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Steinmeier in Ankara
Schwere Vorwürfe vom türkischen Außenminister

Deutschland beherberge tausende Mitglieder der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und sperre sich gegen eine Auslieferung von Anhängern der Gülen-Bewegung - der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu nutzte das Treffen mit seinem Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier, um die Bundesregierung erneut anzugreifen. Steinmeier kritisierte seinerseits die Türkei.

von Klaus Remme | 15.11.2016
    Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei einer Pressekonferenz mit seinem türkischen Amtskollegen Cavusolgu
    Ernst: Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch in Ankara (dpa / picture alliance / Bernd von Jutrczenka)
    Ein kurzer Handshake, wenige Sekunden lang, kaum Augenkontakt, wo geht’s lang, links oder rechts, fragt Frank-Walter Steinmeier seinen Amtskollegen Cavusoglu und dann waren die beiden Minister hinter den Kulissen verschwunden. Die nach ihrem Gespräch folgende Pressekonferenz wird nicht als besonderer Ausweis deutsch-türkischer Verbundenheit in die Geschichte eingehen. Zu deutlich sind die Meinungsunterschiede, zu massiv die gegenseitigen Vorwürfe der vergangenen Wochen und Monate.
    Auch wenn die üblichen Floskeln nicht fehlten – Cavusoglu sprach von "werter Freund", Steinmeier bemühte ab und zu ein "lieber Mevlüt" – die Körpersprache war deutlicher. Die Mine des Bundesaußenministers wechselte von ernst zu verstimmt, während Cavusoglu erneut gegen Berlin und Brüssel wetterte und wiederholt kritisierte, Deutschand tue nicht genug gegen PKK-Verdächtige, zuckte Steinmeier ungeduldig mit den Fingern gegen das Rednerpult. Steinmeier sprach die Massenverhaftungen an, die Einschränkungen der Meinungsfreiheit nach dem Putschversuch und fügte hinzu:
    "Versteht es bitte in der Türkei nicht als Anmaßung, nicht als Belehrung von oben herab, betrachtet dieses bitte als Ausdruck von Sorge. Wir sind dringend bemüht unter jedem Aspekt, das was sich eingetrübt hat in den bilateralen Verhältnissen für die Zukunft wieder einer Verbesserung zuzuführen."
    Steinmeier verteidigt Incirlik-Besuche
    Doch damit konnte er seinen Amtskollegen nicht gewinnen. Cavusoglu kritisierte erneut die Armenier-Resolution des Bundestages. So etwas zieme sich nicht, da man den Konflikt offensichtlich nicht verstehe. Kein Wort zum Besuchsverbot für Abgeordnete bei der Bundeswehr in Incirlik. Steinmeier dazu:
    "Es muss auch möglich sein, lass mich das wiederholen, dass Abgeordnete des deutschen Bundestages die deutschen Soldaten in Incirlik besuchen können. Für uns ist das eine Selbstverständlichkeit, dass diejenigen, die nach der deutschen Verfassung über das Mandat zu entscheiden haben, den Einsatzort und die Einsatzbedingungen der Soldaten auch tatsächlich mit eigenen Augen sehen können."
    Deutliche Kritik in Richtung EU
    Dafür viel vom türkischen Außenminister zum Kampf gegen den Terror und die aus seiner Sicht völlig maßlose Kritik aus Brüssel. Wer seid ihr, fragte er Richtung EU, dass ihr den Abbruch der EU-Beitrittsgespräche fordert. Gleichzeitig verteidigte er die Initiative für die Einführung der Todesstrafe. Das Volk will, dass die Verantwortlichen für den Putschversucht bestraft werden, sagte er: "Wir wissen, wer dahinter steckt", dann sprach er von Fethullah Gülen als einem Geisteskranken in Pennsylvania. Frank-Walter Steinmeier wiederum, konzedierte, es gebe Stimmen in der Europäischen Union, die einen Abbruch der Gespräche forderten: "Ich bin anderer Meinung und habe das auch kundgetan, weil ich sage, das ist eine Entscheidung, die hier in der Türkei getroffen werden muss."
    Cavusoglu kam dann wieder auf die Terrorbekämpfung, sprach nebulös von Doppelstandards und Heuchelei aufseiten der Europäer. Ein Schlussmoment in dieser Pressekonferenz, in der Steinmeier dann noch mal nachlegte:
    "Verehrter Kollege, lieber Mevlüt, lass mich nochmal klarstellen, damit kein Missverständnis im Raume bleibt: Wir verurteilen jede Form von Terrorismus. Die von IS genauso wie Terrorismus der PKK."
    Eher grimmig verabschiedete man sich von den Journalisten mit einem Händedruck. Es wäre überraschend, wenn die anstehenden, inzwischen bestätigten Gespräche mit Ministerpräsident Yildirim und Präsident Erdogan am Nachmittag herzlicher verlaufen.