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Stadtführungen in Prag
Denkmal für die Korruption

"Schon ein Wochenende reicht aus, und sie werden in die 'goldene Stadt' verliebt sein", sagte Václav Havel einmal über seine Heimatstadt. Doch hinter den schmucken Fassaden wird so manches schmutzige Geschäft gemacht. Ein junger Prager zeigt Touristen, wo die Korruption zu Hause ist.

Von Iris Riedel | 28.09.2014
    Prag mit Blick auf die Burg und die Mánes-Brücke im Februar 2010.
    Prag mit Blick auf die Burg und die Mánes-Brücke. (PHOTO AFP / Michal Cizek)
    "Schon ein Wochenende reicht aus, und Sie werden in die 'Goldene Stadt' verliebt sein", sagte Václav Havel einmal über seine Heimatstadt. Viele, die schon einmal in Prag waren, würden das wohl sofort unterschreiben. Doch hinter den schmucken Fassaden wird so manches schmutzige Geschäft gemacht. Ein junger Prager wollte der unverhohlenen Korruption nicht länger zuschauen und hat kurzerhand eine Touristenattraktion daraus gemacht.
    "Schon ein Wochenende reicht aus, und Sie werden in die 'Goldene Stadt' verliebt sein", sagte Václav Havel einmal über seine Heimatstadt. Doch hinter den schmucken Fassaden wird so manches schmutzige Geschäft gemacht. Ein junger Prager zeigt Touristen, wo die Korruption zu Hause ist.
    Sommer wie Winter schieben sich Tausende Touristen durch die engen Gassen der tschechischen Hauptstadt. An allen Ecken hört man Ausrufe der Entzückung, sei es beim Anblick der reich verzierten Häuserfassaden oder der majestätisch über der Moldau thronenden Prager Burg. Vorne hui, hinten pfui, meint dagegen Petr Šourek und schaut vielsagend in die Runde von Jugendlichen, die vor ihm sitzt. Die Touristen sähen nur die Schauseite der "Goldenen Stadt". Er zeige die wahren Denkmäler.
    "Wir machen Korruptionstouren durch bestechendes Prag. Es ist etwas Einzigartiges, in der ganzen Welt gibt's so etwas nicht. Und Sie werden es heute sehen mit uns. Das Beste von dem Schlimmsten, also unsere Korruptionsdenkmäler."
    Tschechien ist eines der korruptesten Länder des Kontinents. Oft bemühen sich die Beteiligten aus Politik und Wirtschaft nicht einmal sonderlich, die Vorteilsnahme zu verbergen. Von dieser Verhöhnung der tschechischen Öffentlichkeit hatte Petr Šourek die Nase voll. 2012 gründete der Philosoph und Übersetzer eine Reiseagentur, mit der er in schwejkischer Manier die Korruption als vermeintliche Touristenattraktion ad absurdum führt.
    "Also, jetzt gehen wir zu dem ersten Korruptionsdenkmal."
    Šourek, ganz seriös in schwarzer Weste, führt gleich in den Untergrund, in die Prager Metro. Auf dem Bahnsteig deutet der selbst ernannte Korruptionshüter auf die Leinwand hinter dem Gleisbett.
    "Es gibt Nachrichten hier, es gibt irgendwelche Werbung und es gibt eine kleine Information, dass der Zug fährt ein. Also wer bezahlt für diese Projektion hier?"
    "Der Staat. Die Bürger."
    "Die Stadt bezahlt diese Gesellschaft für diese Werbeausstattung hier, dass sie diese Information, dass der Zug einfährt, hier für alle Passagiere hat. Jetzt können Sie hier eine sehr interessante Information, was man kaufen soll. Ja, die wird auch bezahlt von den Bürgern."
    Und von jeder verkauften Fahrkarte gehe ein Fünftel in die karibischen Inseln, bis es über verschiedene Gesellschaften irgendwann wieder in der Tasche eines tschechischen Paten lande. Paten, so nennt man die millionenschweren Hintermänner der tschechischen Politik.
    Das Geld ist schon weit gereist
    "Auch die meisten Prager Bürger waren nie auf den karibischen Inseln. Aber ihr Geld ist so weit schon gereist."
    Und Petr Šourek verdient seit zwei Jahren kräftig mit an mafiösen Intrigen und schwarzen Kassen. Rund 4.000 Gäste haben er und seine Kollegen bereits durch Prag geführt, Ausländer und Einheimische halten sich dabei die Waage, schätzt er.
    Der Franziskanergarten unweit vom Wenzelsplatz ist eine grüne Oase inmitten der pulsierenden Großstadt. Am Rande steht ein modernes Penthouse, das so gar nicht zu den denkmalgeschützten Gebäuden in der Umgebung passen will.
    "Die Geschichte dieses Hauses beginnt in einer Nacht 2006, als das ältere Haus, das dort stand, plötzlich zusammenbrach."
    Durch Zufall kam ans Licht, dass es einem finanzkräftigen Vertrauten des früheren Prager Bürgermeisters gehört. Er selbst bezeichnete sich als "politischen Unternehmer". In der Praxis bedeutete das, ...
    "(...) dass dieser Mensch eigentlich acht Jahre ein regierender Bürgermeister von Prag war. Aber wir haben ihn nie gewählt. Die Polizei hat einige Telefongespräche von dem regierenden Bürgermeister, den wir gewählt haben, und diesem Mann abgehört und aus diesen Gesprächen kommt heraus, der regierende Bürgermeister hat das gemacht, was dieser Pate gesagt hat. Und jetzt wissen wir auch, warum in einer Nacht, gerade dieses Haus zusammengebrochen ist."
    Langsam setzt sich in Tschechien die Erkenntnis durch, dass Korruption kein Kavaliersdelikt ist. Für bestechliche Politiker und ihre Paten wird es ungemütlich, seitdem die Antikorruptionspolizei durchgreift. Auch ein Erfolg für Corrupt Tours, aber Petr Šourek kann sich nicht so recht freuen.
    "Eigentlich alle die Denkmäler, die wir jetzt besuchen, die werden jetzt eigentlich, ja, ich muss das sagen, das wird alles zerstört in diesem Moment. Ihr könnt die letzten sein, die das noch in so gutem Zustand sehen."