Samstag, 20. April 2024

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Linken-Politiker Riexinger
"Wir stehen für Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland nicht zur Verfügung"

Bernd Riexinger, Vorsitzender der Partei Die Linke, hat sich deutlich gegen Mehrausgaben der Bundeswehr ausgesprochen. Auslandseinsätze wie in Syrien lehnte er ab. "Wir haben im Nahen Osten nichts verloren", sagte er im DLF. Sollte es nach der Bundestagswahl zu Koalitionsverhandlungen mit der SPD kommen, wolle man an dieser Linie festhalten.

Bernd Riexinger im Gespräch mit Martin Zagatta | 01.04.2017
    Der Vorsitzende der Partei Die Linke, Bernd Riexinger, spricht am 28.05.2016 auf dem Bundesparteitag der Partei Die Linke in Magdeburg (Sachsen-Anhalt).
    Zwar sei ein sofortiger Austritt aus der NATO innerhalb einer Legislaturperiode nicht zu machen, dennoch sei dies ein Ziel der Linken, sagte Bernd Riexinger im DLF. (dpa / picture alliance / Hendrik Schmidt)
    Martin Zagatta: Beim NATO-Treffen mit US-Außenminister Tillerson gestern hat der deutsche Außenminister Gabriel klargestellt, dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben nicht auf zwei Prozent des Bruttosozialprodukts erhöhen wird. Allerdings, so Gabriel, sei man sich durchaus einig, dass Europa mehr in die Verteidigung investieren müsse, auch Deutschland werde seine Militärausgaben steigern.
    Ist das eine Politik, mit der sich die Partei Die Linke anfreunden könnte – die sieht die deutsche Verteidigungspolitik ja höchst kritisch bisher, ist allerdings als möglicher Koalitionspartner der SPD im Gespräch und müsste da vielleicht auch Kompromisse eingehen.
    Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Partei Die Linke ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Riexinger!
    Bernd Riexinger: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Riexinger, diese Politik von Sigmar Gabriel, wie er sie gestern formuliert hat, eine Absage an die Zwei-Prozent-Forderung der USA, aber eine grundsätzliche Zusage, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Ist das eine Position, eine Politik, mit der Sie sich anfreunden könnten?
    Riexinger: Ja, ich kann mich mit dem ersten Teil schon anfreunden. Es ist in der Tat völliger Wahnsinn, die Militärausgaben so zu steigern, dass wir zum Schluss 70 Milliarden für das Militär ausgeben würden. Das ist fast das Doppelte als heute. Oder das Geringste wäre 25 Milliarden. Dafür könnte komplett alle maroden Schulen in Deutschland sanieren, und dort wäre das Geld deutlich besser ausgegeben. Da muss man Gabriel recht geben.
    Wo wir nicht mit ihm mitgehen können: Wir halten überhaupt es nicht für erforderlich, die Militärausgaben zu steigern. Im Gegenteil, sie könnten sogar gesenkt werden, und wir könnten das Geld für andere soziale Zwecke deutlich besser ausgeben.
    Zagatta: Und da wären Sie auch nicht kompromissbereit, oder wie ist das zu verstehen?
    Riexinger: Na ja, das würde dann im Konkreten ausgehandelt, aber wir haben jetzt schon dieses Jahr eine Steigerung um acht Prozent vorgesehen. Wir wissen, dass wir eigentlich nicht bedroht sind in Deutschland. Wir sind militärisch nicht bedroht, wenn wir die Bundeswehr nur zu Verteidigungszwecken einsetzen würden, also nicht für Auslands- und Kampfeinsätze der Bundeswehr. Da können wir Geld sparen, das wir in der Tat in anderen Dingen besser ausgeben können. Wir brauchen dringend mehr Sozialwohnungen, wir müssen die Schulen sanieren, wir müssen mehr Geld für Bildung ausgeben.
    Zagatta: Herr Riexinger, da würden Ihnen andere auch nicht widersprechen, was jetzt die Sozialausgaben angeht, aber mit dieser Position, dass die Verteidigungspolitik da nicht so wichtig sei, dass man da vielleicht sogar kürzen könnte, steht Die Linke ja weitgehend allein.
    Sehen Sie sich da nicht auf einem Weg langsam auch wie die Grünen, die ja diese Position in ihren Anfangszeiten auch irgendwie vertreten haben und dann doch unter Joschka Fischer umgeschwenkt sind?
    Riexinger: Nein, da sehen wir uns nicht. Wir sehen uns ja eher in unserer Haltung bestätigt. Man muss ja sehen, was auch Frau von der Leyen bezweckt mit ihrem großen Anschaffungsprogramm, ist ja nicht die Verteidigung zu stärken, sondern das ist ja, die Interventionsfähigkeit der Bundeswehr zu stärken, und wir haben immer Kritik geäußert, dass die Bundeswehr im Ausland tätig ist und Auslandseinsätze fährt. Die Bilanz dieser Auslandseinsätze – denken Sie nur mal an Afghanistan oder jetzt an den neueren Anschlag in Syrien – ist verheerend. Nirgendwo wurde der Frieden gesichert oder wurde Demokratie eingeführt oder die Lage in dem Land auch nur in irgendeiner Form verbessert. Das Gegenteil ist der Fall.
