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Steinbrück befürwortet verstärkte Finanzkontrolle durch Währungsfonds

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat eine positive Bilanz des G-20-Weltfinanzgipfels in Washington gezogen. Konkret müsse neben nationalen Sicherungsmaßnahmen auch eine übergeordnete Behörde international kontrollieren. Der IWF sei eine Möglichkeit, derzeit aber noch nicht entsprechend ausgestattet.

Peer Steinbrück im Gespräch mit Friedbert Meurer | 17.11.2008
    Friedbert Meurer: Der Himmel soll zwar grau gewesen sein über Washington jetzt am letzten Wochenende, aber das war dann doch kein schlechtes Omen für den Weltfinanzgipfel in der US-Hauptstadt. Zumindest haben sich die Teilnehmer aus 20 Staaten anschließend zufrieden gezeigt. Um künftige Krisen zu vermeiden, so die Verabredung, wird international künftig besser kontrolliert, was sich alles auf den Finanzmärkten so tut. Der global entfesselte Finanzkapitalismus soll gebändigt werden. - Mit dabei war Bundesfinanzminister Peer Steinbrück von der SPD. Guten Morgen, Herr Steinbrück!

    Peer Steinbrück: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Ist das Abschlusspapier wirklich mehr als ein Formelkompromiss? Lässt sich darauf aufbauen?

    Steinbrück: Oh ja, weil dieses Abschlusspapier fünf wichtige Prinzipien enthält und mehr als das ja in einer Form konkret wird, indem ihm ein Aktionsplan zugeordnet worden ist, den jetzt die Finanzminister systematisch, sogar mit einer Zeitvorgabe bis Ende März, Anfang April umgießen müssen. Also in dieser Form und in der Zusammensetzung hat es das in den letzten Jahrzehnten nicht gegeben.

    Meurer: Auf welche Punkte kommt es an, Herr Steinbrück?

    Steinbrück: Im Wesentlichen ist es Transparenz. Alle Marktteilnehmer brauchen die Information, um selber ihre Risikoprofile zu erstellen, so dass sie nicht plötzlich irgendwelche großen Wundertüten haben, in denen Knallfrösche drinstecken und die uns alle um die Ohren fliegen. Es geht zweitens um Regulierung von Finanzmärkten, von Finanzprodukten und Finanzmarktteilnehmern. Drittens: Die Integrität der Finanzmärkte, die Glaubwürdigkeit, das Vertrauen muss wieder hergestellt werden. Viertens geht es um eine Kooperation der Aufsichtsbehörden und fünftens um einen institutionellen Rahmen, der wichtige Aufgaben zukünftig in der Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte übernimmt.

    Meurer: Vor dem Gipfel, Herr Steinbrück, hatte US-Präsident George Bush ja schon gesagt, so viel soll man jetzt auch nicht kontrollieren, das ganze soll schon noch den freien Märkten überlassen werden. Hat Bush im Verlauf des Gipfels seine Meinung geändert?

    Steinbrück: Nein. Auf den Punkt und sehr offen gesprochen haben wir so ein bisschen aus deutscher Sicht den Eindruck, das war auch eine gewisse taktische Einlassung, um denen gegenüber einen gewissen Stopper zu setzen, die nun sehr weit reichende Vorstellungen gehabt haben. Da war ja fast die Rede von einer Revolution, die über Nacht über das Finanzmarktsystem hätte losgetreten werden müssen. Insgesamt bin ich ziemlich sicher, dass die jetzige amerikanische Administration, die noch amtierende amerikanische Administration, und die neue das gleich lautende Interesse hat, diese exzessiven Spekulationen und Volatilitäten aus dem Markt herauszunehmen.

    Meurer: Wie würde denn eine Revolution auf dem Finanzmarkt aussehen?

    Steinbrück: Da gibt es solche Stichworte wie Bretton Woods II. Davon halte ich nichts. Das sind andere historische Rahmenbedingungen gewesen.

    Meurer: Das war 1944. Da sind Weltbank und Währungsfonds gegründet worden.

    Steinbrück: Ja, 1944. Das sind die beiden letzten Institutionen von Bretton Woods. Das ist jetzt über 60 Jahre her und war in einem ganz anderen historischen Rahmen. Man muss mit solchen historischen Vergleichen vorsichtig sein.

    Meurer: Aber reichen einige Reformpunkte, oder muss da nicht gewaltig etwas sich verändern, damit nicht Akteure skrupellos für sich selbst Millionen gewinnen und hinterher das alles wie ein Kartenhaus einstürzt?

