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"Rheinneckarblog"
Aufregung um "Anschlag"

Eine erfundene Meldung über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim sorgt seit dem frühen Morgen für Verwirrung, Kritik und Aufregung im Netz.

25.03.2018
    Die Montage zeigt zwei Tweets über einen vermeintlichen, aber erfundenen Anschlag in Mannheim, einer vom "Rheinneckarblog", einer von der Polizei Mannheim.
    Die Montage zeigt zwei Tweets über einen vermeintlichen, aber erfundenen Anschlag in Mannheim, einer vom "Rheinneckarblog", einer von der Polizei Mannheim. (Screenshots Twitter / Dlf 24)
    Eine erfundene Meldung über einen angeblichen Terroranschlag in Mannheim sorgt seit dem frühen Morgen für Verwirrung und viel Kritik, aber auch für Aufregung im Netz.
    Die Internetplattform Rheinneckarblog hatte in der Nacht vom angeblich "größten Terroranschlag in Westeuropa" berichtet. Rund 50 Angreifer hätten mit Messern und Macheten mehr als 130 Menschen getötet und viele weitere verletzt, hieß es. Die Antiterroreinheit sei in Mannheim im Einsatz. Im Text finden sich Sätze wie "Überall in den Straßen liegen leblose Körper auf dem Boden".
    Wie der Betreiber der Plattform, Hardy Prothmann, und die Polizei inzwischen erklärten, handelt es sich dabei um eine frei erfundene Geschichte. Zuvor hatten sich besorgte Bürger bei Polizei und Feuerwehr gemeldet. Die Mannheimer Polizei betonte daraufhin auf Facebook und Twitter, dass der "geschilderte Sachverhalt (...) nicht real" sei.
    "...mit der Resonanz offenbar zufrieden."
    Der Betreiber gab das auch selbst direkt zu und verwies darauf, dass die Geschichte klar als Fake News zu erkennen gewesen sei. Später wurde der Artikel noch um entsprechende Hinweise ergänzt. Viele Leser reagierten dennoch empört - auch solche, die das sofort erkannt hatten.
    Der Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes, Frank Überall, sagte Dlf24 in einer Mail: "Der Rhein-Neckar-Blog hat dem Journalismus einen Bärendienst erwiesen. Der Text wurde ohne klare Kennzeichnung als Satire veröffentlicht. Es wurde sogar eine fiktive Nachrichtensperre erwähnt, so dass man den Eindruck gewinnen sollte, Klarstellungen von Polizei und Behörden seien nicht ernst zu nehmen. Das hat mit Journalismus nichts zu tun. Medien können und sollen gerne auch zugespitzte Debattenbeiträge veröffentlichen. Das muss dann aber klar erkennbar sein. Die Bevölkerung mit einem derart realistisch beschriebenen Horrorszenario zu konfrontieren, ist allenfalls politischer Aktivismus, der geeignet ist, das Vertrauen in die Medien und ihre Macher nachhaltig zu gefährden."
    Der Journalist Dietz Schwiesau kritisierte auf Twitter ebenfalls: "'Rheinneckarblog' verbreitet Falschmeldung - und ist mit der Resonanz offenbar zufrieden."
    Der Medienjournalist Daniel Bouhs twitterte: "Der 'Rheinneckarblog' zeigt mit der erfundenen und perfiderweise auch noch nachts platzierten "Terroranschlag in Mannheim"-Gesichte (sic!) IMHO, dass es sehr, sehr weit weg ist von seriösem Journalismus." IMHO steht für "in my humble opinion, als "nach meiner bescheidenen Meinung".
    Auch Patrick Gensing vom "Faktenfinder" der Tagesschau schreibt auf Twitter: "Der bisherige Tiefpunkt eines Abstiegs." Auf Facebook wird der Post des Rheinneckarblogs vielfach kommentiert, der Ton ist durchweg emotional und mitunter ziemlich vulgär. Es gibt Beschimpfungen und Beleidigungen, an denen sich auch Hardy Prothmann beteiligt.
    Ziel: Aufmerksamkeit erzeugen
    Prothmann veröffentlichte in seinem Blog inzwischen eine Erklärungeine Erklärung, was die Idee hinter dem Bericht gewesen sei: Man habe Aufmerksamkeit erzeugen wollen, zum einen für mögliche Bedrohungslagen, aber auch für Fake News. Die Idee für einen solchen Text habe es schon länger gegeben, der Text stütze sich aber auf "recherchierte Fakten, unsere Erfahrungen und Analyse": "Wir haben aktuelle Fakenews veröffentlicht, die morgen schon Realnews sein könnten."
    Prothmann betonte außerdem, dass Mannheims Oberbürgermeister und der Polizeipräsident seit Dezember 2017 über die Pläne für solch eine Geschichte informiert gewesen seien. Er räumte aber auch ein, dass beide darum gebeten hätten, keine Falschmeldung zu verbreiten.
    Prothmann ist Chefredakteur des Rheinneckarblogs und seit Jahren in der Szene der Lokalblogger aktiv. Er hat aber auch für regionale und überregionale Zeitungen und Medien gearbeitet.
    Der Rheinneckarblog ist online immer wieder nicht zu erreichen, die Seite öffnet sich nicht.