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Steinmeier in Tunis
Warnung vor einfachen Antworten

Auf seiner Reise durch die Maghreb-Staaten kann Frank-Walter Steinmeier die Graustufen nach dem Arabischen Frühling besichtigen. Tunesien bietet den deutlichsten Gegenentwurf zur Gewalt in der Region. In Tunis ermunterte der Bundesaußenminister, Demokratie als Lebensprinzip wahrzunehmen.

Von Klaus Remme | 24.01.2015
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), aufgenommen am 24.01.2015 in Tunis (Tunesien), bevor er das Bundesverdienstkreuz an den tunesischen Ministerpräsidenten Jomaa verleiht. Steinmeier befindet sich auf einer viertägigen Reise durch die Maghreb-Länder in Nordafrika.
    Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier am Samstag in Tunis. (picture alliance / dpa / Lukas Schulze)
    "Ich würde mir wünschen, ich hätte frohe Botschaften im Reisegepäck", sagte Frank Walter Steinmeier am Beginn seiner Rede vor etwa 400 Studenten an der staatlichen Universität in Tunis. Stattdessen stellte er fest, Ja, diese Welt kann einem Angst einjagen, er als Außenminister teile diese Empfindung, er teile nach manchem Treffen der vergangenen Tage auch die Sehnsucht nach einfachen Antworten, die es nicht gebe: "Mir ist in den Jahren, die ich in der Politik verbracht habe, eines deutlich geworden. Und das durchzieht meine Rede als eine Botschaft: Hüte dich vor den einfachen Antworten."
    Er warnte vor Schwarz-Weiß Denken, und vor Demagogen, die einfache Antworten durch Feindbilder bieten, im Internet, ganz besonders lauf auf einigen deutschen Plätzen, wie er sagte und durch Islamisten die mit dem Finger auf Ungläubige weisen. Diese Reise durch die Maghreb Staaten bietet einen guten Blick auf unterschiedliche Graustufen nach Ausbruch des Arabischen Frühlings. Schon der vorsichtige Öffnungsprozess in Marokko bietet den Kontrast zum Chaos in Libyen oder Syrien. Tunesien jedoch bietet den deutlichsten Gegenentwurf zur Gewalt in der Region. Sie haben Bemerkenswertes geleistet, so der Bundesaußenminister: "Sie sich haben sich eine moderne Verfassung gegeben. Und zum ersten Mal in der Geschichte ihres Landes einen Staatspräsidenten in freien und fairen Wahlen bestimmt. Ich finde, darauf können Sie wirklich stolz sein. Und das strahlt aus in die ganze Region."
    Stärkere Zusammenarbeit in der Sicherheit
    Deutschland ist bereit, diese Entwicklung zu unterstützen und zu fördern, mit öffentlichen Programmen und privaten Investitionen. Denn neben dem Applaus für die Demokratisierung stimmt auch, mehrere Tausend Tunesier stehen im Kampf gegen den IS Terror auf der anderen Seite. Steinmeier will deshalb eine stärkere Zusammenarbeit, sicherheitstechnisch, bei der Strafverfolgung, durch Reiseauflagen. Gleichzeitig sei sicher richtig:
    "Egal wie viel Aufwand wir in den Sicherheitsapparat investieren, wir werden nicht jeden und radikalisierten Bürger überwachen können. Und deshalb müssen wir uns als Gesellschaften eine noch schwierigere Frage stellen: Wie kann es sein, dass so viele Menschen, die unter uns aufgewachsen sind, von Hasspredigern in den Bann gezogen werden?"
    Demokratie als Lebensform
    Es gelte, die Demokratie nicht nur als Staatsform, sondern als Lebensprinzip wahrzunehmen, Teilhabe, Chancengleichheit, Kommunikation – das seien wichtige Stichworte. Die Studenten hatten in dieser Hinsicht kaum Nachhilfebedarf, sie nutzten den prominenten Besuch, um für bessere Studienbedingungen zu demonstrieren. Zum Schluss widersprach Frank Walter Steinmeier all denjenigen, die an der Vereinbarkeit von Demokratie und Islam zweifeln. Die neue Verfassung Tunesiens biete den Beweis im Recht, jetzt muss er im Alltag ankommen, forderte der deutsche Außenminister. Er weiß, Antworten auf schwierige Fragen können dazu nicht aus Berlin kommen: "Machen Sie sich auf die Suche, nach den schwierigen Antworten. Vieles in dieser Welt, und nicht nur in der arabischen und im Maghreb, hängt davon ab, dass es Ihnen gelingt, dass diese Suche erfolgreich ist."
    Wenn es gelingen kann, dann, so konnte man hier den Eindruck gewinnen, dann in Tunesien, in Tunis, mit Studenten wie diesen. In wenigen Fragen nach der Rede wurde klar: Politisch selbstbewusst sind sie bereit für eine Perspektive zu arbeiten, sie wollen keine Geschenke, sie wollen Chancengleichheit.