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Staatsnah und gewinnorientiert
Die Macht der orthodoxen Kirche in Rumänien

Der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta, der den aus der postkommunistischen Partei hervorgegangenen Sozialdemokraten angehört, will am Sonntag zum rumänischen Staatspräsidenten gewählt werden. Dabei setzt er auch auf den Segen der orthodoxen Kirche.

Von Thomas Wagner | 12.11.2014
    Wahplakate in den Straßen von Bucharest, auf denen der rumänische Regierungschef Ponta um Stimmen wirbt.
    Der rumänische Regierungschef Ponta liegt in Umfragen bei der Präsidentschaftswahl deutlich vor seinen Mitbewerbern. (afp / Daniel Mihailescu)
    Es ist ein Symbol für Macht und Geld - und entsteht derzeit mitten im Stadtzentrum von Bukarest:
    "Das ist die rumänisch-orthodoxe Kathedrale des Volkes. Und es ist programmatisch das größte Kirchengebäude der Orthodoxie, das dort entsteht. Es soll eine Kirche entstehen, die mindestens 10.000 Gläubige umfasst."
    Staat und orthodoxe Kirche eng verbunden
    Dass die Riesenkirche gleich neben einem weiteren Riesen-Gebäude errichtet wird, nämlich dem vom einstigen rumänischen Diktator Nicolae Ceausescu in Auftrag gegebenen "Palast des Volkes", ist nach Ansicht des rumäniendeutschen Journalisten Werner Kremm kein Zufall: Schon immer waren Staat und orthodoxe Kirche in Rumänien eng miteinander verwoben. Und so dürfte denn ein Großteil der auf über 300 Millionen Euro geschätzten Baukosten für die Kirche vom rumänischen Staat kommen.
    "Ein armer Staat baut die größte orthodoxe Kirche in Osteuropa!"
    Allerdings verlangen die Vertreter des Staates für ihre Großzügigkeit ab und an auch etwas zurück – vor allem dann, wenn Wahlkampf ist. Der rumänische Ministerpräsident Victor Ponta, der den aus den Postkommunisten hervorgegangenen Sozialdemokraten angehört, will am Sonntag zum rumänischen Staatspräsidenten gewählt werden – und setzt dabei auch auf den Segen der orthodoxen Kirche.
    "Das sieht man beispielsweise daran, dass vor dem Beginn des Wahlkampfes der Regierungschef den Patriarchen besucht und hat ihm eine neuerliche Zusage über einige 100 Millionen Euro gemacht."
    Byzantinische Tradition
    Zwar ist die Orthodoxie nach der rumänischen Verfassung keine Staatskirche – doch Papier ist geduldig. Die Wirklichkeit, so der Wirtschaftswissenschaftler Nocolae Zaran von der Universitatae de West Timisoara sieht seit jeher anders aus:
    "Das liegt an der byzantinischen Tradition, hängt also mit den Ursprüngen der orthodoxen Kirche zusammen: Da gab es keine klare Trennung zwischen Kirche und Staat. Es besteht eine regelrechtes Geflecht von gegenseitigen Interessen: Die Kirche ist eben doch, wenn man so will, Teil des Staates."
    So werden beispielsweise alle Geistlichen vom Staat bezahlt. Die orthodoxe Kirche als mit Abstand größte Glaubensgemeinschaft Rumäniens profitiert davon am meisten.
    "Die Zahl der orthodoxen Priester, die aus der rumänischen Staatskasse entlohnt werden, liegt bei über 50.000. Das sind doppelt so viele wie wir in Rumänien Professoren haben."
    Geistliche werden vom Staat bezahlt
    Die Finanzierung des Kirchenpersonals aus der Staatskasse kommt einer großen Subvention gleich. Daneben kennt die Fantasie der Kirchenoberen kaum Grenzen, wenn es darum geht, zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen, so Werner Kremm:
    "Alles wird eigentlich vergoldet: Ob das Reliquien von Heiligen sind, ob das wundertätige Ikonen sind, ob das wundertätige Quellen sind – überall wird schnell eine Kapelle gebaut. Und der Gläubige lässt da schnell seinen Obolus, immer ohne Quittung, konsequent am Steueramt vorbei, einschließlich bis dorthin, dass sie sich Monopole gesichert haben, Monopole des Kerzenverkaufs zum Beispiel."
    Eine Frau geht an einem Wahlplakat eines Kandidaten für die rumänische Präsientschaftswahl, Klaus Johannis, vorbei.
    Eine Frau geht an einem Wahlplakat eines Kandidaten für die rumänische Präsientschaftswahl, Klaus Johannis, vorbei. (picture alliance / dpa / Robert Ghement)
    Manchmal nehme die Geschäftstüchtigkeit des Klerus geradezu skurrile Züge an. Etwa bei Beerdigungen auf dem Dorf.
    "Wenn in einem Dorf ein Toter am Dorfende gestorben ist, sein Haus war eben da, und wird vom Haus bis zum Friedhof am anderen Dorfende begleitet, so wird an jeder Straßenkreuzung eine kurze Messe gelesen, die einzeln bezahlt wird. Wenn da zehn Kreuzungen sind, kommt ein Haufen Geld zusammen."
    Doch die größte Einnahmequelle für die Kirche bleibt der Staat. Wirtschaftswissenschaftler Zaran:
    "Vor allem von der Regierung kommen sehr viele Subventionen. Die werden in erster Linie für den Bau neuer Kirchen verwendet. Für die Kirche ist das eine krisensichere Investition ihrer Gelder in Immobilien. Nach der rumänischen Revolution 1989 sind um die 20.000 neue orthodoxe Kirchen gebaut worden."
    Größte Einnahmequelle bleibt der Staat
    Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die orthodoxe Kirche den amtierenden Ministerpräsidenten Ponta im laufenden Präsidentschaftswahlkampf durchaus unterstützt. Nicht zuletzt der amtierende Staatspräsident Traian Basescu hat entsprechende Vorwürfe erhoben. Die orthodoxe Kirche selbst allerdings weist dies zurück. In einer schriftlichen Stellungnahme hält sie fest:
    "In jeder Phase des Wahlkampfes hat sich die rumänisch-orthodoxe Kirche neutral verhalten, entsprechend einem Beschluss unserer heiligen Synode. In diesem Zusammenhang wiederholen wir noch mal, was längst Bestandteil unseres Kirchenrechtes ist: Den Angehörigen des orthodoxen Klerus ist es strengstens untersagt, politisch Partei zu ergreifen."
    Für Werner Kremm ist das allerdings wenig glaubhaft. Er verweist auf das Prinzip der Autokephalie: Demnach ist die orthodoxe Kirche eines Landes selbstständig; ihr Zuständigkeitsbereich erstreckt sich aber auch nur auf die Grenzen dieses Staates. Zum Prinzip der Autokephalie gehöre auch, "...dass diese Kirche nur diesem Staat dient und implizit für das Wohl des Staatsoberhaupt jeweils ein Gebet zum Ende einer jeder Messe erhebt."
    Ein solches Gebet passe aber besser zu einem orthodoxen Staatsoberhaupt – ein Kriterium, das Sozialdemokrat Victor Ponta erfüllt. Der Gegenkandidat ist Protestant.