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LAN-Party im Jugendheim
"Wenn die Betreuer nicht so spießig sind, ist das korrekt"

Viele Jugendliche lieben Videospiele – und zocken stundenlang, meist allein zu Hause. Als jetzt das Jugendzentrum in Lauenburg in Schleswig-Holstein zu einer LAN-Party einlud, bei der auch Egoshooter wie "Counterstrike" gespielt werden konnten, kamen viele. Das freute die Betreute, und auch die Jugendlichen waren ganz angetan.

Von Astrid Wulf | 02.05.2017
    Bei der Computerspielemesse und LAN-Party Dreamhack 2016 auf dem Messegelände Leipzig reisten mehrere Tausend Besucher an. Bei einer sogenannten LAN-Party nahmen 1.000 Spielerinnen und Spieler an einem Computerspiele-Turnier teil.
    Rund 1.000 Spieler waren 2016 bei der LAN-Party in Dresden. Ganz so viele waren es jetzt in Lauenburg nicht. (imago / Felix Abraham)
    "Ich muss mir noch eine Waffe aussuchen." - "Wir haben Fabi im Team." - "Oh, ich hasse die Waffe."
    Fabian Wetjen starrt konzentriert auf seinen Bildschirm und tippt in die Tastatur – er macht sich für eine Runde "Counterstrike" mit zwei anderen Mitspielern bereit, die links neben ihm sitzen. An mehreren langen Tischreihen sitzen insgesamt etwa 15 Spieler, die meisten von Ihnen sind Jungs. Sie sind hier, um "Counterstrike", "World of Warcraft", "League of Legends" und andere Spiele zu spielen. Entweder allein oder gemeinsam - so wie Fabian und seine Freunde. Sie kommunizieren während des Spiels über Headsets miteinander.
    "Jetzt bin ich schon wieder tot!"
    Veranstaltungsort dieser besonderen LAN-Party ist die Aula einer Lauenburger Gemeinschaftsschule. Dem 16-Jährigen macht es mehr Spaß, hier gemeinsam mit anderen Counterstrike zu spielen als alleine zuhause.
    "Schon besser. Da hat man die Leute, mit denen man spielt, direkt nebeneinander. Bei denen, mit denen man online spielt, weiß man nicht, ob die gut sind, oder nicht."
    Chips, Süßigkeiten, Eistee
    Die Jugendlichen, die hier am späten Abend noch sitzen, sind über 16, die meisten sind jedoch noch nicht volljährig – deshalb sind heute Nacht Videospiele ab 18 tabu. Sie haben sich mit Chips, Süßigkeiten, Eistee und Energydrinks eingedeckt - die Nacht wird schließlich lang. Die ganze Zeit über werden Betreuer des Lauenburger Jugendzentrums dabei sein. Stadtjugendpflegerin Friederike Betke und ihre Kollegen wollen mit der Aktion Jugendliche ansprechen, die ansonsten eher zuhause vorm Rechner sitzen.
    "Wir animieren sie ja nicht, zu spielen, sondern wir wollen – im Gegenteil – mit dem, was sie so oder so zuhause machen ins Gespräch mit ihnen kommen und auch zur Reflexion anregen."
    "Was sind euch für Unterschiede aufgefallen, wenn ihr jetzt hier auf der LAN-Party spielt oder zu Hause spielt? Was war anders?" - "Du hattest viele Menschen um dich, mit denen Du in Kontakt warst, Du hast mit denen geredet, gerade über diese Headsetgeschichte, dann hatten wir das Actionspiel mit der Xbox, und das war halt noch mal aktiv, und man hat sich noch mal bewegt, nicht nur die Finger – und das war ganz anders als zu Hause."
    Mario Contino ist Betreuer im Jugendzentrum und selbst leidenschaftlicher Videospieler. Er spricht mit den jungen Leuten über Vorteile und Nachteile dieser Spiele – und will sie auch für sogenannte Egoshooter wie "Counterstrike" sensibilisieren.
    "Da versuchen wir auch, denen klarzumachen, dass es zum Teil gewaltverharmlosend ist, und dass es zum Teil auch stärker Aggressionen hervorrufen kann, wenn man zum Beispiel ein Ziel bei 'Counterstrike' nicht schafft. Das versuchen wir, mit denen zu besprechen und klarzumachen: Das ist nur ein Spiel, bei einem Brettspiel kann es auch zu Aggressionen führen, wenn man ein Ziel nicht schafft. Da versuchen wir, eine Trennung zu machen von Spiel und Realität."
    Unterschiedlichste Expertenmeinungen
    Wirken sich Egoshooter wie Counterstrike negativ auf die Entwicklung Jugendlicher aus? Machen sie aggressiv? Eine allgemeingültige Antwort dazu gibt es nicht – dafür unterschiedlichste Expertenmeinungen. Der Psychologe Malte Elson von der Uni Bochum forscht zu Gewalt in Videospielen. Er geht davon aus, dass von Spielen wie Counterstrike und Co. keine Gefahr ausgehen. Belege dafür, dass sie Jugendliche möglicherweise sogar zu Amokläufern machen, gebe es nicht, sagt er. Der Wissenschaftler findet die Idee, die jungen Leute gemeinsam unter professioneller Betreuung spielen zu lassen, genau richtig.
    "Diese Spiele werden so oder so gespielt, ob sie dabei sind oder nicht dabei sind, und es macht sicherlich Sinn, sich das näher anzugucken, auch um zu verstehen: Was machen Kinder und Jugendliche heute in ihrer Freizeit, was sicher anders ist als vor zehn, 20 oder 30 Jahren."
    Die Betreuer des Jugendzentrums stellen den jungen Spielern zur Stärkung Thunfisch- und Salamipizzen auf den Tisch. Friederike Betke und ihre Kollegen sind zufrieden mit der LAN-Party. Immerhin sei es ihnen gelungen, neue Jugendliche für ihre Angebote zu interessieren, viele von ihnen sehe sie das erste Mal. Sie will mit den jungen Leuten ins Gespräch kommen. Sie zu begutachten und einzuschätzen, ob sie zum Beispiel zu viel vorm Rechner hängen, sei nicht die Aufgabe der Betreuer, sagt die Stadtjugendpflegerin.
    Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger
    "Wenn ein Jugendlicher da Probleme hat, dann kommt der schon. Und dann sind wir da und wissen auch, wo wir weiterhelfen können. Aber wir sind nicht diejenigen, die belehren und in erster Linie mit dem erhobenen Zeigefinger vor den Jugendlichen stehen. Die Rolle wollen wir auch nicht einnehmen."
    Wahrscheinlich trägt diese Haltung der Jugendbetreuer dazu bei, dass sich die Jugendlichen auf diese besondere LAN-Party einlassen. Der 16-jährige Fabian findet es jedenfalls in Ordnung, dass ihm die Mitarbeiter des Jugendzentrums beim Counterstrikespielen ab und zu über die Schulter gucken.
    "Wenn da Betreuer sind, die nicht so spießig sind wie andere Erwachsene, die sagen: Die Spiele sind für Kinder nicht geeignet, weil sie zu Amokläufern werden, wenn das nicht solche Leute sind, ist das korrekt."