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Stasi-Check
Zwischen Transparenz und Schlussstrich

Ehemalige Stasi-Spitzel sind immer noch politische Mandatsträger in den Kommunen. Im 25. Jahr des Mauerfalls, fordert die Stasi-Landesbeauftragten von Sachsen-Anhalt, Birgit Neumann-Becker, zu einem erneuten Stasi-Check auf. Die Reaktionen reichen von Ablehnung bis Verständnis.

Von Christoph Richter, Landeskorrespondent Sachsen-Anhalt | 20.08.2014
    In der ehemaligen Stasi-Behörde in Berlin befindet sich im Haus 1 eine Forschungs- und Gedenkstätte zum politischen System der DDR.
    In der ehemaligen Stasi-Behörde befindet sich im Haus 1 eine Forschungs- und Gedenkstätte zum politischen System der DDR. (picture-alliance / dpa/Jens Kalaene)
    Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall sitzen in Sachsen-Anhalt in Stadträten und Kreistagen ehemalige Stasispitzel. Viele Bürger wissen allerdings nichts davon, weshalb Birgit Neumann-Becker, die Stasi-Landesbeauftragte alle kommunalen Mandatsträger noch mal aufordert, sich überprüfen zu lassen. Sei ein Akt der politischen Hygiene, wie sie es nennt.
    "Was ich mir davon verspreche ist, dass das Reden darüber, durch Wissen abgelöst werden kann. Also, dass dann wirklich deutlich ist Herr X oder Frau Y hat für die Staatssicherheit gearbeitet oder hat es nicht getan. Sie sind ja dann auch weniger angreifbar. "
    Doch nur wenige Kommunalpolitiker haben Lust dazu, ihre Stasi-Verstrickungen offen zu legen. Besonders häufig kommt Widerstand von der Partei Die Linke, wie im folgendem Fall.
    Denn auch der Direktor des Hallenser Steintor-Varietes Rudenz Schramm schüttelt vehement den Kopf, bei der Frage nach einem neuen Stasi-Check. Und das, obwohl Rudenz Schramm bei der Staatssicherheit, ein Inoffizieller Mitarbeiter war und unter dem Decknamen "Hans Ulrich" geführt wurde. Als Chef der Konzert- und Gastspieldirektion Halle hatte er nach eigener Aussage zu prüfen, wie politisch konform, freiberufliche Künstler waren, damit sie auch im Westen auftreten durften. Heute sitzt der einstige Spitzel Schramm für die Fraktion der Linken im Hallenser Stadtrat.
    Betroffene sehen keinen Grund zum Check
    "Ja, ich denke, dass 25 Jahre nach der Wende, die wir doch alle begrüßen, ich den Sinn nicht mehr so ganz einsehe. Wir haben heute eine ganze Reihe anderer Probleme, sprich NSA et cetera zu klären. Was soll dabei herauskommen. Viele der neuen Stadträte haben gar nicht das Alter, damit etwas zu tun gehabt zu haben."
    Rudenz Schramm ergänzt noch, dass er niemandem geschadet habe.
    "Ich hatte Gelegenheit gleich nach der Wende zu diesen Fragen auch in der Öffentlichkeit Stellung zu nehmen, das tue ich bis heute. Das ist ganz klar meine Geschichte, zu der ich stehen muss."
    Stasi-Check als Zeichen von Transparenz
    Bis 2019 können nach dem Stasiunterlagengesetz die Abgeordneten und Wahlbeamten wie Bürgermeister, Landräte und Beigeordnete auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR überprüft werden.
    "Diese Möglichkeit sollten die kommunalen Vertretungskörperschaften nutzen."
    So Birgit Neumann-Becker. Denn viele Menschen im Land wissen gar nicht, dass frühere Spitzel noch immer in diversen Stadträten und Kreistagen sitzen.
    "Als Zeichen für Transparenz, als Zeichen dafür, dass Demokratie und Freiheitsrechte bei uns wirklich angekommen sind. 25 Jahre friedliche Revolution, ist ja auch 25 Jahre nach der Wahlfälschung. Gerade der Kommunalwahlen, die ja die Leute hier im Osten die Menschen auf die Palme gebracht hat."
    Einer der Stasi-Spitzel ist auch der langjährig amtierende Bürgermeister in Gardelegen, Konrad Fuchs. Mit überregionalen Medien – wie dem Deutschlandfunk spricht er nicht über seine IM-Tätigkeit. Ob Fuchs mit den Menschen gesprochen habe, über die er berichtet hat? Man erfährt es nicht, stattdessen wird er in regionalen Zeitungen lediglich mit den Worten zitiert, wie lange man denn noch über dieses Thema diskutieren wolle.
    Keine neuen Gräben aufreißen
    Bis jetzt haben sich erst wenige Kommunen in Sachsen-Anhalt dem Vorschlag angenommen, die Mandatsträger zu einer Überprüfung aufzufordern, darunter Gemeinde wie Barleben, Genthin oder Salsketal. Andere Gemeinden wollen es nicht tun und verweigern die Bereitschaft. Obwohl frühere Spitzel in Stadträten und Kreistagen sitzen. Norbert Leindecker vom Städte- und Gemeindebund in Sachsen-Anhalt ficht das nicht an, kann aber dennoch mit dem Aufruf der Stasi-Landesbeauftragten nur wenig anfangen.
    "Der entscheidende Punkt einer Arbeit in einer kommunalen Vertretung liegt darin, dass man miteinander ordentlich umgeht, und dass man auch keine zusätzlichen Gräben aufreißt. Und ich kann mir nach 25 Jahren auch nicht vorstellen, dass das Ganze noch eine tieferliegende Relevanz hätte."
    Leindecker will sich daher der Entscheidung der Landesbeauftragten nicht anschließen, keine Empfehlung geben, sondern es den Stadt -und Gemeinderäten, ob sie sich noch einmal überprüfen lassen.
    "Ich glaube auch, dass wir das jetzt nicht zu einer Grundsatzfrage stilisieren sollten."
    Stasi-Landesbeauftragten Birgit Neumann-Becker spürt Gegenwind. Und bemerkt, dass sich viele Menschen in Sachsen-Anhalt einen Schlussstrich wünschen. Ihr gehe es jedoch, sagt sie ausdrücklich, um keine Verurteilung der früheren Spitzel. Ganz im Gegenteil, sie wolle den Tätern des SED-Unrechtsregimes schlicht eine Brücke bauen, damit sie sich ihrer Verantwortung stellen.
    "Ich würde mir sehr wünschen, wenn es solche Gespräche gäbe, zwischen ehemals Verantwortlichen in der Öffentlichkeit, mit denen, die damals auf der Straße waren. Wo man noch mal die Perspektiven austauschen kann, sich nach der eigenen Verantwortung zu stellen. Das sollte möglich sein. 25 Jahre später."