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Staatssekretär für Kultur
Tim Renner - Paradiesvogel im Berliner Senat?

Früher war Tim Renner Musikmanager und hat Bands wie Rammstein, Tocotronic oder Element of Crime groß gemacht. Nun ist er seit einem Jahr im Amt des Berliner Staatssekretärs für Kultur. "Es ist ohne Zweifel ein harter Job", gibt Renner zu. Zudem sind nicht alle von ihm in diesem Amt überzeugt.

Von Claudia van Laak | 28.04.2015
    Porträtfoto von Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner. Er verfolgt am 18.02.2015 in Berlin die Veranstaltung "Wie kann Olympia zu einer positiven Stadtentwicklung beitragen".
    Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner verfolgt am 18.02.2015 in Berlin die Veranstaltung "Wie kann Olympia zu einer positiven Stadtentwicklung beitragen". (dpa / picture alliance / Paul Zinken)
    "Der Renner ist jung, frisch, ein bisserl dumm, immer nett lächelnd und auf Rhythmus aus. Der weiß vom Theater nix. Da können Sie genauso gut mit dem Pförtner sprechen. Der Mann ist ja leer. Man sitzt einem leeren, netten weißen Hemd gegenüber."
    Claus Peymann in der "Zeit" über Tim Renner. Der schluckt.
    "Das war robust."
    Ganz verwunden hat er die massiven persönlichen Angriffe des pöbelnden Peymann noch nicht. Scheint wohl auch darüber nachgedacht zu haben, den Job hinzuschmeißen. Ein Jahr Tim Renner im Amt des Berliner Kulturstaatssekretärs:
    "Das ist ein Jahr im Steinbruch der Kultur. Es ist ohne Zweifel ein harter Job. Es gab natürlich in den letzten drei Wochen schon Momente, wo man dachte, was tue ich mir denn da an. Aber ich glaube, das übersteht man."
    Und erst einmal ist er ja beigelegt, der Berliner Theaterstreit. Mit dem Auftritt von Chris Dercon, dem künftigen Intendanten der Berliner Volksbühne Ende letzter Woche.
    "Hätten wir Dercon nicht präsentiert, wären wir immer noch im Shitstorm drin."
    Chris Dercon hat versprochen, das Castorf-Ensemble zu übernehmen und will neben der Volksbühne auch andere Orte in Berlin bespielen, zum Beispiel den stillgelegten Flughafen Tempelhof. Mehr Programm, dazu braucht es mehr Geld. Schon befürchten die anderen Intendanten, ihnen werde künftig etwas weggenommen und schlagen Pflöcke ein. Thomas Ostermeier, Chef der Berliner Schaubühne:
    "Überall, wo wir hinkommen auf der Welt, werden wir für das deutschsprachige Theatersystem beneidet. Bis hin nach Amerika sagen sie uns: Lasst Euch bloß nicht dieses Ensemblesystem nehmen. Wir wären so froh, wenn wir das hier, zum Beispiel in New York hätten. Da erwarte ich von jedem Kulturpolitiker, dass die sagen, wir finden das gut oder nicht. Und wenn sie das sagen, wir finden das gut, dann müssen sie auch dafür sorgen, dass das weitergehen kann."
    Forderung nach mehr Geld für die Freie Szene
    Das von Schaubühnenintendant Ostermeier geäußerte Unbehagen ist berechtigt. Will Tim Renner doch bei den kommenden Haushaltsverhandlungen mehr Geld für die Freie Szene herausholen. Die bekommt bislang nur magere fünf Prozent aus dem Kulturhaushalt. Viel zu wenig, sagt Christophe Knoch von der Koalition der freien Szene und setzt ganz auf den früheren Musikmanager - Renner hat Bands wie Rammstein, Tocotronic oder Element of Crime groß gemacht.
    "Tim Renner kommt aus diesem Bereich, pflegt einen komplett anderen Sprachstil, geht die Sachen sehr direkt an, ist in der Kommunikation sehr viel präsenter, sehr viel ansprechbarer und ist auch gesprächsoffener."
    Tim Renner will auch das Fördersystem verändern. Weniger Projekte, deren Abrechnung bürokratisch und langwierig ist, stattdessen mehr Stipendien und Preisgelder.
    "Ich hab den Eindruck, dass Tim Renner ein sehr mutiger Mann ist, der Sachen anpackt, die lange liegengeblieben sind und an die sich niemand rangetraut hat. Da können wir noch sehr gespannt sein."
    Renner will Berlin für junge Künstler weiterhin attraktiv behalten
    So hat Tim Renner erkannt, dass Berlin für junge Künstler nur dann attraktiv bleibt, wenn die Mieten nicht ins Unermessliche wachsen. Ateliers müssen bezahlbar bleiben, Maler, Bildhauer, Performer dürfen nicht an den Stadtrand verdrängt, landeseigene Immobilien nicht zum Höchstpreis verkauft werden. Ein knallharter Verteilungskampf Kultur gegen Finanzen, bei dem Tim Renner noch zeigen muss, ob er mehr ist als ein Paradiesvogel im Senat.
    In einem Jahr Amtszeit hat er schon eine Menge Staub aufgewirbelt. Dabei ist er nur Staatssekretär. Kultursenator ist der Regierende Bürgermeister. Zunächst Klaus Wowereit - der hat Renner geholt - jetzt Michael Müller. Das macht es nicht einfacher. Gab es vorher eine Arbeitsteilung - Renner die U-Kultur, Wowereit die E, fremdelt Michael Müller gehörig mit dem gesamten Kulturbetrieb. Beim Staatssekretär - er hat in diesem einen Jahr Politikersprech gelernt - klingt das so:
    "Zwei unterschiedliche Persönlichkeiten, gerade das macht es so gut. Denn ich glaube, genauso wie es ein Fehler gewesen wäre, auf Castorf einen Mini-Castorf folgen zu lassen, kann man auf Wowereit keinen Mini-Wowereit folgen lassen."
    Und auf den Steuersünder André Schmitz keinen Mini-Schmitz, sondern einen Tim Renner. Der hat zwar nicht den Intellekt seines Vorgängers - in diesem Punkt hat Claus Peymann recht -, aber dafür versteht er genau, was Berlins Kulturszene ausmacht. Barenboim und Berghain. Nicht zu vergessen das Berliner Ensemble.