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Start-up für eine saubere Welt
"Morgenmad" gegen Plastikmüll

Schüler sein und Firmengründer zugleich? Im baden-württembergischen Rottweil gibt es das. Dort will die Schülerfirma "Morgenmad" – Dänisch für Frühstück - nicht nur ökonomisch erfolgreich sein, sondern etwas gegen den Plastikmüll tun.

Von Uschi Götz | 27.07.2018
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    "Morgenmad"-Gründer mit Riesenbecher als Demo-Objekt (Morgenmad/ Deutschlandradio) (Deutschlandradio / Morgenmad)
    Die beiden Geschäftsführer sind nicht zu übersehen: "Morgenmad" steht unübersehbar auf ihren blauen T-Shirts. Geschäftsführer Julian Pöltl, kurze Haare, strenge Brille, bittet an den Besprechungstisch und beginnt mit einem Rückblick auf die junge Unternehmensgeschichte:
    "Man unterschätzt das wirklich am Anfang. Man denkt da halt einfach, man macht jetzt ein Produkt, verkauft das da ein bisschen nebenher. Aber Unternehmen, Entrepreneurship, Start-up, das ist wirklich was sehr umfangreiches, wo man immer auf so viele Probleme und Herausforderungen stößt, auf die man am Anfang gar nicht kommt."
    Bei "Morgenmad" hat man zum Ziel, die Welt ein bisschen besser zu machen. Das Unternehmen verkauft einen wiederverwendbarer Coffee-to-go-Becher aus 94 Prozent biobasiertem Kunststoff. Eine andere, eindrückliche Zahl brachte "Morgenmad" zur Geschäftsidee, wie Jonas Keller, stellvertretender Geschäftsführer, erklärt:
    "Das zum Beispiel in Deutschland stündlich 320.000 Einwegbecher weggeworfen werden, und das sind einfach viel zu viele. Dann haben wir uns dazu entschieden, was Wiederverwendbares, was Biologisches zu machen."
    Geschäftsidee ohne Einmischung
    Das Interview mit den Geschäftsführern findet in einem Klassenzimmer statt. Julian Pöltl ist 17, Jonas Keller noch 16, beide gehen in die 11. Klasse. Das Unternehmen "Morgenmad" wurde von 13 Schülerinnen und Schülern des Leibnitz Gymnasiums in Rottweil gegründet. Der Stundenplan des Wirtschaftskurses sieht pro Jahrgangsstufe eine Firmengründung vor, erklärt Lehrerin Silke Pach:
    "Am Anfang braucht es eine starke Einführungsphase, die braucht es auch, bis sich alle gefunden haben. Wo ich mich weniger einmische, ist bei der Geschäftsidee, man denkt immer, das kommt alles vom Lehrer, das tut es nicht. Das kommt schon von den Schülern."
    Silke Pach unterrichtet unter anderem Deutsch und Wirtschaft. Eine begeisterungsfähige Powerfrau, deren Energie sich bereits seit Jahren nachweislich erfolgreich auf einzelne Wirtschaftskurse überträgt. Denn "Morgendmad" ist längst nicht das erste erfolgreiche Schülerunternehmen des Rottweiler Gymnasiums. Gründen können sie alles, sagt Lehrerin Pach, vorausgesetzt:
    "Dass es Produkte sind, die einen Nachhaltigkeitseffekt haben, dass das, was da rüber kommt, auch für die Gesellschaft sinnvoll ist, was sie da produzieren und machen."
    Unterstützung von "IW Junior"
    Dabei kooperieren Schule und Schülerunternehmen mit IW Junior, einer gemeinnützigen GmbH unter dem Dach des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Ziel von Junior ist unter anderem, unternehmerisches Handeln und Denken sowie den Existenzgründungsgedanken zu unterstützen.
    Bei den Jungunternehmern aus Rottweil folgte nach der Idee zum umweltfreundlichen Coffe-to-go-Becher die Erkenntnis: Alleine schaffen wir das nicht mit der Produktion. Zwei Tage lang besuchten deshalb alle 13 Unternehmensvertreter eine internationale Kunststoffmesse am Bodensee:
    "Und haben dann mit sehr vielen Unternehmen gesprochen. Das war auch für uns eine lehrreiche Zeit. Am Anfang muss man sich halt überwinden, das lernt man mit diesem Projekt, mit Menschen zu reden, auch auf Leute zuzugehen. Es war dann auch ganz witzig, wie wir auf Englisch Fachgespräche über Kunststoffe geführt haben, mit irgendwelchen Unternehmen und wildfremden Leuten. Das war etwas, was man im Leben nicht oft macht, vor allem als Schüler nicht, und was einen wirklich für das Leben lehrt."
    Am Ende findet sich ein Kooperationspartner in Wangen im Allgäu. Nach den Vorstellungen der Jungunternehmer entwickelt dieser im sogenannten Spritzgießverfahren den umweltfreundlichen Coffee-to-go-Becher.
    Zurück in Rottweil stellen die für das Finanzressort zuständigen Schüler fest: Für eine größere Produktion reicht das Grundkapital nicht:
    "Dann haben wir Vesperbrettchen mit regionalen Motiven gemacht und die dann auf dem Weihnachtsmarkt gewinnbringend verkauft, und dadurch konnten wir unsere Becherproduktion dann starten."
    Die nächsten Geschäftsideen warten schon
    Die erste Serie mit 300 Bechern ist Anfang Januar mit einem Stückpreis von zehn Euro schnell verkauft. Die Herstellungskosten sind Betriebsgeheimnis. Das Konzept geht auf, mittlerweile hat "Morgenmad" über 3. 000 Becher verkauft und schreibt längst schwarze Zahlen, die in einem branchenüblichen Geschäftsbericht im Internet nachzulesen ist. Mitschüler, Unternehmen und die Stadt Rottweil zählen zu den Kunden. Der Gewinn von "Morgenmad" wird, wie bei früheren Start-ups der Schule auch, an gemeinnützige Zwecke gespendet.
    Die Jungunternehmer haben an Wochenenden einen fast drei Meter großen Becher gebaut, der als Messestand dient. Bis nach Berlin werben die Schüler regelmäßig auf einschlägigen Branchentreffs für ihr Gefäß und knüpfen dabei weiter wichtige Kontakte.
    Natürlich sei es anstrengend, Schule und Unternehmen unter einen Hut zu bringen, gibt Geschäftsführer Pöltl zu. Nach dem Abitur in einem Jahr möchte er Wirtschaftsingenieurwesen studieren:
    "Das hat uns auch einfach Spaß gemacht, dort Zeit reinzustecken, natürlich wollen wir später auch mal Unternehmen gründen. Ob wir das nur nebenberuflich machen oder ganz als Entrepreneur was machen …", das müssen die Jungunternehmer mit 17 Jahren noch nicht wissen. Obwohl ihr Gründungszweck bereits erfüllt ist, entwickeln sie die nächsten Geschäftsideen weiter. In Kürze soll ein biologisch abbaubares Kunststoffbesteck auf den Markt gebracht werden.