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Staatspräsident torpediert tschechischen Ministerpräsidenten

Der tschechische Ministerpräsident Petr Necas verliert einen Minister nach dem anderen. Und außerdem scheint der Staatspräsident Vaclav Klaus Spaß daran zu haben, das Regierungsgeschäft zu torpedieren. Denn ihm missfällt der proeuropäische Kurs des Ministerpräsidenten.

Von Stefan Heinlein | 04.10.2012
    Nach dem dritten Veto des Präsidenten innerhalb weniger Wochen reißt Petr Necas der Geduldsfaden. Soeben hat Vaclav Klaus die mühsam ausgehandelte Rentenreform blockiert. Mit versteinerter Miene tritt ein sichtlich angeschlagener Regierungschef vor die Mikrofone:

    "Wenn die Regierung ihre politischen Vorhaben nicht mehr durchsetzen kann, hat die Fortsetzung dieser Regierung keinen Sinn mehr. Der Herr Präsident weiß das ganz genau. Er gefährdet mit seinen Entscheidungen die Stabilität der Regierung."

    Damit ist das Tischtuch zwischen Präsident und Ministerpräsident endgültig zerschnitten. Seit Wochen bereits stichelt Vaclav Klaus gegen seinen einstigen politischen Zögling. Den Vorwurf der bewussten Blockade der Regierung weist er mit kalter Ironie zurück:

    "Wenn ich als alter Vater einen Rat geben darf. Eine Eskalation ist doch nicht notwendig. Man muss sich nur nüchtern über die Themen unterhalten."

    Doch Vaclav Klaus geht es nicht um die politischen Inhalte. Wenige Monate vor dem Ende seiner zweiten Amtszeit bereitet der Machtpolitiker den Boden für die Zeit nach seiner Präsidentschaft, meint der Politikwissenschaftler Jiri Pehe:

    "Vaclav Klaus ist ein politischer Abenteurer. Er kennt seine Ziele und weiß genau, wie er sie erreicht. Er will in seiner Partei wieder das Sagen haben. Nicht als Vorsitzender, sondern als Strippenzieher im Hintergrund. Seine Leute sollen seine Politik zu 100 Prozent verwirklichen."

    Schon jetzt sorgen die Anhänger des neoliberalen Präsidenten für gewaltige Unruhe im Parlament. Sechs Abgeordnete der Regierungspartei ODS verweigern dem zentralen Steuerreformpaket der Mitte-Rechts-Koalition ihre Stimme. Mitte Oktober verknüpft Ministerpräsident Necas die Wiedervorlage des Gesetzes mit einer Vertrauensabstimmung. Das Überleben der Regierung hängt am seidenen Faden. Die Schuld trägt Präsident Vaclav Klaus, davon ist Außenminister Karel Schwarzenberg überzeugt:

    "Es ist ganz klar, dass er mit den Parteirebellen der ODS sympathisiert. Er hat sie sogar angetrieben. Es gibt einen tiefen Graben zwischen dem Präsidenten und dem Ministerpräsidenten. Das ist die Realität der tschechischen Politik."

    Die pro-europäische Politik des Außenministers ist Vaclav Klaus seit Langem ein Dorn im Auge. Der mögliche Zerfall der Koalition spielt deshalb seinen eigentlichen Zielen in die Hände. Das große Thema von Vaclav Klaus ist der Kampf gegen Brüssel und die fortschreitende Integration der Europäischen Union:

    "Es ist unsere Pflicht, dass wir diese Tendenzen nicht nur stillschweigend ablehnen, sondern dass wir lauter und stärker als bislang unsere Traditionen und die geistigen und moralischen Werte unserer Nation verteidigen."

    Doch seine lauten anti-europäischen Töne finden bislang Beifall nur bei einer Minderheit der Bevölkerung. Auch international ist der Präsident weitgehend isoliert. Den Staatsbesuch von Joachim Gauck in der kommenden Woche könnte Vaclav Klaus deshalb nutzen, um auf der großen Bühne für seine Politik zu trommeln. Nach Meinung vieler Beobachter muss sich der Bundespräsident möglicherweise auf einen ungemütlichen Tag in Prag vorbereiten.