    Steinbrück: Aber entschuldigen Sie bitte! Das was da gerade in Gang gesetzt worden ist, das ist das weit reichendste, was es gegeben hat, und schon sind Sie und andere dabei zu sagen, wo ist das nächste. Vielleicht sind wir mal in der Lage, das umzusetzen, was es dort mit Blick auf die von mir genannten Stichworte gibt. Das ist ein riesiges Programm und würde zu einer fundamentalen Veränderung führen gegenüber der jetzigen Situation.

    Meurer: Wer soll dafür sorgen, dass Transparenz auf den Finanzmärkten herrscht?

    Steinbrück: Dann reden wir über die Institutionen, die verantwortlich sind. Es gibt ein so genanntes Financial Stability Forum, das schon jetzt sehr weit reichende und gute Vorschläge gemacht hat, ein 100-Tage-Programm, das abgearbeitet wird. Die werden weiter tätig sein müssen und dann liegt es in der Verantwortung auch nationaler Regulierungsbehörden, das umzusetzen. Und oben drüber müsste nach der Auffassung vieler der Internationale Währungsfonds stehen in einer Überwachungsfunktion und dann geht es auch um die Fragestellung, ob er ein Instrumentarium hat, diejenigen anzumahnen, die diesen Vorgaben nicht entsprechen.

    Meurer: Welches Instrumentarium benötigt der Internationale Währungsfonds, um seine Aufgabe als Richter zu erfüllen?

    Steinbrück: Die Bundeskanzlerin und ich weisen darauf hin, dass wir zwei solcher Mechanismen kennen. Das eine ist bei der Welthandelsorganisation, wo es Verfahren gibt, die durchaus, sagen wir mal, kritischen anmahnenden, mehr als, das auch möglicherweise bestrafenden Charakter haben, und das zweite Beispiel ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt von Maastricht innerhalb der Europäischen Union, der nach dem EG-Vertrag ebenfalls bestimmte Instrumente vorsieht, teilnehmende Länder oder Mitgliedsländer zu veranlassen, auf den Pfad zu kehren, der Gegenstand vertraglicher Verabredungen ist.

    Meurer: Wie wahrscheinlich ist es, dass der IWF beispielsweise die USA bestraft?

    Steinbrück: Das ist genau die Skepsis, die einige Länder haben, weil sie sagen, der IWF wird im Zweifelsfall politisch gesteuert, und aus den letzten Jahrzehnten natürlich immer den Eindruck haben, er wird im Zweifelsfall amerikanisch gesteuert. Da haben Sie Recht, dass es einige gibt, die eine gewisse Reserve haben. Richtig ist, dass der IWF derzeit organisatorisch, strukturell und auch personell dieser möglichen Aufgabenstellung noch nicht gewachsen ist.

    Meurer: Wie könnten Sie sich einen veränderten Internationalen Währungsfonds vorstellen?

    Steinbrück: Es müsste diesem IWF von denselben 20 Ländern, die immerhin 85 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts repräsentieren, ein Mandat erteilt werden. Auf dieser Mandatserteilung, auf der Basis einer solchen Legitimation tätig zu werden, das könnte ich mir vorstellen.

    Meurer: Interessant ist auch, Herr Steinbrück, dass es in dem Abschlusspapier heißt, Steueroasen soll es in Zukunft nicht mehr in der Form wie bisher geben. War das Wasser auf Ihre Mühlen?

    Steinbrück: Ja, eindeutig ja, denn in der Tat gibt es eine Verbindung zwischen dieser Finanzmarktkrise und Steueroasen, also dem Standort, dem juristischen Standort von einigen Finanzmarktteilnehmern, die in so genannten nicht regulierten Märkten tätig sind. Die kommen vor in vielen Tourismusprospekten; daher kennen wir diese Inseln. Aber wenn immer wir dort tätig werden wollen, weisen die auch auf Europa, und wir in Europa müssen uns mit dieser Frage auch beschäftigen. Gibt es einen unfairen Steuerwettbewerb möglicherweise mit dem Fenster, deutsche Steuerzahler einzuladen, nicht nur Kapitaltransfer vorzunehmen, sondern auch Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zu Lasten des Fiskus in Deutschland? Und die Situation haben wir in Europa.

    Meurer: Nur die Schweizer haben sich ja schon heftig beschwert über das, was sie in der Vergangenheit gezeigt haben. Die werden ihre Position kaum verändern wollen.

