Mittwoch, 24. April 2024

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Starthilfe für junge Kulturmacher
"Als Jugendliche wissen wir, was Jugendliche wollen"

"Es ist wenig authentisch, wenn Ältere versuchen, Jugendliche für etwas zu interessieren", sagte Arthur Abs im Dlf. Der 19-Jährige fördert mit dem Verein "agon-Gesellschaft" junge Leute in der Kultur, die Theaterstücke inszenieren und Musik machen. Kulturinstitutionen sollten dem Nachwuchs mehr zutrauen.

Arthur Abs im Corsogespräch mit Juliane Reil | 07.02.2018
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    "Was fehlt, ist dieses Peer-to-Peer-Prinzip": Arthur Abs ist Vorsitzender der agon-Gesellschaft zur Förderung von Theater und Musik (Deutschlandradio / Adalbert Siniawski)
    Juliane Reil: Nachwuchsförderung dieser Aufgabe widmet sich die agon Gesellschaft in Bonn mit einem Schwerpunkt auf Musik und Theater. Vor einem Jahr hat Arthur Abs den gemeinnützigen Verein zusammen mit einem Freund gegründet. Jetzt ist er live bei uns zu Gast: Herr Abs, schön, dass da sind und hallo zum Corso-Gespräch.
    Arthur Abs: Hallo, Frau Reil. Ich freue mich sehr, hier zu sein.
    Reil: Sie sind erst 19 Jahre alt. Letztes Jahr haben Sie Abi gemacht und eigentlich sind Sie einer, der gefördert werden müsste - vom Alter her.
    Abs: Ja und so war das auch so ein bisschen, so als Anstoß, aber wir haben schnell gemerkt: Wir wurden gefördert, aber es gibt auch andere, die ebenso gefördert werden müssen. So haben wir die Idee - dass wir selbst gefördert wurden - , diese Erfahrung haben wir weitergetragen und das hat uns selbst den Anstoß gegeben, die agon-Gesellschaft zu gründen, um Jugendlichen Kultur näher zu bringen und vor allen Dingen, das Potenzial, das sie haben, das die Jugendlichen haben, besser in der Öffentlichkeit hervorzubringen.
    "Überall gibt es Jugendliche, die ganz tolle Ideen haben"
    Reil: Gab es da ein besonderes Ereignis in Ihrem Leben?
    Abs: Ja, tatsächlich. Während des Abiturs haben ein paar Schüler und ich, wir wollten unbedingt Molieres Tartuffe auf die Beine stellen und das außerhalb der Schule. Und wir haben, wie das so eben ist, wenn man etwas auf die Bühne stellen will: Man hat eine tolle Regisseurin, man hat eine tolle Idee, aber dann fehlt es so an bestimmten Dingen, finanzielle Mittel, also es gibt immer ein paar kleine Probleme und an dieser Stelle sind uns Unterstützer zur Seite getreten. So war am Ende eine großartige Aufführung im Kammermusiksaal Bonn. Das hätte aber niemals funktioniert, wenn wir eben nicht Förderer gehabt hätten und da haben wir eben gemerkt: Wir sind mit Sicherheit nicht die einzigen, denen es so geht. Überall gibt es Jugendliche, die ganz tolle Ideen haben, dann fehlt es aber an den kleinen Mitteln zur Umsetzung.
    Reil: Agon richtet sich ja vor allem an junge Leute aus Bonn und Umgebung. Was sind das für Projekte, die von Ihnen gefördert werden?
    Abs: Uns ist es ganz wichtig, dass wir Kulturschaffende, Professionelle mit den Jugendlichen, mit den Laien, verbinden. Denn es ist ganz einfach: Wir begeistern uns vor allen Dingen für etwas, wenn wir eine Identifikationsfigur haben. Das ist bei Social-Media, bei Film, in der Musik immer so. Und deswegen ist es uns wichtig, dass Künstler direkt mit den Jugendlichen in Kontakt treten. Ihre Erfahrungen weitergeben und ihr Wissen vermitteln und deswegen haben wir zum Beispiel jetzt gerade im Dezember zwei sehr erfolgreiche Workshops mit über zwanzig Jugendlichen aus ganz verschiedenen Bonner Schulen gehabt. Da hat eine Regisseurin Jugendlichen vermittelt: Was heißt es, auf der Bühne zu sein. Was heißt es, Präsenz, Haltung zu lernen und so machen wir das in ganz vielen Bereichen.
    Egal ob Gymnasium, Real- oder Hauptschule
