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Stabilitätspakt einhalten

"Hätten alle Länder den Stabilitätspakt eingehalten, hätten wir die heutigen Probleme nicht." Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, nimmt Stellung zur Debatte um den Euro-Rettungsschirm.

Interview mit Gunther Krichbaum (CDU) | 21.05.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Bundestag und Bundesrat haben heute über den deutschen Anteil für den 750-Milliarden-Euro-Schirm zum Schutz der Gemeinschaftswährung zu befinden. Der Bundestag hat – wir haben es schon berichtet – bereits grünes Licht gegeben.

    Die erste Hürde hat der Euro-Rettungsschirm also überwunden. Der Bundestag hat grünes Licht gegeben. 319 Abgeordnete stimmten mit ja, 73 mit nein, 195 Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Doch damit ist es nicht getan, denn das Gesetz muss auch durch den Bundesrat, der parallel zum Bundestag heute zusammengekommen ist, um über den deutschen Anteil des Schirms zu befinden.

    Mitgehört hat Gunther Krichbaum. Er ist der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag und gehört der CDU an. Schönen guten Tag, Herr Krichbaum.

    Gunther Krichbaum: Ich grüße Sie, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Krichbaum, die Opposition moniert, das Gesetz sei in einem Rekordtempo durch den Bundestag gepeitscht worden. Viele Details seien nicht bekannt, etwa über die Zweckgesellschaft, die dann mögliche Kredite ausgibt. Der FDP-Obmann im Finanzausschuss, Frank Schäffler, der hat sogar sein Amt zurückgegeben. Konnten Sie denn guten Gewissens vor diesem Hintergrund zustimmen?

    Krichbaum: Ich konnte sehr wohl guten Gewissens zustimmen, denn es ist zunächst ein normales Gesetz, wenn auch gleich wir vielleicht nicht in ganz normalen Zeiten leben, und dieses Gesetz wurde beraten im Haushaltsausschuss, dort auch sehr intensiv. Wir hatten heute Morgen eine Debatte dazu, die noch mal sehr, sehr intensiv auch die ganzen Argumente aufgeführt hat, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir gerade als Bundesrepublik Deutschland schnell gehandelt haben. Schließlich geht es um nichts weniger als um den Schutz unserer Währung und letztlich aber auch um das Zeichen der Solidarität mit anderen Staaten. Aber vor allem war es auch wichtig, hier den Spekulanten zu zeigen, ihr könnt machen was ihr wollt, wir werden stärker sein. Es geht auch darum, dass wir als Politik letztlich das Primat darüber haben, wer was wie zu sagen hat, und eben nicht nur die Märkte.

    Heckmann: Aber sind nicht die Risiken immens, denn keiner kann doch sagen, ob diese Milliarden-Hilfen, die dann möglicherweise ausgezahlt werden, jemals wieder zurückfließen?

    Krichbaum: Zunächst ist es wichtig: es handelt sich dabei um einen Schutzschirm und nicht um geflossenes Geld. Wir hatten ja jetzt durch die Erfahrung des Schutzschirms, den wir auch zu Gunsten der Banken gespannt hatten, gesehen, dass nur ein Teil überhaupt davon ausgeschöpft wurde.

    Heckmann: Aber das Geld soll ja fließen im Fall der Fälle und im Fall der Griechenland-Hilfe ist das ja auch der Fall.

    Krichbaum: Ja, natürlich! Das Geld ist auch geflossen, aber wie gesagt zu einem Anteil von einem Viertel, was den Rahmen angeht. Hier ist der Rahmen auch bewusst – und Sie hatten vorhin in Ihrer Anmoderation auch gesprochen von einem psychologischen Signal – deswegen ist auch hier der Rahmen bewusst hoch gespannt. Das soll ein Signal sein. Letztlich werden natürlich bei Krediten auch Zinsen bezahlt. Deswegen: so wie wir jetzt eben hier bei dem Finanzrettungsschirm der Banken bislang auch noch keine Ausfälle hatten, so gehen wir auch hier davon aus, dass die Länder, die jetzt dieses Darlehen dann in Anspruch nehmen werden, auch in die Lage hineinversetzt werden müssen, mit Strukturreformen in ihren eigenen Ländern, dass sie überhaupt in der Lage sind, dann eines Tages auch die Kredite wieder zurückzahlen zu können.

    Heckmann: Rettungsschirm und auch die Strukturreform sind das eine, die Regulierung der Finanzmärkte ist das andere. Stichwort Finanztransaktionssteuer. Da gab es von Seiten der Bundesregierung bis dato immer ein Nein, möchten wir nicht. Jetzt heißt es, es soll geprüft werden auf internationaler Ebene. Ist das nicht ein durchsichtiger Versuch gewesen, die Opposition mit ins Boot zu holen, um die Verantwortung für das ganze Projekt, falls es dann doch schief gehen sollte, nicht alleine tragen zu müssen?

    Krichbaum: Nein. Zunächst finde ich es auch sehr bedauerlich, dass weder SPD noch Grüne – von den Linken hätte ich ja eh nichts erwartet – hier der Maßnahme nicht zugestimmt haben. Es ist tatsächlich leider so: wenn man sich enthält und eine Enthaltung ausspricht, dann ist das eben keine Haltung. Bei einer Frage, bei einem Problem dieser Dimension wäre es angebracht gewesen, hier Flagge zu zeigen, denn es geht nicht alleine hier um eine parteitaktische Überlegung, sondern es geht hier um ein Problem, was weit Bedeutung über unsere eigene Nation heraus hat. Deswegen hätte ich mir zumindest seitens der SPD, aber auch der Grünen hier ein deutlicheres Signal gewünscht, und ich weiß auch von vielen Kollegen aus den dortigen Reihen, dass sie eigentlich dem Gesetzespaket auch gerne zugestimmt hätten.

