Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Wahl eines NPD-Politikers in Hessen
"Wir heben für Rechtsextreme nicht die Hand"

Die Wahl eines NPD-Politikers zum Ortsvorsteher einer hessischen Gemeinde müsse korrigiert werden, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Tauber im Dlf. "Rechtsextreme haben in unserer Gesellschaft keine öffentlichen Ämter zu übernehmen". Die verantwortlichen Kommunalpolitiker nannte er naiv.

Peter Tauber im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 09.09.2019
Ex-CDU-Generalsekretär Peter Tauber
Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber (CDU), zu dessen Wahlkreis der betreffende Ort in Hessen gehört (picture alliance / Hendrik Schmidt / dpa-Zentralbild / ZB)
Dirk-Oliver Heckmann: Eine Koalition mit der AfD kommt nicht in Betracht. Das ist für die Union und für die SPD ganz klar. Umso größer die Überraschung, dass jetzt die Vertreter von CDU, SPD und FDP im hessischen Wetteraukreis einen Mann zum Ortsvorsteher gewählt haben, der noch weiter rechts steht und dessen Partei das Bundesverfassungsgericht attestiert hat, verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen.
Der Mann ist Mitglied bei der NPD. Und nicht nur das: Er ist sogar stellvertretender Vorsitzender der NPD in Hessen. Es habe sich niemand anderes gefunden, lautete anschließend die Begründung. Parteiübergreifend wurde die klare Forderung formuliert, dieser Schritt ist rückgängig zu machen.
Mitgehört hat Peter Tauber von der CDU. Er ist direkt gewählter Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Main-Kinzig, Wetterau II und Schotten. Das ist der Wahlkreis, in dem die Gemeinde Altenstadt-Waldsiedlung liegt. Derzeit ist er Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Außerdem war er CDU-Generalsekretär. - Schönen guten Tag, Herr Tauber!
Peter Tauber: Einen schönen guten Tag.
Heckmann: Herr Tauber, die Bündnis-Grünen in der Wetterau sprechen von einem Blackout der Demokratie. Teilen Sie diese Einschätzung?
Tauber: Ich glaube, man muss den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern eine überparteiliche Naivität bescheinigen. Denn da gibt es ja ganz viele Fragen, die einem zunächst mal begegnen, wenn man auf dieses Ergebnis schaut.
Ich war selber mal ehrenamtlich Mitglied im Ortsbeirat und natürlich wird nach jeder Kommunalwahl oder wenn es Rücktritte gibt dann ein neuer Ortsvorsteher gewählt, und immer gehen dem eigentlich Gespräche der Parteien voraus. Immer schaltet sich eigentlich das Rathaus ein, auch um ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sind eigentlich die Mehrheitsverhältnisse, wer könnte künftig Ortsvorsteher werden. Das ist dort ja offensichtlich nicht geschehen und das ist schon verwunderlich.
"Einen demokratischen Ortsvorsteher wählen"
Heckmann: Ist es naiv, einen NPD-Politiker zum Ortsvorsteher zu wählen?
Tauber: Ich finde, naiv ist ja noch eine sehr freundliche Umschreibung.
Heckmann: Sie sagten das ja gerade.
Tauber: Ja, ja, weil das von allen Parteien mitgetragen wurde. Sonst hätte er ja gar nicht die Mehrheit gefunden. Grundsätzlich sollte für jeden Christdemokraten klar sein, dass man einen NPD-Mann nicht wählt, wenn er auf dem Wahlzettel steht.
Heckmann: Ist es aber nicht.
Tauber: Das ist das Ergebnis und jetzt ist deswegen die Frage, wie kann man damit umgehen. Gott sei Dank gibt die hessische Gemeindeordnung es ja her, dass man jemanden aus so einem Amt dann auch abwählt, und jetzt muss man mit dem Ortsbeirat darüber reden, unter welchen Prämissen das dann gelingt, um einen demokratischen Ortsvorsteher zu wählen.
Heckmann: Wer muss dann mit wem reden?