    Reil: Und was sind das für Jugendliche, die sich bei Ihnen melden?
    Abs: Das ist eigentlich der springende Punkt: Wir wollen nicht unterscheiden zwischen Jugendlichen, die vielleicht auf dem Gymnasium, der Realschule oder der Hauptschule sind. Denn, was ja vor allen Dingen zählt und das ist ein Problem, das häufig nicht erkannt wird. Es zählt ja vor allem das Interesse und die Leidenschaft für ein Thema. Was interessiert es da, ob jemand eine schlechte oder eine gute Note in Mathe hat? Es geht ja nur darum, ob der Jugendliche eine tolle Idee hat und da ist völlig egal, welche Unterschiede ... denn, wenn es ein Ziel gibt, ein gemeinsames Projekt, dann verwischen diese Grenzen sofort, und es gibt einen gemeinsamen Ensemblegeist.
    Reil: Aber jetzt muss man ja sagen, dass Kulturförderung eigentlich so die Sache des Bundes ist. Auch der Ländern und der Gemeinden. Warum braucht es da wieder die Initiative von Privatpersonen?
    Abs: Ich würde sogar noch weitergehen: nicht nur von Privatpersonen, sondern auch von jungen Privatpersonen. Denn häufig ist es so, dass Ältere dann auf die Idee kommen, eine Stiftung zu gründen oder sich irgendwie einzusetzen, was großartig ist. Was aber fehlt, ist dieses Peer-to-Peer-Prinzip. Das heißt, dass wir als Jugendliche selbst wissen, was Jugendliche wollen. Welche Interessen sie haben, was sie wünschen und das viel besser vermitteln können. Denn häufig habe ich das Gefühl, das ist wenig authentisch, wenn Ältere versuchen, Jugendliche für etwas zu interessieren, das funktioniert viel besser untereinander.
    "Kulturinstitutionen sind der Pfeiler der Kulturarbeit"
    Reil: Wie würden Sie denn da aber die Rolle von Kulturinstitutionen sehen als Ergänzung oder was können überhaupt Kulturinstitutionen machen, um auch junge Leute anzusprechen?
    Abs: Kulturinstitutionen sind der Pfeiler der Kulturarbeit in jedem Land, und ich denke, man sollte jetzt Jugendliche selbst das Potenzial bei anderen Jugendlichen wecken lassen. Das heißt, Jugendlichen ein bisschen mehr zuzutrauen. Sie einfach mal machen lassen. Denn häufig ist es tatsächlich so, die Ideen sind da. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, das ist ganz klar. Aber häufig werden sie nicht so ganz ernstgenommen. Und da ist, denke ich, eine Schwierigkeit, da sollte man umdenken, sie bei der Hand nehmen, das können Künstler zum Beispiel sehr gut und dann entwickelt sich was daraus. Und das auch einfach mal laufen lassen. Wir dürfen ja nicht vergessen, Jugendliche sind ja die Kulturschaffenden von morgen, und das funktioniert nicht, wenn sie nicht von Kultur begeistert sind.
    "Auf Ideen Jugendlicher eingehen"
    Reil: Aber wie könnte das konkret aussehen? Das heißt, Sie würden von einem Theater, einem Museum erwarten, dass es Raum gibt, Spielplätze, um ein Theaterstück auf die Bühne zu bringen oder sich mit einer Ausstellung einzubringen?
    Abs: Ja. Auf Ideen Jugendlicher eingehen. Zum Beispiel wäre es eine Idee einfach mal, die Schulen anzuschreiben und zu fragen: Wie stellt ihr euch das vor? Was könnten wir als Museum, als Philharmonie, als Konzerthaus, als Oper - was könnten wir für Programme anbieten, die euch interessieren würden? Dass nämlich nicht das Programm vorgegeben wird, sondern dass man fragt, was interessiert euch eigentlich, und dann versuchen wir das umzusetzen. Vielleicht versucht ihr das umzusetzen, und wir schauen mal, wie das funktioniert.
    Reil: Sagt Arthur Abs. Heute Abend findet eine Podiumsdiskussion statt, die die agon Gesellschaft initiiert hat. Und das Thema ist: "Jugend und Kultur - Potenziale erkennen, Chancen nutzen" im Kunstmuseum Bonn. Danke für das Gespräch!
    Abs: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.