Radio kommt also vor im vorausgewählten Medienangebot im vernetzen Auto. Wahrscheinlich weil die Servicedesigner wissen, wie wichtig den Autofahrern Radiohören ist. Das Radio ist für viele ein ständiger Begleiter, morgens vor allem im Auto, wenn die Fahrt zur Arbeit ansteht. 9,5 Millionen Hörer zählt die jüngste Media-Analyse, die "ma 2017 radio II" da zwischen sieben und acht Uhr. Tagsüber halbiert sich das etwas. Aber gegen 17 Uhr sind es wieder acht Millionen. Mehr als 45 Prozent der Befragten hören Radio im Auto. Ein Viertel aller 14 bis 29 Jahre alten Hörer nutzen das Radio zu Hause über das Internet. Im Auto sind es – noch – nur fünf Prozent.
    Radio bleibt wichtig
    Heike Raab, Staatssekretärin in Rheinland-Pfalz und zuständig dafür, die Rundfunkangelegenheiten der Länder zu koordinieren, glaubt an die Zukunft des Radios auch im selbstfahrenden digitalisierten Auto.
    " Ja, viele Menschen nutzen sehr gerne das Radio auf ihrem Weg zur Arbeit. Und wenn wir bedenken, Menschen sind im Durchschnitt eine Stunde am Tag in ihrem Wagen unterwegs – so bietet das Radio ja nicht nur Unterhaltung, Information, auch nützliche Verkehrshinweise. Und deshalb glaube ich, weil es viele Funktionen erfüllt, dass es auch in Zukunft als klassisches Medienangebot eine große Bedeutung haben wird."
    In Halle 4.0 auf der IAA haben einige Anbieter einen Gemeinschaftsstand aufgebaut, die CarMediaWorld. Gerd Wellhausen, ein Manager von Pioneer, eines Anbieters von Unterhaltungselektronik, treffe ich dort. Wir setzen uns in einen Golf 7, den er dort hingestellt und mit neuester Informationselektronik ausgestattet hat. Das frühere Autoradio ist längst keins mehr, der DIN-Schacht ist verschwunden, musste großen Monitoren Platz machen, Schaufenster des dahinter arbeitenden Rechners.
    "Das Radio ist eine Funktion von sehr, sehr vielen. Wir haben natürlich viele Schnittstellen drin. Ich kann über mehrere USB-Schnittstellen Massenspeicher einbinden. Und ich kann vor allen Dingen auch ein Smartphones anschließen. Ich habe hier eine eingebaute Navigation im Radio. Ich habe aber auch die Möglichkeit, je nachdem, was ich für ein Smartphone besitze, über meine Apple-Maps oder meine Google-Maps zu navigieren, indem ich per USB mein Smartphone anschließe."
    Smartphone als mediales Zentrum
    Das Smartphone wird auch im Auto zum medialen Zentrum, im Moment aus Sicherheitsgründen noch mit eingeschränkter Bedienung. Mit Daten gefüttert werden kann es nur bei angezogener Handbremse. Aber fährt das Auto selbst, ist der Fahrer also selbst nur noch Gast, werde das Bewegtbild wichtiger bei der Mediennutzung im Auto, vermutet Wellhausen.
    "Die Nutzung des Frontmonitors wird sich definitiv ändern, weil in dem Moment, wo ich wirklich keinen Zwang zum Eingriff mehr habe, mich zurücklehnen kann, ist natürlich auch Bewegtbildnutzung kein Problem."
    Der Hardwaredesigner ist sich aber sicher, dass das Radio dabei seinen Stellenwert nicht abgeben wird.
    "Das Radio bleibt ein wichtiges Medium, nur die Quelle mag sich ändern. UKW wird in absehbarer Zeit nicht mehr existieren und durch Digitalradio ersetzt. Und außerdem hat man natürlich über das Smartphone wieder Internetradio und damit eigentlich wieder jederzeit die Möglichkeit des Zugriffs auf jeden Sender weltweit."
    Das Buhlen um Einlass
    Und wer entscheidet über das technische Angebot? Nebenan treffe ich Lars Grothe, den Marketingmanager Kenwood. Und der ist sich sicher, dass die Autohersteller den Schlüssel gerade auch für das Kommunikationszentrum von morgen in der Hand halten werden und alle anderen quasi betteln müssen, mit ihren Angeboten da reinzukommen.
    "Es wäre jetzt auch etwas unrealistisch zu sagen, dass wir das komplett eigenständig entwickeln können. Sondern wir brauchen da natürlich auch die Zusammenarbeit mit der Autoindustrie. Denn die sitzen immer an der Quelle. Die entwickeln ihre Autos. Und da wäre natürlich auch unser Wunsch, eine Art Universalschnittstelle anzubieten, die es dem Kunden erlaubt dann zu schauen, welches Produkt er gerne am Ende ins Auto integrieren will."
    Die Rolle der Medienpolitik dabei beschränkt sich, so die für Rundfunkangelegenheiten zuständige Staatssekretärin Heike Raab, vorerst hierauf: "Unsere Aufgabe ist es, dass wir für eine gute digitale Infrastruktur sorgen."
    Also für DAB plus überall und gute Mobilfunknetze ebenfalls überall. Sender müssen sich bemerkbar machen, abheben, damit sie im vielfältigen webbasierten Angebot gefunden werden. Und Kunden müssen womöglich bald darauf achten, dass ihnen die Autobauer über diese Infrastruktur auch das anbieten, was sie sehen wollen. Oder hören.