Tauber: Das ist zunächst eine Aufgabe der Partei vor Ort. Ich weiß, dass die Kreisvorsitzende der CDU in der Wetterau, Lucia Puttrich, auch hessische Ministerinnen und Abgeordnete im intensiven Gespräch mit den Freunden vor Ort sind.
Heckmann: Die sollen ordentlich Druck ausüben.
Tauber: Ich glaube, da ist inzwischen auch nicht nur aufgrund der Berichterstattung eine gewisse Einsicht da, dass ein ordentlicher Druck von außen nur noch bedingt nötig ist. Alle vor Ort haben sich ja zusammengesetzt, auch wieder parteiübergreifend, und ich hoffe jetzt, dass das geheilt werden kann.
Heckmann: Herr Tauber, zunächst war ja ein anderer Kandidat vorgesehen bei dieser Wahl in der Sitzung am 5. September, wenn ich das richtig sehe. Der hat aber kurzfristig zurückgezogen. Das war ein Kandidat, der zunächst auf der FDP-Liste stand. Die Gemeinderatsvertreter sagten teilweise jetzt im Nachgang, sie seien quasi überrumpelt gewesen. Alle Vertreter von CDU, SPD und FDP haben gesagt, es habe sich niemand anderes gefunden. Außerdem gehe es hier nicht um Politik, sondern der Stefan Jagsch - das ist der NPD-Funktionär -, der sei ein ganz netter Mensch. Haben Sie dafür Verständnis?
Tauber: Nein, dafür habe ich kein Verständnis, weil selbst wenn er ein netter Mensch ist - ich kenne ihn nicht persönlich -, er ist ein Kandidat der NPD. Und damit: Es geht um Politik auch im Ortsbeirat. Da spielt die Partei vielleicht nicht die ganz große Rolle wie im Deutschen Bundestag. Am Ende ist es trotzdem ein politisches Gremium und da bleibe ich bei meiner Kernaussage: Ein Christdemokrat wählt niemanden von der NPD, egal ob er den nett findet oder beim Bäcker trifft. Mit dem nett finden das ist auch noch mal eine Sache.
NPD teil "inhaltlich defintiv nichts von dem, wofür Christdemokraten stehen"
Heckmann: Warum eigentlich nicht, Herr Tauber? Die NPD ist ja nicht verboten.
Tauber: Sie ist nicht verboten, aber sie ist eine Partei, die definitiv nichts inhaltlich teilt von dem, wofür Christdemokraten stehen, und dann wähle ich so jemanden nicht, unabhängig von persönlichen Kennverhältnissen oder Befindlichkeiten. Das, glaube ich, muss man Parteifreunden - nicht nur denen in unserer Partei; der SPD-Generalsekretär hat sich für seine Partei ja auch klar geäußert - dann auch noch mal deutlich machen und darüber sprechen, und das geschieht jetzt.
Heckmann: Herr Tauber, Sie haben gestern oder die Tage getwittert: "Wem der politische und moralische Kompass fehlt und wer als Demokrat eine solch verantwortungslose Wahlentscheidung trifft, ist in der CDU und auf einer CDU-Wahlliste untragbar." – Fordern Sie deshalb ein Parteiausschlussverfahren?
Tauber: Ein Parteiausschlussverfahren, an das ja hohe Hürden geknüpft sind, hilft nur leider in dem Falle gar nichts. Denn selbst wenn ich jemanden aus der Partei ausschließe, behält er sein öffentliches Mandat. Unabhängig davon, dass einer der drei, die für die CDU in diesem Ortsbeirat sitzen, gar kein Parteimitglied ist. Wir haben ja oft auf den kommunalen Listen auch Nichtparteimitglieder, die aber dann auf den Parteilisten kandidieren.
Heckmann: Aber die anderen beiden schon.
Tauber: Die anderen beiden, von denen eine dann wiederum auch gar nicht anwesend war auf der Sitzung. Wir reden wenn, dann überhaupt über eine Person, und mein erstes Ansinnen ist erst mal, dass es eine Einsicht vor Ort gibt und dass dieser Ortsbeirat einen neuen Ortsvorsteher wählt.
