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Steinmeier auf der Havel

Ob Paddeln oder Fahrradfahren auf seiner Sommertour begeistert Frank-Walter die Genossen in den Ortsvereinen durch Freizeitaktivität. Den SPD-Kanzlerkandidaten verrät er dabei jedoch nicht.

Von Anna Pataczek | 09.08.2012
    Das Kanu dümpelt im Wasser, als Frank-Walter Steinmeier am Anlegesteg erscheint. Er trägt praktische Freizeitkluft, Trekkingschuhe und Trekkinghose, und nimmt in der Mitte des Achters Platz, zwischen Parteifreunden aus der Region und Mitgliedern des hiesigen Paddelvereins. Los geht die Fahrt auf der Havel, von Milow nach Rathenow, zwölf Kilometer Wasserweg. Lässig hält Steinmeier das Paddel in der Hand, offensichtlich ist er geübt.

    "Jaja, ich habe sogar ein eigenes Kajak-Boot, das ist jetzt etwas verstaubt und in die Jahre gekommen. Aber ich habe eine Zeit meines Lebens in Hessen verbracht, und dort sind wir viel mit dem Kanu auf der Lahn unterwegs gewesen."

    Statt Lahn hat er jetzt die Havel, Westbrandenburg ist sein Abgeordneten-Wahlkreis. Drei Tage nimmt er sich für seine Sommerreise Zeit. Er paddelt, fährt Fahrrad, wandert. Steinmeier ist fit, sein Programm sportlich und straff.

    "Aber immer, wenn Frank-Walter hier ist! Letztes Jahr mal sind wir circa – was waren det? – 25 Kilometer Fahrrad gefahren, war der wärmste Tag 2011, waren 35 Grad, war auch schön."

    Sagt Felix Menzel, SPD-Bürgermeister vom Milower Land. Steinmeier macht Werbung für den Tourismus in der Region. Aber eben auch für sich selbst. Und deshalb raten ihm seine Mitarbeiter nach einer kurzen Anlegepause mit Bier und Wurstbroten, dass er nach vorne soll, an die Spitze des Kanus. Ein schönes Bild für die Fotografen ist das, Steinmeier als Schlagmann: Der, der den Takt angibt. Das passt zur aktuellen Personaldebatte in der SPD. Wer wird Spitzenkandidat fürs Kanzleramt? Steinmeier hat schon mal angekündigt, Mitte September Grundzüge eines, seines Regierungsprogramms vorzulegen. Gehört die Sommerreise also schon zum Wahlkampf? Der Fraktionsvorsitzende sieht das – natürlich - nicht so.

    "Hier bin ich selbstverständlich als Anwalt der Menschen, die hier leben, unterwegs, als zuständiger Wahlkreisabgeordneter. Und die Menschen hier interessiert nicht ganz so brennend, wer der nächste Kanzlerkandidat der SPD sein wird. Vielleicht heute Abend, wenn wir das Fest bei der SPD in Brandenburg haben, wird es eine etwas häufiger gestellte Frage."

    Nein, sie ereilt ihn schon früher, die Kanzlerkandidatenfrage. Steinmeier lässt sich gerade einen Campingplatz am Steckelsdorfer See zeigen, da tritt plötzlich ein Camper mutig an ihn heran.

    "Herr Steinmeier, mal ne kurze Frage: Wann entscheidet sich denn die Spitzenkandidatur? – Ende Januar. – Ende Januar? Also, da muss doch mal bissl Butter bei die Fische, warum macht man’s nicht kurz und knapp: Sie oder Herr Gabriel, warum denn immer so? – Weil wir das klüger so finden. (Lautes Lachen). Nein, wir haben im Januar noch eine Landtagswahl, das ist die in Niedersachsen. Und wir haben gesagt, wir machen den Spitzenkandidaten nach der letzten Landtagswahl vor der Bundestagswahl. Also Ende Januar."

    Damit muss sich der Camper zufriedengeben, auch wenn ihm das wahrscheinlich nicht reicht. So ist Steinmeier. Sachlich, aber freundlich. Das unangenehme Thema hat er schnell weggewischt. Sichtlich froh, mit seinem Programm weitermachen zu können. Er lässt sich die Bungalows der Ferienanlage erklären und isst mit den Campingbetreibern Kuchen.

    "Und kann man schon sehen, ob’s Stammgäste gibt.
    Antwort Besitzer: Ja, kann man schon sagen."

    Der Smalltalk läuft schleppend. Dafür lächelt Steinmeier die ganze Zeit. Vielleicht nutzt er die Gelegenheit, um mit den Gedanken abzuschweifen - zu den großen nationalen und internationalen Themen, die ihn nach der Sommerpause ereilen - vielleicht sind es Gedankenspiele, die niemand bemerkt.

    Am Abend. Die SPD in Brandenburg an der Havel lädt zum Grillen ein. Statt Freizeitklamotten trägt Steinmeier nun Sakko. Man sitzt bei Würstchen und Kartoffelsalat zusammen. Was denken die Genossen an der Basis? Soll sich ihre Partei mit der Benennung des Spitzenkandidaten tatsächlich bis nach der Niedersachsen-Wahl Zeit lassen? Es herrscht Uneinigkeit.

    "Mann: Warten, warten, nur warten!
    Frau: Was lange währt, wird gut. Und es ist ja auch noch zeitig.
    Mann: Je schneller wir einen benennen, desto schneller wird er zerpflückt.
    Mann: So langsam sollte man in die Puschen kommen!
    Mann: Ich bin schon der Meinung, er müsste sich mal outen und daraus an Stimmen gewinnen. Nicht zu lange zögern.
    Mann: Die SPD sollte nicht zu lange warten. Es gibt ja drei Kandidaten. Und der, der dann am Parteitag gewählt wird, muss sich auch profilieren können!"

    Dass sich Steinmeier auf der Sommerreise durch den Wahlkreis profilieren kann, dafür sorgen seine Mitarbeiter. An jeder Station knipsen sie mit dem Smartphone Fotos und stellen sie auf die Facebook-Seite ihres Chefs. So kann jeder in Echtzeit sehen, wo sich der Spitzen-Genosse gerade aufhält. Etwa 15.800 Freunde hat Steinmeier in dem Sozialen Netzwerk. Bei Gabriel dagegen sind es etwa 12.700 und bei Steinbrück 7500. Aber das muss ja nichts heißen.