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Staatliches Tierwohl-Label
Tierschützer kritisieren Zertifikat als Mogelpackung

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat erstmals die Kriterien zur Schweinehaltung für ein staatliches Tierschutzlabel vorgestellt. Es sieht vor, in weiten Teilen bereits bestehende Gesetze und EU-Vorschriften zu zertifizieren. Tierschutzorganisationen distanzierten sich öffentlich von Schmidts Plänen.

Von Eva Achinger | 27.04.2017
    Schweine in der Massentierhaltung
    Schweine in der Massentierhaltung (imago)
    Auf der Grünen Woche im Januar dieses Jahres hatte Landwirtschaftsminister Christian Schmidt sein staatliches Label noch mit viel Pomp vorgestellt. Das Logo im Blitzlichtgewitter enthüllt; den Bedarf mit Zahlen untermalt:
    "Ein staatliches Tierwohllabel wünschen sich 79 Prozent der Befragten. Das ist auch ein Ausdruck dafür, dass momentan vielen Verbrauchern die Orientierung beim Einkauf zu diesem Thema nicht ausreichend ist. Dass sie fehlt."
    Präsentation des staatlichen Tierwohllabels im kleinsten Kreis
    Als es jetzt jedoch darum ging, dem Verbraucher zu erklären, was genau hinter dem staatlichen Tierwohllabel stecken wird – tat der Minister das von der Öffentlichkeit fast unbemerkt. Keine große Pressekonferenz. Kein Medienrummel. Im Gegenteil: In einer Runde weniger ausgewählter Journalisten – einem sogenannten "Hintergrund" - hat Schmidt die Kriterien zur Schweinehaltung präsentiert.
    Eigenartigerweise wussten auch diejenigen nichts davon, die seit Monaten an den Beratungssitzungen des Ministeriums zum Label teilnehmen – Vertreterinnen von Tierschutzorganisationen wie Ina Müller-Arnke:
    "Uns wurde dann gesagt von Ministeriumsseite, dass jetzt im Moment an diesem Nachmittag der Minister die finalen Kriterien der Presse vermittelt und wir von Vier Pfoten, die selbst in der Arbeitsgruppe zu den Kriterien saßen, haben die finalen Kriterien nicht mehr gesehen."
    Nutztier-Expertin: Tierwohl-Label sei Mogelpackung
    Auch der Deutsche Tierschutzbund verurteilt das Vorpreschen des Ministers, sieht ein Abstimmungsproblem und aktuell keine Grundlage mehr, das geplante staatliche Label weiterhin zu unterstützen. Vier Pfoten hat – neben vier weiteren Organisationen - ebenfalls umgehend seinen Austritt aus der Arbeitsgruppe erklärt. Denn das Ergebnis sei frustrierend, so die Nutztier-Expertin Ina Müller-Arnke: "Wir sehen das vorgestellte Tierwohl-Label des Agrarministers als Mogelpackung."
    Das Hauptproblem der Tierschützer: Die Kriterien würden kaum über geltende Gesetze hinausgehen. Neben ein wenig mehr Platz pro Tier – der einzig wahren Verbesserung - präsentiert Schmidt tatsächlich die Einhaltung von EU-Richtlinien und Gesetzen als Fortschritt. Etwa das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration – die ohnehin ab 2019 nicht mehr zulässig sein wird. Oder den ständigen Zugang zu Beschäftigungsmaterial für die Tiere, was eine EU-Richtlinie seit Jahren vorschreibt. Aber das, was Tierschützer besonders kritisieren, das soll auch mit Label weiterhin erlaubt bleiben, so Ina Müller-Arnke.
    "Entscheidende Missstände wie Ringelschwanzkürzen oder Haltung auf Vollspaltenboden – das ist also Beton ohne Einstreu – werden jetzt als Tierwohl ausgezeichnet und das ist ein Skandal."
    Schmidt sieht Tierwohl-Label als Trendsetter
    Das durchschnittliche Schwein wird weiterhin mit abgeschnittenem Ringelschwanz auf Betonboden stehen, der die Gelenke schädigt. Das Label wird den Tieren kein wesentlich besseres Leben bescheren. Dennoch soll der Verbraucher laut Ministerium an der Ladentheke ca. 20 Prozent mehr dafür bezahlen. Schmidt selbst verkauft das Label selbstbewusst – der Minister lässt sich schriftlich mit den Worten zitieren: "Mein Ziel ist es, Deutschland zum Trendsetter beim Tierwohl zu machen." Tierschützer befürchten das Gegenteil:
    "Wenn man etwas als Tierwohl verkauft, wo kein Tierwohl drin ist, dann ist das eher Verbrauchertäuschung und das säht dann wiederum auch Misstrauen gegenüber wirklich guten Tierschutzlabels, die hohe Anforderungen haben."
    Geht es nach den Vorstellungen von Bundesminister Christian Schmidt – dann sollen 2018 die ersten Betriebe mit dem staatlichen Label zertifiziert werden.