    Zagatta: Aber würden Sie denn dann zu ...
    Riexinger: Wir können mehr Geld einsparen.
    "Natürlich muss man sich gegen den IS wehren"
    Zagatta: Würden Sie denn dann so weit gehen, dass Sie sagen, also dieser Einsatz jetzt in Syrien, der gilt ja vor allem dem Islamischen Staat, diesem fürchterlichen Terrorismus da. Würden Sie sagen, auch da, das geht uns nichts an, da vertreten wir die reine pazifistische Lehre?
    Riexinger: Nein, ich vertrete ja nicht die reine pazifistische Lehre. Natürlich muss man sich gegen den IS wehren, aber man muss ja auch erst einmal feststellen, dass die bisherigen Militärinterventionen, insbesondere im Irak, aber auch in Libyen, in den anderen Ländern, erst mal den Terrorismus und den IS dort gezüchtet haben. Der IS ist ja ein Produkt der Militärpolitik der letzten zehn bis fünfzehn Jahre.
    Zagatta: Da würden Ihnen vielleicht die Jesiden widersprechen, die jetzt sagen, also Dank militärischen Eingreifens der Kurden, der syrischen Kurden vor allem, aber auch der Peschmerga, der irakischen Kurden, sind sie zumindest jetzt einigermaßen von dieser Verfolgung geschützt worden.
    Riexinger: Ja, nicht nur die Peschmerga, sondern in der Tat haben die Kurden tatsächlich viele Flüchtlinge geschützt – die Jesiden zum Beispiel, aber nicht durch die Bombardierung durch USA oder ...
    "Man muss die Ursachen bekämpfen dieses Terrorismus und darf nicht an den Wirkungen rumschrauben"
    "Auch mit deutschen Waffen werden diese Kriege geführt"
    Zagatta: Auch mit deutschen Waffen. Mit Waffen aus Deutschland.
    Riexinger: Na ja, aber auch mit deutschen Waffen werden diese Kriege geführt. Sie können die Sachen nicht aus dem Zusammenhang reißen, sondern man muss ja sagen, mit was ist denn der IS aufgerüstet worden. Das sind mit Waffen, die in Saudi Arabien geliefert worden, das sind militärische Partner der Bundesrepublik. Wir liefern an Länder im Nahen Osten Waffen, die den IS erst aufgebaut haben und die ihn finanzieren. Ich glaube, man muss die Ursachen bekämpfen dieses Terrorismus und darf nicht an den Wirkungen rumschrauben, und die Ursachen liegen bei uns leider Gottes selber.
    Zagatta: Da wird Ihnen unter Umständen oder wird Ihnen kaum jemand widersprechen, dass man die Ursachen bekämpfen muss, aber was ist denn jetzt ganz konkret mit Waffenlieferungen zum Beispiel? Ist es so falsch, den Peschmerga Waffen zu liefern in diesem Kampf gegen den internationalen oder gegen den IS-Terrorismus. So falsch ist das doch nicht.
    Riexinger: Wir haben uns gegen Waffenlieferungen ausgesprochen, weil es genügend Waffen gibt und es nicht wirklich das Problem ist, dass es dort nicht genug Waffen gibt und weil die große Gefahr besteht, dass Waffen, die in diese Krisengebiete geliefert werden, zum Schluss dann doch beim Islamischen Staat landen. Dafür gibt es ja auch Nachweise. Mit Waffen, insbesondere Kleinwaffen, die aus Deutschland geliefert werden, werden die Bürgerkriege nur angeheizt. Ich glaube, wir müssen Friedenspolitik machen, wir müssen die Ursachen des Terrorismus beseitigen. Wenn zum Beispiel wie jetzt eine Schule bombardiert wird und 33 Zivilisten sterben müssen, dann züchtet man ja gerade mit solchen Methoden die Terroristen. Was denken die Familien, was denken die Kinder dieser getöteten Familien oder diese getöteten Leute.
    Zagatta: Herr Riexinger, nach diesem Angriff frage ich Sie gleich noch, aber nur mal, um das noch kurz festzuhalten: Also Waffenlieferungen, sagen Sie, das schließen Sie ganz aus, das wollen Sie nicht. Würden Sie damit ... und Sie sind gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, Sie sind für den Austritt aus der NATO. Sind das Positionen, wo Sie sagen, da wäre dann mit der SPD ... da ist doch eigentlich eine Koalition ausgeschlossen, wenn Sie diese Position vertreten.
    Riexinger: Na ich weiß nicht. Martin Schulz hat sich ja immerhin auch gegen die Erhöhung auf zwei Prozent ausgesprochen, hat gesagt, wir müssen eigentlich in Europa abrüsten und Friedenspolitik betreiben.
