Freitag, 19. April 2024

Archiv

Stadt der Grenzgänger
Ceuta, Exklave zwischen den Welten

Ceuta in Marokko gehört seit 1668 zu Spanien. Rund 20.000 Grenzgänge gibt es täglich. Gleichzeitig versucht man; mit einem sechs Meter hohen und acht Kilometer langen Grenzzaun afrikanische Migranten an der Einreise zu hindern. Ceutas Bewohner fühlen sich selbst als Menschen zwischen zwei Welten.

Von Jens Borchers und Marc Dugge | 19.07.2018
    Menschen versuchen am 3.2.2015, den Grenzzaun der spanischen Exklave Ceuta in Nordafrika zu überwinden.
    Menschen versuchen, den Grenzzaun der spanischen Exklave Ceuta in Nordafrika zu überwinden. (picture-alliance / dpa / Reduan)
    Rund 500 Migranten haben am Morgen den Grenzzaun von der spanischen Exklave Ceuta überwunden. Der Vorfall ereignete sich heute Morgen um kurz nach 6.00 Uhr. Fernsehbilder zeigen wie hunderte afrikanische Flüchtlinge den sechs Meter hohen Grenzzaun hochklettern. Um die 400 Menschen sollen es gewesen sein, die am Morgen versuchten, über den Grenzübergang Tarajal nach Ceuta hineinzugelangen.
    Mein Name ist Marc Dugge. Ich bin Spanien-Korrespondent für die ARD. Wenn ich mit Ceuta zu tun habe, dann meist, wenn wieder einmal Gruppen von Afrikanern den Grenzzaun überwunden haben. Oder wenn die Polizei in einer Nacht und Nebel-Aktion mutmaßliche Terroristen verhaftet hat. Tatsächlich kennen viele Spanier Ceuta als Problembezirk. Mit recht?
    Ich bin Jens Borchers, ARD-Korrespondent in Nordwestafrika. Ich lebe in Marokko. Dort heißt Ceuta nicht Ceuta. Sondern Sebta. Einfach weil die marokkanischen Mächtigen sagen: Sebta ist marokkanisch, nicht spanisch. Wenn ich also auf die Landkarte schaue, bevor ich in den Norden Marokkos fahre, dann sehe ich diesen kleinen, 18,5 Quadratkilometer großen Punkt Sebta.
    Inlandsreise auf einen anderen Kontinent
    Wer nach Ceuta übersetzen will, hat es leicht. Am Hafen von Algeciras das Auto abstellen, ein Ticket für die Fähre kaufen und dann mit der Rolltreppe in den ersten Stock, zum Sicherheitscheck. Eine Passkontrolle gibt es nicht. Schließlich ist eine Überfahrt nach Ceuta aus spanischer Sicht ungefähr so, wie mit dem Schiff von Barcelona nach Mallorca zu fahren. Eine Inlandsreise. Wenn auch auf einen anderen Kontinent.
    Wegen seiner strategischen Bedeutung hat Ceuta schon immer Begehrlichkeiten geweckt. Die Stadt liegt an der Straße von Gibraltar, die Meeresstraße, die Europa und Afrika voneinander trennt - und Mittelmeer und Atlantik miteinander verbindet. Vor gut 600 Jahren eroberten die Portugiesen Ceuta. Nach einem langen Krieg fiel die Stadt schließlich 1668 an das Königreich Spanien. Und keiner in Spanien soll Zweifel daran haben, dass sich das jemals wieder ändern könnte.
    Szene am Grenzübergang der spanischen Exklave Ceuta nach Marokko, aufgenommen am 11.10.2007. Täglich überqueren hunderte marokkanischer Arbeiter die Grenze zu Fuß nach Ceuta und verlassen die autonome spanische Region am Abend wieder. Foto: Bodo Marks +++(c) dpa - Report+++ | Verwendung weltweit
    Grenzübergang in der spanischen Exklave Ceuta (picture alliance / dpa / Bodo Marks)
    Fnideq ist die Grenzstadt auf der marokkanischen Seite von Ceuta - umgeben von Hügeln. Auf einem dieser Hügel spielt ein kleiner Junge Hüpfekästchen. Rechts stehen ähnlich ärmliche, unfertige Häuschen. Links fällt der Blick hinunter auf Ceuta.