    Heckmann: Die Opposition allerdings moniert, dass die Transaktionssteuer nur geprüft wird, weil die Bundesregierung ohnehin davon ausgeht, dass sie international nicht durchsetzbar ist. Arbeitet da die Koalition mit Tricks?

    Krichbaum: Nein! Das hat auch hier Finanzminister Schäuble heute Morgen nochmals eindeutig bekräftigt, dass sich Deutschland dafür einsetzen wird, diese Finanztransaktionssteuer dann auch hier zunächst mal im Rahmen der G20, aber dann auch anschließend in Europa durchsetzen will. Es wird nicht leicht sein, denn wenn wir auf der anderen Seite schauen, dass eben gerade auch in Fernost, in Singapur diese Probleme nicht geherrscht haben, die wir hier in Europa hatten, dann werden die dortigen Regierungen von einer solchen Maßnahme schwieriger zu überzeugen sein, und es kommen ja auch schon erste Reaktionen auch aus Kanada. Deswegen: trotzdem muss der Anspruch sein, der politische Anspruch, diese Finanzmarkttransaktionssteuer zunächst auch weltweit durchzusetzen, weil wir leben im Zeitalter der Globalisierung. Aber wenn dies nicht gelingt, wird in jedem Fall die zweite Stufe sozusagen greifen müssen. Das heißt, das ist der Anspruch, es dann auch in Europa durchsetzen zu wollen. Aber auch hier weise ich schon darauf hin – und das wird nicht alleine am Willen der deutschen Bundesregierung liegen -, dass der Hauptfinanzplatz in Europa eben London ist.

    Heckmann: Pardon, wenn ich da noch mal einhake, Herr Krichbaum. Selbst CSU-Chef und Ministerpräsident Bayerns, Horst Seehofer, geht offenbar davon aus, dass die Bundesregierung dieses Projekt der Finanztransaktionssteuer nicht wirklich ernsthaft verfolgt und hat massive Kritik an Herrn Schäuble geübt.

    Krichbaum: Zu Herrn Seehofer muss ich mich nicht mehr äußern, weil da erübrigt sich langsam, aber sicher auch jedweder Kommentar. Aber eines ist eben sicher: er ist hier nicht vor Ort in Berlin, deswegen kann er vielleicht manches Mal auch nicht die Dinge in der Tiefe beurteilen, wie sehr die Bemühungen hier laufen. Deswegen: nicht nur natürlich Wolfgang Schäuble als Finanzminister, sondern auch Angela Merkel setzen sich beide vehement dafür ein, und das ist auch die Linie der Bundesregierung, und dieser gehört Herr Seehofer nicht an.

    Heckmann: Herr Krichbaum, Finanzminister Schäuble wird heute in Brüssel noch erwartet und wird dort einen Neun-Punkte-Plan für die europäische Ebene vorstellen. Dabei geht es um die Verschärfung von Kontrollen der Haushalte, um den Verlust von Stimmrechten, um die Streichung von Mitteln gegen Defizitsünder, um auch eine geordnete Insolvenz für Euro-Länder. Nicht mehr enthalten ist die Forderung nach einem Ausschluss aus der Euro-Zone im Fall der Fälle. Wäre das nicht ein Mittel, das wirklich notwendig wäre?

    Krichbaum: Nein! Ein Ausschluss aus der Euro-Zone wäre in der Tat keine Option. Wir hatten hier auch dieses Ansinnen einmal durchprüfen lassen vom wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages. Der Hintergrund ist der, den man einfach dabei auch wissen muss: Wenn ein Land der Europäischen Union beitritt, dann verpflichtet es sich zeitgleich, den Euro einzuführen, eines Tages den Euro einzuführen, außer es hat ein sogenanntes "opt out" – siehe Großbritannien. Umgekehrt gesprochen heißt dies aber auch: wenn ein Land sozusagen dann aus der Euro-Zone herauskomplimentiert werden sollte, dann müsste es zugleich auch aus der Europäischen Union ausgeschlossen werden, und das funktioniert so nicht. Was natürlich geht nach dem Lissaboner Vertrag, ist der freiwillige Austritt. Das hört sich aber alles sehr, sehr viel einfacher an, als es letztlich ist. Deswegen: wir sollten auch nicht uns in solche Schattendiskussionen hinein vertiefen, sondern viel mehr – und da ist Wolfgang Schäuble Recht zu geben – darauf besinnen, den Stabilitätspakt zu verschärfen. Aber ganz nebenbei: wir haben schon einen Stabilitätspakt und alle Regierungen sind gefordert, diesen Stabilitätspakt einzuhalten. Wäre das nämlich passiert, dann hätten wir die heutigen Probleme nicht.

    Heckmann: Ganz kurze Frage: Wie optimistisch sind Sie, dass diese Änderungen ohne Änderung der Verträge vonstatten gehen können?

    Krichbaum: Das ist in der Tat eine sehr heikle Frage und sehr gute Frage, die Sie stellen. Deswegen: es ist zunächst zu prüfen, welche Maßnahmen greifen können, die unterhalb der sogenannten Primärrechtsänderung greifen können, denn alles andere bedarf auch einer gewissen Zeit. Auch hier darf ich daran erinnern: die letzte Primärrechtsänderung hat zehn Jahre gedauert, sie war nämlich exakt die Vertragsänderung zu Gunsten des Vertrages von Lissabon.

    Heckmann: Der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, Gunther Krichbaum von der CDU. Danke Ihnen für das Gespräch!