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Lustig ohne Luther

Der Reformator war eine Spaßbremse, sagt unser Autor. Aus dem Witz machte er eine Gewissenssache. Luthers Humor-Apologeten hüsteln: Der Reformator habe das Lachen als ein Zeichen göttlicher Gnade und als Mittel gegen den Teufel angesehen. Alles in allem ein Trauerspiel.

Von Andreas Öhler | 27.02.2017
    Zwei bunt geschminkte Gesichter lachen sich an.
    Weiberfastnacht in Düsseldorf am Rhein: Ob Luther darüber gelacht hätte? (dpa/Federico Gambarini)
    War Luther lustig? Genauso gut könnte man fragen, ob man sich mit Mineralwasser sinnlos betrinken kann. Das Lutherjubiläum wird uns permanent als heiteres Festspiel verkauft aber: Der Reformator war eine echte Spaßbremse. Nur einmal angenommen, Martin Luther wäre ein weithin bekannter Ironiker gewesen. Ironie bedeutet ja: Anders sagen als meinen. Dann hätten seine Bibelübersetzung, sein Thesenanschlag und seine "Hier-stehe-ich-und-kann- nicht- anders" Nummer" im Reichstag zu Worms Schenkelklopfen und schallendes Gelächter erzeugt. Man hätte sich gekugelt über den Till Eulenspiegel von Wittenberg. Und ein Religionskrieg wäre uns erspart geblieben. Nicht auszudenken!
    Ein altes Bonmot sagt: Der Protestant schreibt eine Abhandlung über den Witz, während Katholiken und Juden Witze machen. Das Luthertum lebt davon, Gott und der Welt ihr wahres Gesicht zu zeigen. Dumm gelaufen, denn im Karneval wird nun mal maskiert und camoufliert, was das Zeug hält, und da kommt dieser evangelische Entkostümierungszwang nicht gerade als Brüller daher.
    Vor dem Wittenberger Reformator wurde hier freier gelacht
    Unter Protestanten gibt es - von Hanns-Dieter Hüsch einmal abgesehen - kaum gute Kabarettisten. Unter Muslimen sind mehr Witzbolde zu finden als unter Lutheranern, unter Juden und Katholiken ohnehin, siehe oben. Woran das liegt: Strenge Regeln und hierarchische Strukturen unterläuft man durch listige Volten. Jeder gelungene Witz beschreibt eine Ausflucht. Und Protestanten hassen Ausflüchte. Es ist allenfalls der Vorwitz, der Luther trieb. Wer sich ständig mit seinem Gewissen zur Unterredung trifft, macht Ernst selbst beim Witzereißen. Luther fand es besonders lustig, die päpstliche Theologie der Lächerlichkeit auszusetzen.
    Vor dem Wittenberger Reformator wurde hier freier gelacht: Im 14. Jahrhundert gab es auch in Deutschland ein Decamerone, das den 100 Novellen von Giovanni Boccaccio das Lachtränenwasser reichen konnte. Danach nicht mehr.
    Ich sage es hier, ich kann nicht anders: Luther war humorfrei, und was da an deftigem Ulk in dürftigen Lutheranekdoten überliefert wird, kann diesen Verdacht nicht entkräften. Alle Jubeljahre zu Karneval heben Luthers Humor-Apologeten schüchtern den Zeigefinger und hüsteln: "Auch der Reformator war Scherzen nicht gänzlich abgeneigt", sagen sie im Angesicht katholischer Pappnasen.
    Und dann kommt der dürre Beleg, dass der Reformator das Lachen als ein Zeichen göttlicher Gnade und als Mittel gegen den Teufel ansah. Zitat Luther: "Verlacht den Feind und sucht Euch jemand, mit dem Ihr plaudern könnt... oder trinkt mehr, oder scherzt, treibt Kurzweil oder sonst etwas Heiteres. Man muss bisweilen mehr trinken, spielen, Kurzweil treiben und dabei sogar irgendeine Sünde riskieren, um dem Teufel Abscheu und Verachtung zu zeigen, damit wir ihm ja keine Gelegenheit geben, uns aus Kleinigkeiten eine Gewissenssache zu machen." Lustig, oder?
    Niemand anders als Luther machte aus dem Witz eine Gewissenssache und sein Oberlehrerton zeigt deutlich: Der Wegweiser muss den Weg ja nicht gehen, den er weist. "Lachen mit Luther" ist das humorloseste Buch in meinem Bücherregal.