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Stammzellen gegen alles

Biotechnologie-Unternehmen wollen schon bald mit der Behandlung durch embryonale Stammzellen beginnen. Die akademischen Stammzellenforscher äußern sich ausnahmslos vorsichtiger.

Von Michael Lange | 06.05.2007
    " Bei unserem Produkt handelt es sich um lebende Zellen, die wir aus menschlichen embryonalen Stammzellen hergestellt haben. Es sind die gleichen Zellen, mit denen wir Rückenmarkverletzungen bei Ratten erfolgreich behandelt haben. Im nächsten Jahr werden wir sie erstmals zur Behandlung von querschnittgelähmten Patienten einsetzen. "

    Thomas Okarma ist Geschäftsführer des kalifornischen Biotechnologie-Unternehmens Geron. Vor einem Jahr, 2006, hatte er den Start der Studie bereits für 2007 angekündigt, und nun - im Frühjahr 2007 - verspricht er die ersten Stammzellen-Experimente für das Jahr 2008. Mit diesen Ankündigungen gewinnt die Biotechnologie-Firma Zeit. Jedes Versprechen baldiger Menschenversuche stärkt den Kurs der Aktie.

    Die akademischen Stammzellenforscher äußern sich ausnahmslos vorsichtiger. Oliver Brüstle vom Institut für rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn.
    " Ich halte das für früh, für zu riskant. Wenn hier nur in wenigen Fällen Schwierigkeiten auftreten, dann wird das nachteilige Auswirkungen für die Patienten haben. Das ist sicherlich das schlimmste. Aber auch nachteilige Auswirkungen für das Forschungsfeld, wenn eine Technologie zu früh in die Anwendung gepresst wird, bevor alle Zwischenschritte systematisch durchlaufen worden sind. "

    Ein Problem der embryonalen Stammzellen ist die Neigung, sich unkontrolliert zu teilen. Sie bilden embryonale Tumore, so genannte Teratome. In den letzten Jahren ist es den Forschern allerdings gelungen, solche Zellen im Labor zu züchten, die ihre Neigung zur unkontrollierten Teilung verloren haben. Das Krebsrisiko durch Zellen aus Embryonalen Stammzellen schätzen die meisten Experten mittlerweile als gering ein.

    Auch die Abstoßung der Zellen durch das körpereigene Immunsystem lässt sich in den Griff bekommen. Bei Zellen, die ins Nervensystem verpflanzt werden, spielt die Immunabstoßung kaum eine Rolle. Bei Herz- oder Leberzellen ist diese Frage nicht geklärt.

    Das größte Problem ist die Einordnung der fremden Zellen, in das erkrankte Körpergewebe, in das sie verpflanzt werden sollen. Die verpflanzten Zellen müssen mit den vorhandenen Zellen in Kontakt treten und gemeinsam ein neues, gesundes Gewebe bilden. Dazu müssen sie miteinander kommunizieren und ihr Wachstum und ihre Entwicklung aufeinander abstimmen. Meist jedoch bleiben verpflanzte Zellen ein Fremdkörper im neuen Gewebe. Um das Zusammenspiel der Zellen im Körper zu untersuchen und zu verbessern, sind weitere Tierversuche unbedingt nötig, so die Forscher.