    Hoffnungsort für viele Marokkaner
    Die Region um Fnideq ist arm. Viele Menschen haben maximal die Grundschule besucht, nie eine wirkliche Ausbildung bekommen. Und Arbeitsplätze sind Mangelware. Deshalb ist Ceuta aus Sicht der Menschen hier eine Goldgrube. Die einzige Chance wenigstens etwas Geld zu verdienen. Deshalb drängeln sich so viele Marokkaner aus Fnideq oder aus Tétouan jeden Tag vor der Grenze. Sie wollen Waren holen aus Ceuta.
    Der Hafen von Ceuta: Das Mittelmeer glitzert, Segel- und Motorboote schaukeln im Jachthafen. An der Strandpromenade mischen sich alte Kolonialbauten mit moderner Zweck-Architektur: Schmuck- und Souvenirläden, Restaurants und Cafés warten auf Kundschaft. Neben dem Jachthafen, in einem Gewerbegebiet, rangiert ein riesiger Lastwagen, um Nachschub für den Supermarkt Lidl anzuliefern.
    Auf den ersten Blick sieht es bei Lidl in Ceuta aus wie in jedem anderen Markt der Kette. Auf Paletten stapeln sich die Produkte. zwölf Flaschen Bier sind für 5,99 Euro zu haben. Eine Flasche Ketchup für 79 Cent. Das Ketchup ist jetzt, um halb zehn Uhr morgens allerdings schon leergekauft. Ein Marokkaner hat sich sämtliche Flaschen in seinen Einkaufswagen geladen und schiebt ihn Richtung Kasse - vermutlich wird er sie später in Marokko verkaufen. Zu einem niedrigeren Preis als dem dort üblichen Ketchup-Preis. Der Lidl in Ceuta ist eben doch nicht wie jede andere Filiale des Unternehmens.
    Lidl ist nicht der einzige Supermarkt in der Stadt. Auch andere Anbieter haben große Filialen hier. Denn das Geschäft mit den Kunden aus Marokko lockt, sagt der Soziologe Carlos Rontomé:
    "Der Handel mit Marokko ist im Laufe der Zeit immer bedeutender geworden, besonders Bekleidungs- oder Juweliergeschäfte haben diese Entwicklung angetrieben.
    Viele Einwohner in Ceuta wollen eigentlich Distanz zu Marokko halten. Sie möchten mit diesem Land und allem, was von dort kommt, am liebsten nichts zu tun haben. Die Geschäfte haben sich dagegen angepasst und sich am marokkanischen Kunden orientiert."
    Beamtenexklave auf staatliche Kosten
    Anpassungsfähige Händler und Supermarktketten - davon lebt Ceuta. Aber nur zum Teil. Der andere Teil ist der spanische Staat. Ceuta ist eine Beamten-Exklave: Vier von zehn Beschäftigten arbeiten hier für den Staat: Polizisten, Grenzbeamte, Soldaten oder Verwaltungsbeamte. So versorgt der Staat indirekt die Stadt, sagt Carlos Rontomé. Mit Steuererleichterungen subventioniert Spanien die Exklave zusätzlich. Sie sollen Ceuta attraktiver machen und die Exklave so am Leben erhalten. Denn Ceuta ist eine wirtschaftliche Wüste. Hier gibt es weder eine bedeutende Industrie noch eine Landwirtschaft. Auch deshalb ist Ceuta aufs Nachbarland angewiesen. Auf den grenzüberschreitenden Handel - oder, wie er hier genannt wird - den "untypischen Handel", den Schmuggel. Wegen dieser Waren kämpfen an der Grenze jeden Tag tausende Marokkaner darum, nach Ceuta eingelassen zu werden.

