Freitag, 19. April 2024

Archiv

Staatsanleihe-Verkauf
Griechenland muss noch kämpfen

Über drei Milliarden Euro hat Griechenland mit seiner Staatsanleihe am Kapitalmarkt eingenommen. Vor allem Großinvestoren legten ihr Geld an. Der Kauf dieses Wertpapiers hätte sich aber auch für den Privatanleger lohnen können, sagt Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik im DLF.

Bert van Roosebeke im Gespräch mit Thielko Grieß | 11.04.2014
    Der griechische Finanzminister Yannis Stournaras (rechts) und EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia verlassen die Pressekonferenz zur griechischen Staatsanleihe in Athen.
    Der griechische Finanzminister Yannis Stournaras (rechts) und EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia reagierten erleichtert auf den Verkauf der Staatsanleihe. (dpa picture alliance / Yannis Kolesidis)
    Das liege zum Beispiel an einer Rendite von 5% und an einer Ausfallwahrscheinlichkeit, die nahezu gegen Null tendiere: "Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, wenn nötig unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen und ein zweiter Schuldenschnitt wurde unter anderem auch von der Bundesregierung ausgeschlossen", sagte Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik im DLF.
    Griechenland sei aber noch lange nicht über den Berg. "In der Wirtschaft muss ein Umdenken stattfinden", sagte van Roosenbeke. So etwas passiere aber nicht sofort. "Strukturelle Veränderungen zeigen ihre Wirkung erst nach ein paar Jahren", so van Roosebeke.

