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Stasi-Historiker Knabe erhebt erneut Vorwürfe gegen van Ooyen

Der Stasi-Historiker Hubertus Knabe hat erneut Vorwürfe gegen den Fraktionschef der Linken in Hessen, Willi van Ooyen, erhoben. Die Deutsche Friedensunion, deren Geschäftsführer van Ooyen in den achtziger Jahren war, habe nicht nur "umfangreiche Devisen", sondern auch Instruktionen direkt von der SED erhalten. Das gehe aus zahllosen Dokumenten des Bundesarchivs und der Birthler-Behörde hervor, äußerte der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen im Deutschlandfunk.

21.10.2008
    Christoph Schmitz: Einst war der gebürtige Nordrhein-Westfale und jetziger Fraktionschef der Linkspartei in Hessen Willi van Ooyen Geschäftsführer der Deutschen Friedensunion, kurz DFU, die in den 70er- und 80er-Jahren in Westdeutschland mit die Ostermärsche und die Proteste der Friedensbewegung organisierte. Westdeutsche Zeitungen mutmaßten damals schon, dass die DFU von der SED und der Stasi gesteuert wurde. Nun gibt es seit Kurzem zu diesem Kapitel deutsch-deutscher Geschichte teilweise Einblicke in die Akten des DDR-Geheimdienstes, freigegeben durch die Birthler-Behörde. Frage an den Leiter der Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe: Belegen die Stasi-Unterlagen, die Ihnen vorliegen und Dokumente aus dem Parteiapparat der SED, dass Willi van Ooyen und seine DFU fremdgesteuert wurden durch die Linksdiktatur in Ostberlin?

    Hubertus Knabe: Ja, wer sich hier aus den Stasi-Unterlagen den entscheidenden Aufschluss erhofft, der liegt falsch, weil es sich hier bei der Deutschen Friedensunion um eine Organisation, eine Partei gehandelt hat, die direkt von der SED gesteuert wurde. Die Unterlagen darüber wurden im Parteiarchiv der SED verwahrt und vieles davon liegt heute im Bundesarchiv. Und man kann in der Tat aus den Unterlagen entnehmen, dass die Deutsche Friedensunion mit umfangreichen Devisen aus Ostberlin finanziert wurde. In 70er Jahren gibt es Vermerke von knapp fünf Millionen DM pro Jahr. 1989/90 hat Erich Honecker in einem Papier, zwei Tage übrigens vor seiner Ablösung, drei Millionen für die Deutsche Friedensunion und insgesamt ihre 31 Mitarbeiter freigegeben.

    Schmitz: Wurden van Ooyen als hauptberuflicher Funktionär der DFU und seine Kollegen dort von der SED zumindest mittelbar finanziert? Direkt finanziert, meine ich. Van Ooyen soll ein Monatsgehalt von 2300 West-Mark bekommen haben?

    Knabe: Ja, das kann man ja schon daran ablesen, dass als die DDR zugrunde ging, auch die DFU die Pforten schloss und Herr van Ooyen dann sich einen neuen Job suchen musste, weil eben diese Gelder ausgeblieben sind?

    Schmitz: Herr Knabe, van Ooyen hat doch jetzt behauptet, er habe von der Fremdfinanzierung nichts gewusst. Wie kann das sein? Will er das jetzt vertuschen?
    Knabe: Mich wundert das auch. Man hat hier ganz stark den Eindruck, dass er Angst hat, von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt zu werden und dass das, was man sich dort so schön jetzt ausgedacht hat in Hessen, ja auch im Westen in den Vorhof der Macht zu treten, dass das aufgrund dieser Vergangenheit konterkariert werden könnte.

    Schmitz: Eine Frage ist ja die Frage der Finanzierung. Die andere Frage eine inhaltliche. Konkret hat van Ooyen, hat seine DFU Instruktionen auch von der DDR-Führung erhalten?

    Knabe: Ja, er hat ja behauptet, dass sei alles gänzlich unabhängig von ihm organisiert worden, die Ostermärsche, die Friedensaktivitäten. Aber das ist durch zahllose Dokumente im Bundesarchiv wiederlegt. Die Instruktionen, die die DFU bekommen hat und auch jetzt bei den von der Stasi-Behörde herausgegebenen Unterlagen findet sich eine Information über einen Aufenthalt von ihm bzw. einer Kommission der DFU und der DDR, wo ausdrücklich noch mal gesagt wird im Mai 86, dass man hier die Vorschläge der SED im Westen aufgreifen solle. Das war ein ziemlich eingespieltes Verfahren. Diese DFU, man hat sie einfach als Einflussorganisation in der Bundesrepublik benutzt und dafür eben auch die entsprechenden Instruktionen gegeben.

    Schmitz: Mit großer Wirkung ja dann auch. Aber er war ja kein Stasi-Spitzel, eher ein Verbündeter des Regimes, getarnt mit der DFU als Friedensaktivist, ein Wolf im Schafspelz gewissermaßen?

    Knabe: Ja, die DDR ist ja immer zweigleisig verfahren in der Bundesrepublik. Sie hatte verdeckte Agenten, die selbst im Bundesvorstand der NPD saßen und auch als ganz kalte Krieger auftraten und sie hatte Einflussorganisationen, von der DKP angefangen über die DFU und das Komitee für Frieden und Abrüstung und ähnliche Dinge.

    Schmitz: Herr Knabe, alle Stasi-Akten von van Ooyen haben Sie nicht vorliegen. Einige besitzt er nur selbst, die aber offensichtlich er erst öffentlich machen muss innerhalb der nächsten vier Wochen oder nach vier Wochen ab Erhalt. Das wäre nach der Ministerpräsidentenwahl in Hessen. Ist das ein verstecktes Spiel?

    Knabe: Tja, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Anträge, diese Materialien herauszugeben, sind ja schon Monate alt und jetzt heißt es, dass das erst in vier Wochen herausgegeben werden soll, wenn die Dinge in Hessen gelaufen sind. Ich meine allerdings, wenn jemand Anspruch erhebt, hier zumindest indirekt durch Tolerierung mitwirken zu wollen, dann hat er eine Bringpflicht. Das heißt, er muss jetzt diese Unterlagen freigeben für die Forschung. Dann kann man das auch sich genauer anschauen. Und er sollte auch die Frage beantworten, ob er möglicherweise auch Mitglied der DKP gewesen ist.

    Schmitz: Wenn man das so nun alles weiß, ist es da nicht ein Skandal in der politischen Kultur unseres Landes, dass die SPD in Hessen auch Willi van Ooyen als Regierungsermöglicher setzt?

    Knabe: Was die SPD da in den letzten Jahren macht, verstehe ich offen gestanden auch nicht. Wenn man sich seiner eigene Konkurrenz hier am linken Rand hochzieht und dabei mit Leuten zusammenarbeitet, die selber mit einer Diktatur kooperiert haben, dann ist das gerade für Sozialdemokraten, die doch am meisten in der DDR gelitten haben, in meinen Augen völlig unverständlich.

    Schmitz: Hubertus Knabe, Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen in Berlin, war das.