    Es ist halb acht am Morgen, als die Frauen auftauchen. Das Rattern und Klappern ihrer Handkarren kündigt sie an, bevor sie wirklich zu sehen sind. Jede zieht so einen Handkarren hinter sich her. Darauf werden später die Waren verstaut.
    Es sind harte, teilweise verhärmte Gesichter unter den Kopftüchern. Die Frauen hasten zu den Lagerhallen hier am Rande der Stadt Ceuta. Dort warten die Händler. Kaffee, Kakaopulver, Spülmittel bieten sie massenweise an. Gebrauchte Kleidung oder Schuhe auch, Decken oder Handtücher. Der Umgangston ist rau. Die Frauen werden angeblafft, zur Eile gedrängt, manchmal beschimpft.
    Ein hoher Zaun umgibt die spanische Enklave Ceuta.
    Ein hoher Zaun umgibt die spanische Enklave Ceuta. (dpa/picture-alliance/epa efe Khalil Shikaki)
    Arbeiten in einer besonderen Stadt
    Hastig werden Waren zusammengerafft, Kartons mit Klebeband irgendwie auf den Handkarren befestigt. 20, 30, 40 Kilo schieben, zerren und schleppen die Frauen auf den Handkarren zur Grenze. Erst kontrollieren die spanischen Grenzer, dann Marokkos Beamte. In Fnideq, auf der marokkanischen Seite angekommen, warten schon die Händler, die die Waren dort weiterverkaufen. Die Frauen bekommen etwa 20 Euro für ihre Schlepperei.
    Fatima al Barudi verdient so ihr Geld. Sie ist 41 Jahre alt, geschieden und arbeitet seit 15 Jahren als "Maultier-Frau". So nennen sie die Lastenträgerinnen, die Waren über die Grenze schleppen.
    "Wenn ich nach Ceuta reinkomme, kann ich 20 Euro am Tag verdienen. Aber ich muss 90 Euro Miete pro Monat für meine Wohnung zahlen. Dazu kommen Strom und Wasser. Und ich habe vier Kinder."
    Mit denen lebt sie in zwei kleinen Zimmern, einer winzigen Küche, einer Dusche. Fatima hat die Grundschule besucht, danach Teppichknüpfen gelernt und dann geheiratet. Nach der Scheidung war sie auf sich gestellt. So kam sie an die Grenze. Dort gab es Geld zu verdienen. Weil Ceuta eine besondere Stadt ist.
    Das EU-Mitglied Spanien handelte im Schengen-Abkommen aus, dass die marokkanischen Nachbarn aus der näheren Umgebung von Ceuta ohne Visum jeden Tag für eine begrenzte Zeit in die Stadt kommen können. Die Waren, die sie dort einkaufen, sind vergleichsweise billig. So war der wuselige Grenzverkehr zwischen dem spanischen Ceuta und dem marokkanischen Fnideq entstanden.
    Aber der ist jetzt eingeschränkt worden, nachdem in den vergangenen acht Monaten sechs Lastenträgerinnen an der Grenze ums Leben kamen. Sie wurden totgetrampelt, als sie im dichten Gedränge des schmalen Grenz-Korridors stürzten und unter dem Gewicht ihrer Last nicht schnell genug wieder auf Beine kamen. Nach diesen Tragödien wurde zweierlei beschlossen: Es werden nicht mehr so viele hineingelassen. Und: Die Waren dürfen nicht mehr auf dem Rücken geschleppt werden, sie müssen auf Handkarren transportiert werden.
    20.000 Grenzgänge pro Tag
    Alfonso Cruzado sieht das Spektakel jeden Tag - aus der Perspektive des Grenzbeamten. Cruzado ist Sprecher der spanischen Polizei "Guardia Civil" von Ceuta. Er schätzt, dass im Schnitt 20.000 Menschen täglich durch den neuen Grenzübergang Tarajal nach Ceuta kommen. Wobei es sich nicht um 20.000 Einzelpersonen handle. Viele passieren ja mehrmals die Grenze.