Heckmann: Und wenn die Einsicht nicht kommt, was ist dann?
Tauber: Dann bin ich auch nicht derjenige, der den Parteiausschluss beantragen kann. Das kann im Zweifel nur der Kreisverband machen. Der ist näher dran und muss mit den Freunden vor Ort das jetzt besprechen.
Heckmann: Würden Sie es denn machen, wenn Sie es könnten?
Tauber: Das ist jetzt gar nicht die Frage. Mein Ziel ist erst mal, dass es da einen vernünftigen neuen Ortsvorsteher gibt. Und dann halte ich es so: Die Dinge, die ich entscheide, entscheide ich, und mit öffentlich guten Ratschlägen als ehemaliger Generalsekretär an Parteifreunde halte ich mich grundsätzlich zurück, weil das selten hilft in der Sache.
Hier in der Sache würde helfen, mal zu klären, ist Einsicht da, ist Veränderungsbereitschaft da. Und wenn ich dann noch mal eine Ihrer Anmerkungen, die ich richtig finde, aufgreifen darf: Sie haben gesagt, dann ist man da überrumpelt und deswegen ist der gewählt worden. Da bin ich der Meinung, da kommt wieder diese Naivität oder auch die fehlende Professionalität zum Ausdruck.
Wenn ich überrumpelt bin, wenn ich in einer Sitzung bin und sage, da ist eine neue Situation, dann wähle ich nicht. Dann vertage ich die Wahl. Dann sage ich, jetzt müssen wir noch mal reden, wenn der ursprünglich ausgedachte oder ausgesuchte Kandidat gar nicht zur Verfügung steht von einer demokratischen Partei. Da kann ich nicht sagen, dann waren wir eben überrumpelt und der Mann von der NPD war da und den wählen wir. Das geht nicht.
"Rechtsextreme haben keine öffentlichen Ämter zu übernehmen"
Heckmann: Herr Tauber, jetzt sagen ja alle auf Bundesebene, die Wahl kann so nicht stehen bleiben. Ist der größte Schaden möglicherweise der, dass jetzt auch viele NPD-Anhänger, AfD-Anhänger sagen können, die sogenannten etablierten Parteien, die respektieren keine demokratischen Entscheidungen, die sogenannten Altparteien, die stünden gegen die Bevölkerung?
Tauber: Erst mal ist die Zahl der NPD-Anhänger vielleicht vor Ort - sonst wäre der Herr ja auch nicht in den Ortsbeirat gewählt worden - ein bisschen höher als woanders. Aber sie ist trotzdem noch sehr gering. Ich glaube, die Bestürzung der meisten Bürger, dass jemand einer rechtsextremen Partei ein solches öffentliches Amt bekleidet, ist weitaus höher. Und dann muss ich sagen: Dieses rechtsextreme Opfer-Narrativ mache ich mir nicht zu Eigen.
Rechtsextreme haben in unserer Gesellschaft keine öffentlichen Ämter zu übernehmen und dort, wo Demokraten das verhindern können, müssen sie die rechtlich einwandfreien Instrumente nutzen, um das im Zweifel auch zu korrigieren. Wenn es geht nach der hessischen Gemeindeordnung, dann ist es ein rechtlich und demokratisch einwandfreier Vorgang und dann kann es korrigiert werden.
Heckmann: Glauben Sie nicht, dass die Gefahr besteht, dass viele dann doch sagen werden, die Bundesebene macht jetzt so einen Druck hier auf die Kommunalpolitiker und das hat mit Demokratie nichts mehr zu tun?
Tauber: Natürlich hat das was mit Demokratie zu tun, wenn in einer Partei darüber gestritten wird, wo sind unsere Koordinaten, und das muss jeder in der CDU wissen, dass wir für Rechtsextreme nicht die Hand heben und kein Kreuz auf einem Wahlzettel machen. Ich gehe davon aus, dass in der CDU in Altenstadt das breiter Konsens ist, auch nach den Gesprächen, und dass man jetzt mit den verantwortlichen Ortsbeiratsmitgliedern redet, damit das in die richtige Richtung jetzt geht.
//Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen