Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Stefan Etgeton vs. Jochen Pimpertz
Private Krankenversicherung – einfach abschaffen?

Deutschland ist europaweit das einzige Land, das im Gesundheitswesen zweigleisig fährt. Angesichts einer alternden Gesellschaft, explodierender Kosten und der Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit stellt sich die Frage: Brauchen wir ein einheitliches Versicherungssystem? Darüber streiten Stefan Etgeton und Jochen Pimpertz.

Moderation: Birgid Becker | 23.06.2018
    Gesundheitskarten verschiedener Krankenkassen liegen auf einem Tisch.
    "Privat- oder Kassenpatient?" Diese Frage wird einem bei einem Arztbesuch oft noch vor der Frage nach den Beschwerden gestellt (dpa / Jens Kalaene)
    Das deutsche Gesundheitswesen ist nicht wirklich gesund. Darüber sind sich Politiker, Experten und Bürger weitgehend einig. Es gibt zahlreiche Probleme: explodierende Kosten, eine steigende Nachfrage nach Gesundheitsleistungen, die Folgen des demografischen Wandels und nicht zuletzt die Frage nach Solidarität und sozialer Gerechtigkeit. Doch über eine mögliche Therapie gehen die Meinungen weit auseinander. Sollte das doppelte Versicherungssystem aus gesetzlichen Krankenkassen (GKV), bei denen immerhin rund 90 Prozent der Patienten Mitglied sind, und privaten Krankenversicherungen (PKV) abgeschafft werden? Über das Pro und Contra diskutieren Stefan Etgeton und Jochen Pimpertz.
    Jochen Pimpertz, Experte für Fragen der sozialen Sicherung beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW):
    "Der größte Vorteil der privaten Krankenversicherung, wie wir sie heute kennen, ist, dass dort die Versicherten für ihre im Alter steigenden Ausgaben selber vorsorgen. In einer alternden Bevölkerung können privat Versicherte steigende Lasten nicht auf andere Generationen überwälzen. Gleichwohl ist die PKV nach heutigen Regeln kein Idealmodell. Wenn wir aber heute diskutieren, ob es die PKV abzuschaffen gilt, dann müssen wir auch nach der Alternative fragen. Und da ist bislang in der Öffentlichkeit nur eine Bürgerversicherung nach GKV-Regeln in der Diskussion. Die hat aber auch wieder ganz spezifische Probleme."
    Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte der Bertelsmann-Stiftung:
    "Es wird ja immer behauptet, Deutschland hätte das beste Gesundheitssystem der Welt. Wenn man sich mal die Zahlen anschaut und internationale Vergleiche, dann sieht man, wir zahlen relativ viel, das ist in der Tat so, aber hinsichtlich der Leistungen und der Qualität ist Deutschland eher Mittelmaß. Das heißt, da gibt es wesentlich bessere Gesundheitssysteme. Insofern gibt’s da tatsächlich ein Problem, ein Steuerungsproblem, ein Verbesserungsproblem. Meine These ist allerdings, dass wir diese Steuerungsprobleme leichter lösen können, wenn wir in einem einheitlichen Versicherungsmarkt sind. Und das heißt nicht eine Einheitsversicherung, sondern das heißt mehrere Krankenversicherungen, die im Wettbewerb stehen, aber zu gleichen Regeln. (…) Hinzu kommt, dass die Existenz der privaten Krankenversicherung dieses gesetzliche System auch tatsächlich schädigt."