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Angela Merkel reist heute nach Athen. Sie möchte die Regierung in ihrem Sparkurs bestärken. Griechenland war gestern, fast vier Jahre nach dem Finanzkollaps, an die Kapitalmärkte zurückgekehrt. Nach Angaben des Finanzministeriums in Athen wurden drei Milliarden Euro am Anleihemarkt eingesammelt, rund eine halbe Milliarde mehr als angepeilt. Darüber hat mein Kollege Thielko Grieß mit Bert van Roosebeke gesprochen vom Centrum für Europäische Politik und ihn gefragt: Angenommen auch er, Grieß, hätte zugegriffen und griechische Anleihen gekauft, wie würde Bert van Roosebeke das bewerten, als irrwitzigen Kauf oder als trendbewusste Anlage?
    Bert van Roosebeke: Ich glaube, das wäre gar nicht so dumm von Ihnen gewesen. Sie bekommen eine schöne Rendite von fünf Prozent. Danach können Sie heute schon ziemlich lange suchen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihr Geld nicht zurückbekommen, also die Ausfallwahrscheinlichkeit, würde ich als sehr gering einschätzen, wenn nicht null.
    Thielko Grieß: Das habe ich auch vor zehn Jahren schon mal gedacht, als ich griechische Anleihen gekauft habe, und dann gab es den Schuldenschnitt und ich saß in der Tinte.
    van Roosebeke: Ja, zwei Sachen haben sich seitdem geändert. Zum einen hat man nach diesem ersten Schuldenschnitt gesagt, so, das war jetzt das erste und letzte Mal, einen zweiten Schuldenschnitt für Staatsanleihen soll es nicht geben. Diese Aussage kam ja auch von unserer Bundesregierung. Und das zweite, was sich geändert hat, ist, dass die Europäische Zentralbank ja angekündigt hat, dass sie, wenn es denn notwendig ist, unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen würde. Diese beiden Ankündigungen – mehr als Ankündigungen sind es ja nicht – haben schon das Blatt gewendet, würde ich sagen, und haben die Ausfallwahrscheinlichkeit für diese Papiere nahe null gesetzt.
    Grieß: Aber wenn ich das richtig im Kopf habe, Herr van Roosebeke, dann ist vor der Bundestagswahl im Wahlkampf, also vor einem guten dreiviertel Jahr, noch immer wieder davon gesprochen worden: Warten wir einmal ab, ein weiterer Schritt zum Schuldenabbau von Griechenland, das ist nur eine Frage der Zeit, das Land ist so hoch verschuldet, mit 175 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung, das wird lange nicht gut gehen, aber noch verrät es uns eben keiner.
    van Roosebeke: Das ist richtig und seitdem hat sich ökonomisch auch nicht viel geändert, würde ich sagen. Aber dann würde ich die Ankündigung von damals als Wahlkampfrhetorik abtun.
    Bedingte Zustimmung für Schuldenschnitt
    Grieß: Und wie kann es dann gelingen, das Land von seiner Schuldenlast zu befreien?
    van Roosebeke: Das einzige, was Griechenland tatsächlich wirklich helfen kann, das ist eine massive Änderung der Wirtschaftspolitik dieses Landes. Das Land muss wettbewerbsfähig werden, muss strukturelle Maßnahmen umsetzen und durchsetzen, und das ist nicht in fünf Jahren getan. Das haben wir ja mittlerweile gelernt. Auch wenn Gesetze durchs Parlament gejagt werden können, muss sich vieles in dieser Gesellschaft, in dieser Wirtschaft tun, und das wird wahrscheinlich noch Jahrzehnte dauern. Ob es dafür tatsächlich einen Schuldenschnitt braucht – ich neige dazu, diese Frage zu bejahen.
    Grieß: Also doch!
    van Roosebeke: Ja, ja. Die Frage ist aber, wessen Schulden geschnitten werden. Griechenland hat einen Großteil seiner Schulden nicht länger bei der Privatwirtschaft, also bei den Banken und Versicherungen, die heute diese Anleihe gezeichnet haben, sondern bei öffentlichen Gläubigern, beim deutschen Steuerzahler, wenn Sie so wollen, über diesen europäischen Rettungsschirm, oder auch beim IWF, beim Internationalen Währungsfonds, und dass diese Schulden tatsächlich zu 100 Prozent beglichen werden in Zukunft, daran kann man natürlich auch zweifeln.
    Grieß: Also könnte es so sein, dass am Ende der Steuerzahler zahlt und nicht unbedingt der Anleger, der heute zugegriffen hat, und das waren ja vor allem nicht so sehr Privatleute, wie wir es gerade eben mal angenommen haben, sondern vor allem Großinvestoren. Wem vertrauen die denn, der Reformkraft der griechischen Politik?
    van Roosebeke: Wohl kaum. Ich glaube, die vertrauen heute eher der Europäischen Zentralbank wegen dieses UMT-Versprechens, halt eben unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, wenn es notwendig ist, und auch das Versprechen des europäischen Rettungsfonds und damit auch der Bundesregierung, dass es keinen zweiten Schuldenschnitt für private Investoren geben wird.
    Grieß: Sie verfolgen die Lage in Griechenland und Sie verfolgen auch das, was in der griechischen Politik an Reformschritten unternommen wird. Nun haben wir in den vergangenen Monaten wegen anderer Themen doch wenig auf Griechenland geschaut. Helfen Sie uns, geben Sie uns ein wenig Nachhilfe. Was ist da in den vergangenen Monaten geschehen und vor allem: An welchen Baustellen ist bislang wenig oder nichts passiert?
    Parlamentsbeschlüsse nicht sehr wirkungsvoll
    van Roosebeke: Dem Parlament in Griechenland kann man wie gesagt wenig konkretes vorwerfen. Das Parlament wird sehr detailliert beobachtet durch die Troika, sprich der Europäischen Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Die gucken der griechischen Regierung sehr genau über die Finger und die Griechen – wie soll ich sagen? – stellen sich so an, dass sie etwaige Sachen, die sie nicht erfüllen, schon sehr gut verstecken. Ich würde sagen, man tut sich schwer, da ganz genaue Vorwürfe zu machen. Aber das Hauptproblem sehe ich weniger im griechischen Parlament oder in der griechischen Regierung. Das Problem, was in der griechischen Wirtschaft herrscht, lässt sich mit Gesetzen oder Beschlüssen in einem Parlament nicht wirklich beheben. Diese Volkswirtschaft hat Jahrzehnte Misswirtschaft und Korruption hinter sich und um das zu ändern, wird es eines Umdenkens nicht nur in der Politik bedürfen. Das wird ein Umdenken einfach in der gesamten Wirtschaft des Landes brauchen.
    Grieß: Ein Mentalitätswandel?
    van Roosebeke: Wenn Sie so wollen, ja. Auch wenn dieser Wandel heute da wäre, auch wenn diese Änderung heute schon da wäre, die Erfolge sehen Sie nicht sofort an diesem Tag. Das sehen Sie erst in einigen Jahren.
    Heinemann: Bert van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik. Die Fragen stellte mein Kollege Thielko Grieß.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.