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Staatsfernsehen in Spanien
Neue Regierung, neuer Rundfunk?

Zu unkritisch, zu regierungsfreundlich - solche Kritik gibt es seit Jahren am spanischen Staatsfernsehen RTVE. Dass der Sender-Chef die bisherige Regierungspartei PP wählte, war kein Geheimnis. Der neue Ministerpräsident Pedro Sanchez hat ihn jetzt durch eine altgediente Journalistin ersetzt.

Von Oliver Neuroth | 13.08.2018
    Pedro Sanchez hält eine Rede beim NATO-Gipfel im Juli 2018.
    Seit Juni 2018 ist Pedro Sanchez spanischer Ministerpräsident. (picture alliance/dpa)
    Rosa Maria Mateo ist in einem Alter, in dem die meisten Menschen eher wenig Tatendrang haben. Die 76-Jährige will aber keine klassische Rentnerin sein, sondern den spanischen Rundfunk komplett umkrempeln. In der Antrittsrede nach ihrer Wahl als Präsidentin Ende Juli formulierte sie es so: "Wir versuchen, einen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Wir wollen einen staatlichen Rundfunk erschaffen, der pluralistisch und unabhängig ist. So sieht es das Gesetz vor. Aber wir tun es vor allem aus Überzeugung."
    Erfahrene Journalistin als neue RTVE-Präsidentin
    Rosa Maria Mateo kennt den Sender bestens: Die Journalistin arbeitete dort 27 Jahre lang. Sie begleitete als Reporterin den Putschversuch des spanischen Militärs 1981, den der damals junge König Juan Carlos beendete. Später moderierte sie bis in die 90er Jahre hinein den "Telediario", die meistgesehene Fernsehnachrichtensendung in Spanien.
    Die spanische Regierung ist davon überzeugt, dass Rosa Maria Mateo die richtige Besetzung ist, um den Umbauprozess von Radiotelevision Española zu leiten. Ministerpräsident Sanchez drückt es so aus: "Es endet ein schwarzes Kapitel. Wir haben die Hoffnung, dass eine Institution, die der gesamten Gesellschaft gehört, ihr verloren gegangenes Prestige wiedergewinnt."
    Regierungspartei besetzte Senderspitze eigenmächtig
    Das "schwarze Kapitel", wie der Regierungschef sagt, begann im Jahr 2012. Die damals konservative Regierung änderte die Regeln für die Wahl eines neuen RTVE-Präsidenten. War bis dahin eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament nötig, um einen Kandidaten durchzubekommen, reichte nun die einfache Mehrheit aus.
    Das hieß: Die Regierungspartei PP, damals mit absoluter Mehrheit an Parlamentssitzen ausgestattet, konnte eigenmächtig über die Spitze des Senders entscheiden. Und das tat sie auch. Bis Ende Juli leitete José Antonio Sanchez Radiotelevision Española: ein Journalist, der nicht verheimlichte, welcher Partei er nahesteht.
    Zum Beispiel in der Sitzung eines Parlamentsausschuss 2015, als ihn ein Abgeordneter einer linken Partei ansprach: "Ich wähle PP. Ich habe noch nie in meinem Leben ihre linke Partei gewählt und werde es auch nie tun, wie viele Millionen Spanier auch. Ich werde auch weiterhin die PP wählen."
    Etliche Beispiele für Einflussnahme
    "Damit hat er klargemacht, dass die Unabhängigkeit des Senders erloschen ist", meint Alejandro Caballero, der Vorsitzende des Redakteursausschusses von RTVE, einem unabhängigen Kontrollgremium. Er kann etliche Beispiele für Fälle aufzählen, in denen die Regierung Einfluss auf das Programm des Senders nahm.
    Am deutlichsten habe sich das am 1. Oktober 2017 gezeigt, sagt Alejandro, dem Tag des illegalen Unabhängigkeitsreferendums der katalanischen Regionalregierung: als spanische Polizisten vor einzelnen Abstimmungslokalen auf Katalanen einprügelten, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten.
    "Ich weiß nicht, ob es direkte Anweisungen waren, aber es passte zur Philosophie der Zentralregierung: Kein zusätzliches Kamerateam wurde nach Katalonien geschickt, um über die Vorgänge zu berichten. Als hätte man vorher nicht gewusst, dass an diesem Tag etwas Außergewöhnliches passieren könnte. Aber genau das wussten wir doch alle!"
    "Bei RTVE machen wir Journalismus für die Menschen"
    Also habe RTVE nur oberflächlich über die Ereignisse in Katalonien berichtet, sagt Alejandro, nicht in dem Maße, wie es die Verantwortung des Senders gewesen wäre. Damit so etwas nicht noch einmal passiert, hat die neue Präsidentin Rosa Maria Mateo als eine ihrer ersten Amtshandlungen den Nachrichtenchef ausgetauscht. Die Position übernimmt nun eine langjährige Journalistin des Hauses ohne Parteibuch. Ähnliche Wechsel dürften in den nächsten Wochen in einigen Redaktionen von RTVE anstehen
    "Es ist natürlich schmerzhaft, wenn jemand seine Verantwortung verliert, gehen muss. Aber es kann einfach nicht sein, dass Leute in diesem Haus anstatt unabhängigen Journalismus die Kommunikationsarbeit einer Partei betreiben. Bei RTVE machen wir Journalismus für die Menschen im Land, nicht für eine Regierung."
    Genau das ist auch das Motto von Rosa Maria Mateo, der neuen Präsidentin. Dass keine leichte Aufgabe vor ihr liegt, dessen ist sie sich bewusst. Aber sie ist zuversichtlich. Ihre Antrittsrede endete mit den Worten: "Hoffentlich wird der Traum eines unabhängigen Rundfunks Wirklichkeit – und hält für immer."