    Steinbrück: Ja, gut. Sie verändern sie gerade gegenüber den USA, wenn mein Eindruck und meine Informationen nicht falsch sind. Das was die USA mit den Schweizern delateral mit Blick auf Informationen, die amerikanische Behörden haben wollen, über mögliche Steuerhinterziehungen und Steuerbetrug von amerikanischen Steuerzahlern erreichen oder bekommen, da ist nicht ganz einzusehen, warum dann nicht auch deutsche oder andere europäische Behörden das bekommen, um solche Steuerhinterzieher in der Tat am Schlafittchen zu kriegen. Wir reden hier über Kriminalität und nicht über irgendein Kavaliersdelikt zu Lasten aller ehrlichen Steuerzahler in Deutschland, zu Lasten des Fiskus.

    Meurer: Ich rede mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. - Die Finanzkrise greift auf die Realwirtschaft über. Prominentes Beispiel heute ist Opel. Es gibt einen Opel-Gipfel im Kanzleramt. So will ich das mal nennen. Sind Sie dafür, dass Opel eine Staatsbürgschaft bekommt?

    Steinbrück: Es wäre erstens ganz gut, wenn wir nicht von Gipfel zu Gipfel reiten und das ganze damit immer eine Unterlegung bekommt, wo man den Eindruck hat, wir finden nie wieder ein Normalmaß. Richtig ist, dass es heute im Kanzleramt zu einer Besprechung kommen wird, zu der die Bundeskanzlerin auch die Kollegen Glos und mich eingeladen hat. Da wollen wir erst mal Informationen haben. Die sind teilweise für uns etwas widersprüchlich aus der Entwicklung des Wochenendes beziehungsweise der Tage davor. Dann wird es darum gehen, dass in meinem Ministerium morgen auch auf Staatssekretärsebene die betroffenen Länder eingeladen werden. Ich empfand es als nicht sehr hilfreich, dass in der Wochenendpresse nun schon Zahlen genannt worden sind, in welchem Verhältnis sich Bund und Länder was aufzuteilen haben. Da sollte man zunächst mal am Tisch gesessen haben. Die Bundesregierung wird sich mit einer möglichen Problematik beschäftigen müssen, wenn davon 25.000 Menschen betroffen sind und darüber hinaus auch Zulieferer. Aber das wirft auch eine Reihe von Problemen auf: wettbewerbsrechtlich, beihilferechtlich, wie passt man auf, dass man plötzlich nicht etwas tut, was eher zu Gunsten von General Motors in den USA ist.

    Meurer: Das wäre eine Bedingung, Herr Steinbrück. Was sind noch weitere Bedingungen, dass Sie die Hand dafür heben?

    Steinbrück: Na ja. Ich will ja nicht dazu einladen, dass alle möglichen Trittbrettfahrer ebenfalls zur Bundesregierung kommen und sagen, also wenn du Opel hilfst, dann lege ich dir mal meine Situation so dar, dass du gar nicht darum herum kommst, mir auch zu helfen.

    Meurer: Genau das ist ja die Befürchtung. Wo wollen Sie da die Grenze ziehen, wenn es dazu käme? Bleiben wir im Konjunktiv. Erst kommt Opel, dann vielleicht andere Autokonzerne, dann kommt die Bauindustrie. Wie kann man da ein Stoppschild aufbauen?

    Steinbrück: Das wird abhängig sein von einzelnen Fällen und wird garantiert nicht durch eine Voraberklärung der Bundesregierung, auch nicht von mir in einem solchen Interview geschehen können, damit ich genau das vermeide, was ich gerade angedeutet habe. Ich will nicht dazu einladen.

    Meurer: Es gibt heute ein Gespräch im Kanzleramt und morgen mit den Ministerpräsidenten und heute noch eines im Außenministerium.

    Steinbrück: Nein, nein, um Himmelswillen! Das ist das, was ich befürchte. Das hat immer größere Eskalation. Es gibt heute ein Gespräch bei der Bundeskanzlerin, heute Abend ein Gespräch von Betriebsräten bei meinem Kollegen Steinmeier. Morgen gibt es eine Runde mit den Ländern auf Staatssekretärsebene und dann sondieren die erst mal.

    Meurer: Da sagen manche schon, das ist schon ein Wettbewerb im Retten der deutschen Wirtschaft.

    Steinbrück: Ja. Das geht zurück bei Herrn Steinmeier darauf, dass die IG Metall darum gebeten hat, dass der stellvertretende Parteivorsitzende der SPD sich mal mit allen Betriebsräten der deutschen Automobilhersteller zusammensetzt, und das halte ich auch für naheliegend und völlig richtig und da ist auch keine Dramatik drin.

    Meurer: Schönen Dank! – Das war Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) bei uns im Deutschlandfunk. Danke und auf Wiederhören, Herr Steinbrück.

    Steinbrück: Tschüß!