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Start-ups beklagen fehlende Kapitalgeber

In Berlin schießen ständig neue Start-ups aus dem Boden. In der Hauptstadt sind es vor allem Gründer aus dem Bereich der Informationstechnologie. Viele Jungunternehmer fühlen sich in ihrem Wachstumsdrang allerdings regelrecht ausgebremst.

Von Susanne Arlt | 15.07.2013
    "Sie befinden sich jetzt gerade mitten in unserem Labor, in unserem Produktionslabor."

    Die Start-up-Firma Nextplant hat ihren Sitz im zweiten Stock des neuen Gründerhauses der Humboldt-Uni in Berlin-Mitte. Auf mehreren Paletten wachsen in kleinen Plastikbechern und einer speziellen gallertartigen Nährlösung Freilandorchideen: Frauenschuhe und Knabenkräuter.

    "Hier findet die Vermehrung der Gartenorchideen statt,"

    erklärt Biologin Christina Lange. Bislang war solch eine Massenproduktion für die Gartenbaubranche nicht möglich. In der Geschäftsidee stecken elf Jahre Forschung und die wollten sie nach dem Projektende nicht brachliegen lassen, fügt ihre Kollegin Simone Brendel hinzu.

    "Man sah, dass die Pflanzen wirklich auch draußen überleben, wachsen und auch blühen. Und das geht so ans Herz, wenn man im Frühjahr rausgeht und die Pflanzen wachsen sieht und dann blühen die auch noch und dann denkt man, das kann jetzt nicht im Nirwana verschwinden, wir müssen was draus machen."

    Die beiden Biologinnen haben sich darum mit einem Volkswirt zusammengetan und vor zwei Jahren das Start-up-Unternehmen gegründet. Doch für die Aufzucht und Entwicklung der Freilandorchideen braucht man Labore und sterile Arbeitsplätze. Das kostet Geld. Doch bei den Mitarbeitern der Berliner Investitionsbank stieß das hübsch anzusehende Nischenprodukt auf Skepsis. Dabei soll die IBB vor allem innovative, kleine und mittlere Unternehmen fördern. Christina Lange:

    "Ganz am Anfang haben wir mal bei der IBB vorgesprochen. Da wurden wir etwas lächerlich behandelt. Also da war jetzt gar nicht das Verständnis dafür da, dass das ein neues Produkt, ein neues Verfahren ist, womit man vielleicht auch was Innovatives entwickeln kann. Machen Sie doch Sonnenblumen, ich finde Sonnenblumen schön, kam dann tatsächlich als Antwort."

    Von ihrer Idee ließen sich die beiden Gründerinnen trotzdem nicht abbringen. Mithilfe eines Gründerstipendiums, ihrer Eltern und Partner konnten sie sich die Labore leisten und vermehren seit zwei Jahren erfolgreich Freilandorchideen. Dass der Endverbraucher großes Interesse an ihrem Produkt habe, davon sind die beiden Biologinnen überzeugt. Bis zur Blüte dauert die Aufzucht allerdings mehr als drei Jahre. Gartenbaubetriebe sollen sich darum an der Kultivierung beteiligen. Denn für den Bau eigener, riesiger Kaltgewächshäuser werde ihnen ganz sicher niemand Gelder zur Verfügung stellen, glaubt Christina Lange. Damit steht Nextplant nicht alleine. Viele Start-up-Unternehmen würden in ihrem Wachstum ausgebremst, weil ihnen die Kapitalgeber fehlten, sagt Florian Nöll, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Deutscher Start-ups.

    "Die Befragungen haben ergeben, dass jedes dritte Unternehmen, das in einer Wachstumsphase steckt, mehr als eine Million Euro benötigt. Und es hat ergeben, dass 70 Prozent davon sagen, dass es schwierig ist, an dieses Geld zu kommen."

    Fast 60 Prozent der befragten Manager aus dem Bereich der Informationstechnologien gaben beispielsweise an, dass sich der deutsche Datenschutz negativ auf ihre Entwicklung auswirke. Ein noch größeres Problem seien fehlende Fachkräfte, sagt Nöll.

    "Dreiviertel der Unternehmen sagen, dass sie gerne noch in diesem Jahr Informatiker einstellen möchten, jedes zweite Unternehmen möchte Betriebswirte einstellen und gerade im Bereich der Informatiker sehen wir, in manchen Städten, Berlin wird da langsam sehr dramatisch, dass es da einfach keinen freien Markt mehr gibt. Also es bleiben die Optionen, Mitarbeiter bei anderen Unternehmen abzuwerben oder Mitarbeiter aus anderen Ländern anzulocken."

    Ein weiterer Knackpunkt: Die gesetzlichen Bestimmungen zur Beschäftigung von Nicht-EU-Bürgern. Jedes zweite Start-up aus Berlin gab an, diese Regelungen würden sie in ihrer Entwicklung regelrecht behindern.

    "Und wenn wir uns das in der Praxis angucken, bleiben wir am Beispiel Berlin, wo sich beispielsweise eine Ausländerbehörde weigert, englisch zu sprechen. Und das ist einfach nicht das, was einer Metropole Berlin, die sich sonst international gibt, gut zu Gesicht steht."

    Dabei könne sich die Hauptstadt das gar nicht leisten. Start-ups beschäftigten in der Regel vier Mal so viele Mitarbeiter wie ein konventionelles Unternehmen. Sie seien somit auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.