    "Beitrag dazu leisten, dass die SPD wieder auf den Pfad der Abrüstung und Friedenspolitik zurückkommt"
    Zagatta: Die Position war doch gestern, zwei Prozent kommen nicht infrage, aber eine Erhöhung, die ist eigentlich anerkannt, die ist unumstritten. So habe ich Gabriel gestern verstanden.
    Riexinger: Wir würden einen Beitrag dazu leisten, dass die SPD wieder auf den Pfad der Abrüstung und Friedenspolitik zurückkommt, und die Grünen im Übrigen genauso, auf dem sie ja früher einmal waren, aber ich möchte noch mal betonen, dass wir zwar politisch ganz klar für einen Austritt aus der NATO sind, wir sind aber ja nicht einfach für einen Austritt aus der NATO, sondern wir sind dafür, eine Sicherheit, ein System einer Sicherheitspartnerschaft unter Einbeziehung von Russland aufzubauen – ein Konzept im Übrigen, das die SPD in den 60er-Jahren auch vertreten hat –, und wir haben aber immer gesagt, das ist ein politisches Ziel, das nicht in einer Legislaturperiode erreicht werden kann.
    Für uns ist eine harte Linie, dass wir keine Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulassen, und nach all den Erfahrungen, die wir die letzten Jahre gesammelt haben, müsste darüber eigentlich ein Konsens herstellbar sein.
    "Wir haben im Nahen Osten nichts verloren"
    Zagatta: Schwer vorstellbar, aber lassen Sie mich auf das eingehen, was Sie ja schon angesprochen haben. Die Bundeswehr beteiligt sich mit Aufklärungsflügen in Nordsyrien am Kampf gegen den IS, und da gibt es nun den Verdacht, dass bei einem Luftangriff der US-Amerikaner mehr als 30 Zivilisten, offenbar Flüchtlinge, getötet worden sind, und Sie werfen der Bundeswehr jetzt eine Mitschuld vor. Was heißt denn das konkret jetzt aus Ihrer Sicht? Muss die Bundeswehr solche Aufklärungsflüge einstellen?
    Riexinger: Ja, wir haben gesagt, dass sich die Bundeswehr so oder so gar nicht an dem Bürgerkrieg in Syrien beteiligen darf. Wir halten auch die Bombardierung praktisch von großen Teilen des Landes für kein geeignetes Instrument, um den IS zurückzudrängen. Das hat sich auch in der Vergangenheit erwiesen, und immer werden unschuldige Menschen getötet, und natürlich macht sich hier die Bundeswehr und macht sich hier auch die Bundesregierung mitschuldig am Tod unschuldiger Menschen. Ich glaube, mit unserer Geschichte, die wir haben, haben wir im Nahen Osten definitiv nichts verloren und sollten in der Tat die Bundeswehr zurückziehen.
    Zagatta: Herr Riexinger, die Informationen jetzt über eine deutsche Mithilfe an dem womöglich verheerenden Luftangriff da jetzt in Syrien, die stammen aus einer geheim eingestuften Sitzung des Verteidigungsausschusses, da steht nun der Vorwurf des Geheimnisverrats im Raum. Ist der angebracht?
    Riexinger: Ich weiß es nicht, ob der angebracht ist nach den bestehenden Regeln, aber ich finde, man sollte weniger über die Frage eines Geheimnisverrates diskutieren als über die Sache selbst, und die Sache selbst bedeutet eben, wenn du dich an solchen Angriffen beteiligst, und sei es auch nur durch Aufklärungsflüge, dann machst du dich mitschuldig am Tod unschuldiger Menschen, am Tod von Frauen und Kindern, und das sollten wir nicht tun.
    Zagatta: Wenn ich Sie jetzt recht verstanden habe, dass ich vielleicht unser Gespräch so zusammenfassen darf, was Auslandseinsätze der Bundeswehr angeht, auch die Erhöhung von Verteidigungsausgaben, da scheinen ja Ihre Vorstellungen und die der SPD meilenweit auseinander zu liegen. Halten Sie da ein Bündnis überhaupt für realistisch?
    Riexinger: Na ja, wir führen ja nicht im Vorfeld Koalitionsverhandlungen, sondern wir haben einen eigenständigen politischen Standpunkt als Linke, einen Standpunkt, den wir im Übrigen in den letzten zehn Jahren immer vertreten haben. Wir sagen, dass der Frieden nicht durch Aufrüstung hergestellt werden kann, sondern durch Verhandlungen, und dass man lieber tausendmal verhandeln soll, bevor man einmal schießen sollte. Das hat übrigens Helmut Schmidt einmal gesagt. Diese Linie der Außenpolitik, nicht mit Militärinterventionen Konflikte zu befrieden, die ist nicht neu, und die haben wir immer vertreten. Die ist auch sehr wohl begründet. Was dann in Koalitionsverhandlungen rauskommt, das vermag ich nicht zu sagen, aber für uns ist das eine ganz ernst gemeinte Haltelinie, dass wir für Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland nicht zur Verfügung stehen.
    Zagatta: Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Partei Die Linke heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Riexinger, ich bedanke mich für dieses Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.