Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Stammzellen für die Wundheilung

Es sind oft ältere Menschen mit Begleiterkrankungen wie zum Beispiel Diabetes, bei denen offene Wunden einfach nicht mehr heilen wollen. Körpereigene Stammzellen können helfen, warum also nicht die so wichtigen Zellen dorthin bringen, wo sie gebraucht werden?

Von Michael Engel | 28.06.2011
    Fettgewebe ist alles andere als nur Ballast. Es enthält rund 500-mal mehr Stammzellen als Knochenmark. Solche "mesenchymalen Stammzellen" sind sehr aktiv: Sie können sich teilen und andere Zelltypen entstehen lassen: Gefäßwandzellen zum Beispiel oder Hautzellen, die für die Wundheilung sehr wichtig sind. Prof. Lukas Prantl vom Uniklinikum Regensburg:

    "Diese haben das Potenzial, dass das ja noch unreife Zellen sind. Und dass sie sich von einem unreifen Stadium in ein reiferes Stadium entwickeln und Gefäße ausbilden. Und dann eben dazu beitragen können, in den Gefäßen gewisse Strukturen bilden und natürlich in der oberflächlichen Wundschicht, in der Epidermis, dass sie sich in solche Zellen umwandeln können, und dadurch insgesamt zu einer Verkleinerung der Wunde und zu einer rascheren Abheilung führen."

    Der Leiter des Zentrums für plastische Chirurgie entnimmt den Patienten mit einer Absaugkanüle rund 50 Milliliter Fett. Daraus gewinnt er noch am selben Tag rund zwei Millionen Stammzellen und träufelt diese mit einer Lösung auf die offene Wunde desselben Patienten.

    "Wir haben im Rahmen von Heilversuchen bereits Patienten behandelt. Das sind Patienten, die durch andere Maßnahmen nicht mehr austherapiert werden konnten. Und gerade bei solchen Patienten haben wir gesehen, dass wir im Zeitraum von drei Monaten Wunden verschließen konnten, und sind sehr zuversichtlich, das erfolgreich weiter zu machen."

    Ähnliche Versuche mit Stammzellen laufen auch im Franziskus Krankenhaus in Berlin. Dr. Berthold Amman vom Gefäßzentrum hat sich auf Patienten spezialisiert, bei denen Gefäßverschlüsse im Bein zu erheblichen Durchblutungsstörungen geführt haben.

    "Wenn kein Blut mehr ankommt, kommt kein Sauerstoff mehr an, und dass führt dann dazu, dass die Nervenenden schreien nach Sauerstoff. Und das empfindet der Patient als Schmerz. Und sehr häufig sehen wir, dass an den Zehen bereits schwarze Stellen vorhanden sind, Mumifizierungen, Nekrosen, und wenn diese fortschreiten, auf den Fuß oder den Unterschenkel übergreifen, dann sehen wir auch große, teilweise Handteller große, offene Wunden, die keinerlei Heilungstendenz zeigen."

    Allein in Deutschland werden 30.000 Amputationen pro Jahr gezählt, weil die Beinarterien kaum noch Blut durchlassen. Seine Idee: Stammzellen sollen neue Gefäße im Bein bilden und so die Durchblutung wieder in Gang bringen. Zuerst entnimmt er mit einer Hohlnadel aus dem Becken der Betroffenen rund 250 Milliliter Knochenmarksblut, zentrifugiert die darin enthaltenen Stammzellen ab und injiziert sie am Bein entlang in den Muskel. 40 bis 60 Einstiche sind es am Ende.

    "Wir können sagen, dass sich in der Tat zeigt, dass die Patienten, denen wir Knochenmarkstammzellen gegeben haben, dass sich bei denen eine deutliche bessere Wundheilung eingestellt hat. Und wir können eine bessere Durchblutung messen. Der Sauerstoffgehalt am Fuß der mit Stammzellen behandelten Patienten ist deutlich höher als bei den Patienten, die nur Kochsalz, also Placeboinjektionen erhielten."

    Tatsächlich haben die Stammzellen neue Blutgefäße im Bein entstehen lassen. Vor drei Monaten begann die Studie im Franziskus Krankenhaus Berlin mit 94 Patienten. Ob durch die Behandlung auch die Beinamputationen weniger werden, das kann Dr. Berthold Amman erst in sechs Monaten beurteilen.