    Ceuta: Hier starben am 06.02.2014 mindestens sieben Menschen
    Ceuta: Hier starben am 06.02.2014 mindestens sieben Menschen (picture-alliance / dpa / Reduan)
    Er zeigt auf die lange Schlange am Ausgang, wo die Frauen mit den mittlerweile prall gefüllten Handkarren stehen, um wieder nach Marokko auszureisen.
    Der Andrang der Lastenträgerinnen, Putzkräfte und Handwerker ist jeden Tag unübersehbar. Der Grenzübergang Tarajal ist der Durchschlupf durch eine Grenze, die hermetisch abgeriegelt ist. Ein Nadelöhr zwischen zwei Welten. Marokkaner aus der Umgebung können da ganz legal durchschlüpfen, aber afrikanische Migranten gelten als Illegale. Dennoch warten sie im marokkanischen Hinterland, in den Bergen und Wäldern der Region Tétouan, wochen-, teilweise monatelang auf eine Chance, die Grenze zu diesem kleinen Stückchen Europa überwinden zu können. Alfonso Cruzado und seine Kollegen der Guardia Civil sollen sie daran hindern:
    "Wer unbedingt rüber will, den wird dieser Zaun nicht abhalten"
    Cruzado öffnet die Tür zu dem, was er das Herz des Grenzschutzes nennt: Die Einsatzzentrale. Auf großen Monitoren ist der Grenzzaun zu sehen, aus gleich mehreren Perspektiven. Und auch Küstenabschnitte. Die Grenzschützer können hier jedes kleinste Ereignis am Zaun zentimetergenau unter die Lupe nehmen.
    "Alpha 14", sagt auf einmal eine Computerstimme. Sie meint den Abschnitt des Zauns, an dem gerade etwas Ungewöhnliches passiert. Ein Warnhinweis an die Polizisten, für den Fall, dass sie den Hinweis auf dem Bildschirm übersehen haben. Sie könnten jetzt eine Patrouille losschicken. Die wäre in drei Minuten am Ort des Geschehens, sagt Alfonso Cruzado. Und das ist meistens der Zaun von Ceuta. Besser gesagt, die Zäune, denn es sind zwei. Gut acht Kilometer lang, jeweils sechs Meter hoch, an der Spitze mit NATO-Draht verkleidet. Zwischen den Zäunen gibt es einen Streifen, über den die Polizisten schnell an Ort und Stelle kommen können. Cruzado deutet auf die Anlage:
    "Ich bin da schon selbst hochgeklettert. Ja, das würdest du auch schaffen! Du nimmst einfach ein Stück Karton unter die Hand und hangelst Dich damit hoch. Wer unbedingt rüber will, den wird dieser Zaun nicht davon abbringen. Manche verbringen ein Jahr da drüben in Marokko und warten auf diesen Tag. Die sagen doch nicht: Oh, zwei Zäune, ich gehe zurück, ihr habt mich überzeugt."
    "Ich habe es schon vier oder fünf Mal versucht", sagt Youssouf, ein junger Migrant aus Kamerun. Youssouf ist einer von vielen Afrikanern, die es bis in die Berge der Region Tétouan geschafft haben. Dort sitzen die Migranten wochen- oder monatelang fest. Sie campieren im Wald, rund sieben Kilometer von Ceuta entfernt.
    Natürlich wissen die marokkanischen Behörden, dass die Migranten da sind. Sicherheitskräfte beobachten sie, halten Kontakt zu den Grenzbeamten auf der spanischen Seite. Und brechen immer wieder zu Razzien auf, um Lager der Migranten aufzulösen. Marokko versucht, den Zustrom einzudämmen. Die Regierung betont allerdings auch immer wieder: Wir müssen dafür viel Geld und Personal einsetzen, um in Europas Interesse die Migration zu begrenzen. Das ist ein Dauer-Thema zwischen Marokko, Spanien und der Europäischen Union. Ein anderes lässt sich im wohl berühmtesten Stadtviertel Ceutas besichtigen.
    Berühmt und berüchtigt
    Der muslimische Gebetsruf schallt durch das Stadtviertel Príncipe. In der spanischen Stadt Ceuta. Die Bäckerei bietet marokkanische Backwaren an. Im einzigen Café am Ort steht Minztee auf den Tischen. Das "Príncipe" liegt direkt an der Grenze zu Marokko. Ein Stadtviertel, das in ganz Spanien berühmt und berüchtigt ist. Das liegt auch daran, dass ein Fernsehsender das "Príncipe" als Serien-Schauplatz gewählt und damit den schlechten Ruf des Viertels zementiert hat. Das Príncipe gilt als das Getto Spaniens. Eine spanische Favela, in der angeblich Drogenschmuggler und islamistische Hassprediger den Ton angeben. Die Wirklichkeit sei komplexer, so der Journalist Karim Prim. Der Spanier ist im Príncipe aufgewachsen:
    "Das ist Vergangenheit. Klar, es gab Probleme, da muss man nicht drum herumreden. Es gab Auseinandersetzungen und Unbehagen im Viertel. Aber heute wird das Viertel nicht mehr von Kriminellen kontrolliert, nur von seinen Bewohnern. Jeder lebt hier sein Leben. Klar gibt es weiterhin Probleme mit Kriminalität, aber das gilt ja für viele andere Viertel auch."
    Ein Polizist läuft zwischen muslimischen Bewohnern nachdem die Polizei vier mutmaßliche Dschihadisten in El Principe, einem Randgebiet von Ceuta, am 24.01.2015 festgenommen hatte.
    Am 24.01.2015 nahm die spanische Polizei vier mutmaßliche Dschihadisten in El Principe fest. (picture alliance / dpa - Reduan)
    Tatsächlich wirkt der zentrale Platz des Viertels auf den ersten Blick harmlos.
    "Das ist das Zentrum des Príncipe, hier sitzen die Alten, hier spielen Kinder", sagt Abdelkamil Mohamed. Und will damit sagen: Das Príncipe ist viel besser als sein Ruf. Mohamed ist marokkanisch-stämmiger Spanier, wie die meisten hier. Er leitet den Nachbarschaftsverein des Viertels. Keiner weiß, ob hier 12.000 Menschen leben, 15.000 oder 16.000. Im Príncipe herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Ursprünglich wurde es als Viertel für spanische Soldaten angelegt. Heute leben hier fast ausschließlich Muslime - viele nur von Gelegenheitsjobs.
    "Ceuta ist eine der spanischen Städte, in der die Zahl der Schulabbrecher besonders hoch ist. Das gilt auch für die Arbeitslosenzahl - vor allem die junge Bevölkerung ist betroffen. Jugendliche hören mit zwölf, 13 oder 14 auf zur Schule zu gehen. Deswegen werden viele straffällig oder reisen in Konfliktländer aus."
    Stadtteil Principe galt lange als Brennpunkt des Terrorismus
    Ceuta macht Terrorismus-Experten seit langem Sorgen. Denn unter den Spaniern, die sich als Kämpfer dem "Islamischen Staat" angeschlossen haben, stammen viele aus Ceuta. Meist sind es junge, marokkanisch-stämmige Männer. Das Príncipe gilt seit langem als ein Brennpunkt des Dschihadismus. Es war in den vergangenen Jahren immer wieder Schauplatz groß angelegter Polizeiaktionen bei denen Terrorverdächtige verhaftet wurden. Für Karim Prim ist das allerdings eher ein Thema der Vergangenheit.
    "Die Sicherheitskräfte haben ihre Arbeit gemacht, heute ist die Lage eine andere. Das gilt auch für die Konfliktzonen. Wir waren in Ceuta über eine lange Zeit hinweg im Auge des Orkans, denn von hier aus stammen 17 Personen, die in Kriegsgebiete ausgereist sind. Und ja, sie kamen vor allem aus dem Príncipe. Das kann man nicht verleugnen!"
    Doch der "Islamische Staat" habe an Anziehungskraft verloren, das wirke sich auch in Ceuta aus, glaubt Prim.
    Wenn Abdelkamil Mohamed, der Vorsitzende des Nachbarschaftsvereins, durchs Príncipe geht, ist es, als sei der Bürgermeister unterwegs. Jeder scheint ihn zu kennen.
    Arbeiter klopfen Steinplatten auf einem Gehweg fest. Sie machen die Arbeit, die eigentlich die Stadtverwaltung erledigen müsste, kritisiert der Chef des Nachbarschaftsvereins. Im Stadtviertel müsse viel in Eigeninitiative gemacht werden, sonst gehe nichts voran. Abdelkamil Mohamed meint, dass er und sein Nachbarschaftsverein permanent kämpfen müssen - für die muslimischen Spanier im Príncipe.
    "Es ist ein Rassismus, eine Isolation, versteckt, aber institutionalisiert. Denn sie benutzen die Institutionen, um die muslimischen Stadtteile bei Investitionen zu benachteiligen."
    Mehr als nur eine Konfliktlinie
    "Sie" - das sind die Verantwortlichen Ceutas. "Wir" das sind die muslimischen Spanier der Stadt. "Sie" und "wir": Abdelkamil Mohamed empfindet das so und aus seiner Sicht gibt es dafür viele Beispiele. Was unter dem Strich bleibt, ist eine Konfliktlinie. Die verläuft in den Köpfen und Gemütern von muslimischen und von christlichen Spaniern.
    Aber sie ist nicht die einzige. Denn da sind ja auch noch die marokkanischen Nachbarn, die jeden Tag scharenweise über die Grenze in die Stadt strömen. Wer einen spanischen Pass hat, der darf nicht als Lastenträger arbeiten. Abdelkamil Mohamed glaubt zu wissen, warum. "Grenzüberschreitende Arbeitsverträge" heißt das Stichwort. Das sind Arbeitsverträge für die vielen Marokkaner, die jeden Tag nach Ceuta pendeln:
    "Sie bekommen viel niedrigere Löhne als in Spanien üblich und zahlen geringere Sozialabgaben bei uns. Damit kann die lokale Arbeiterschaft in Ceuta nicht konkurrieren. Die lokale Bevölkerung fühlt sich deshalb benachteiligt."

    Im Stadtviertel Príncipe in Ceuta sagt dennoch keiner, die Marokkaner sollten gefälligst draußen bleiben. Aber, es grummelt in der Enklave zwischen den Welten.
    Ceuta ist die Stadt des fast unüberwindbaren Grenzzauns und des alltäglichen Schmuggels. Eine zerschnittene und umstrittene Stadt. Verschmähter Außenposten und stolze Bastion der Spanier. Kleines Eldorado für die armen marokkanischen Nachbarn. Ein Fluchtpunkt für afrikanische Migranten.
    An der marokkanisch-spanischen Grenze in Ceuta (Sebta) im Norden Marokkos versuchen zwei Flüchtlinge, den Zaun zu überwinden. 3.2.2015.
    An der marokkanisch-spanischen Grenze in Ceuta (Sebta) im Norden Marokkos versuchen zwei Flüchtlinge, den Zaun zu überwinden. 3.2.2015. (dpa / EFE / Reduan)
    Kein gemeinsames Konzept
    Am Schnittpunkt zwischen Europa und Afrika ringt die Exklave mit Armut, Bildungsmisere, Kriminalität und RadikaIisierungsgefahr. Nur: Es gibt kein gemeinsames Konzept für Ceuta und die marokkanische Nachbarregion. Spanien und Marokko grenzen sich voneinander ab, Ceuta ist zwischen den Kulturen steckengeblieben. Die Stadt ist Leidtragende und Profiteur des Zauns. Deshalb bleibt sie eine Stadt der Grenzgänger. Eine Stadt zwischen den Welten.