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Stecker-Hersteller Mennekes
Einer für alle E-Autos

Die E-Mobilität ist auf dem Vormarsch. Damit die Batterien der Autos aber überall geladen und mit Strom versorgt werden können, muss es Standard-Stecker und -Dosen geben. Den europäischen Stecker für alle stellt eine Firma aus dem Sauerland her.

Von Klaus Lockschen | 29.03.2019
"Ich fahre mit Strom" steht an einem elektrisch angetriebenen Opel Ampera, der am 27.04.2016 in Halle (Sachsen-Anhalt) an einer Ladesäule von EnviaM geladen wird.
"Mennekes" steckt in jedem europäischen E-Auto (dpa / picture alliance / Jan Woitas)
Sucht man mit triefender Nase ein Tempo, will man meist nur irgendein Papiertaschentuch – der Markenname ist längst Gattungsname geworden. Analoges zum Schnupfen gibt es auch beim Laden eines Elektroautos. Da ist es der "Mennekes". Ein Stecker, der Anfang 2013 von der EU als europaweiter Standard festgeschrieben wurde, entwickelt in der kleinen Sauerlandgemeinde Kirchhundem.
"Überall, wo eine Steckdose und ein Stecker vorkommen, versuchen wir uns zu positionieren. Diese DNA, die wir da haben, die passte eigentlich perfekt auf das Thema Ladesteckvorrichtung",
sagt Christopher Mennekes, Juniorchef des Familienbetriebs in dritter Generation, zum jüngsten Geschäftsfeld des Unternehmens. Wie groß die Welt der elektrischen Industriesteckverbindungen auch jenseits der Ladestecker für Elektroautos ist, das eröffnet sich dem Besucher bereits am Empfang des Unternehmens, das langgestreckt und eingezwängt in einer Talmulde zwischen Bundesstraße und dem Flüsschen Hundem in der 12.000-Einwohner-Gemeinde liegt.
Quietschbunte Steckervarianten
Hunderte Varianten ausgestellt in Regalen und Vitrinen, vom kleinen Haushaltsstecker bis zum wuchtigen Klotz, Kupplungen, Verteilerboxen, alles quietschbunt. Auch im Chefbüro dienen die Fensterbänke als Präsentationsort.
"1935 hat mein Großvater Aloys Mennekes seinen Meisterbrief erhalten als Elektroinstallateur und hat begonnen, das Sauerland zu elektrifizieren hier in dieser Gegend",
erzählt der 39-Jährige. Als Soldat eingezogen, kehrte der Opa bei Kriegsende in seine Heimat zurück und sah sich nach Arbeit um.
"War immer schon ein Tüftler gewesen, suchte eben nach irgendeiner Möglichkeit, etwas zu produzieren und hat begonnen mit Waffeleisen, mit Stehlampen, die dann hier in der lokalen Schützenhalle montiert wurden. Also alles ziemlich wilde Zeiten",
berichtet der Juniorchef. Zwei Jahre später baute er ein Fabrikgebäude auf dem heutigen Werksgelände.
"1948 gab es schon die ersten Steckvorrichtungen aus Alu-Kokillenguss. Also da wurde schon gegossen. Und dann eben wurden Stecker montiert. Und das hat er dann tatsächlich auch umgesetzt und mit dem Thema Steckvorrichtungen auf ein tolles Pferd gesetzt".
Mit der Fertigung ging es besonders nach der Umstellung auf Kunststoffgehäuse rasant bergauf. In den 1970er Jahren lag die Belegschaft schon bei 250 Personen, heute sind es gut 1.000. Mit dem Tod des Firmengründers im Jahr 1976 übernahm Sohn Walter und setzte im Kerngeschäft auf Drehstromsteckkomponenten. 15.000 Artikel gibt der Katalog her.
"Das sind Stecker, die kommen in Häfen, in Industriebetrieben, in Minen werden die zum Einsatz gebracht, verbinden in der Regel größere Maschinen, die in rauen Umgebungen letztendlich arbeiten müssen".
Auch die Internationalisierung gewann mächtig an Fahrt. Dank Standardisierung lassen sich die Stecker in vielen Ecken der Welt verwenden. So sind Tochtergesellschaften unter anderem in China, Russland und Indien aktiv. 55 Prozent des Umsatzes von 150 Millionen Euro werden im Ausland erzielt.
Kontaktanbahnung im Fußballstadium
Aber zurück zur Analogie von Tempo und Mennekes. Dass dieser Stecker europäischer Standard wurde, lag auch an einem Zufall. Als glühender FC Bayern-Fan lernte Walter Mennekes den damaligen VW-Chef und Bayern-Aufsichtsrat Martin Winterkorn im Stadion kennen und übergab ihm 2009 einen Prototyp seines Ladesteckers. Der war begeistert und sorgte für Publicity bis hinein ins Kanzleramt.
"Da war dieser Steckerstrauß, den hatte mein Vater tatsächlich in der Kanzleramtssitzung dabei, bestehend aus den ganzen Haushaltssteckern, die wir in Europa alleine schon haben. Das war ein ziemlich großer Strauß. Ja, er hatte versucht, letztendlich mit diesem großen Steckerstrauß der Haushaltsstecker vor Augen zu führen, was passiert, wenn wir uns in Europa nicht einigen und was das dann für ein Kabelsalat im Auto bedeuten würde".
2013 hat sich die EU schließlich zwischen drei Steckertypen für den zweiten, eben den "Mennekes-Typ 2", als Standard entschieden – forciert von deutscher Autobranche und Politik. Der liegt nun im Kofferraum eines jeden europäischen Elektroautos.
In jedem Kofferraum ein "Mennekes"
Mitarbeiter Alexander Gehb führt zur Produktionshalle. Davor große Silos mit Kunststoffgranulat. Der Stoff, aus dem die meisten Gehäuse sind.
"Das Granulat wird per Luftdruck in diese Kunststoffspritzmaschinen befördert und von da aus über Hitze und großen Druck in diese Form gebracht".
Diese Formen, das sind dutzende türkis-gelbe Spritzgussmaschinen, jede fast garagengroß. Die stehen in Reih und Glied und arbeiten lautstark ihr Plansoll ab. In Sekundenabständen werden die gebackenen Schaltergehäuse ausgeworfen.
Zweite Hauptkomponente eines Steckers ist Messing. Angeliefert wird es als Stangenware oder auf großen Rollen als Bandmaterial.
"Das sind die anderen Bauteile vom Stecker, das ist die Kontaktteilfertigung. Alle Stecker haben Hülsen, da werden die gedreht, hinten werden die gestanzt".
Dann noch das Obergeschoss.
"Oben haben wir die Sondermontage, wo Kombinationen und Verteiler per Hand gebaut werden".
Viel Handarbeit fließt auch in den eMobility-Bereich ein, besonders in den Ladesäulenbau. Der findet in einem Werk wenige Kilometer entfernt vom Firmenhauptsitz statt. Christopher Mennekes ist begeistert, dass der Umsatzanteil von Ladesystemen für E-Autos binnen weniger Jahre aus dem Stand auf satte 30 Prozent geklettert ist. Und ist sich sicher, dass dieses Segment zumindest umgangssprachlich nicht unter Strom geraten wird.