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Waffenruhe im Gazastreifen
Regierungskrise in Israel spitzt sich zu

Die Feuerpause mit der palästinensischen Hamas im Gazastreifen wird für die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu immer mehr zu einer Belastungsprobe. Mehrere Koalitionspartner haben sich für Neuwahlen ausgesprochen. Noch will Netanjahu davon nichts wissen.

Von Tim Aßmann | 16.11.2018
    Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem
    Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einer wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem (EPA Pool / AP / Abir Sultan)
    Schon bevor Israels Erziehungsminister in das Krisengespräch mit seinem Regierungschef ging, hatte Naftali Bennet klar gemacht, was er wollte. Bennet, Vorsitzender der Siedler-Partei Jüdisches Heim und Rechtsaußen in der israelischen Regierungskoalition, wollte den zurückgetretenen Verteidigungsminister Lieberman beerben, der aus Protest gegen die Feuerpause mit der palästinensischen Hamas im Gazastreifen die Brocken hingeworfen hatte. Er habe seinen Anspruch auf das Verteidigungsressort Ministerpräsident Netanjahu auch schon vorab mitgeteilt, erklärte Bennet am Abend vor dem Treffen vor Anhängern.
    "Ich wandte mich an den Premierminister, damit er das Amt des Verteidigungsministers mit einem ganz klaren Ziel an mich überträgt: dem, dass Israel wieder gewinnt. Ohne eine deutliche Änderung und ohne die Übernahme der Verantwortung wird die israelische Abschreckung weiter schwinden und die Hamas wird weiterhin keine Angst mehr vor uns haben. Deshalb stehe ich heute hier und sage: Ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen."
    Rund 70 der Israelis sind unzufrieden
    Doch daraus wird erst einmal nichts. Nach dem Gespräch zwischen Naftali Bennet und Benjamin Netanjahu erklärte das Büro des Premierministers: Netanjahu selbst übernimmt erst einmal das Verteidigungsressort. Der Regierungschef ist seit Jahren in Personalunion bereits auch Außenminister seines Landes. Naftali Bennet geht also leer aus und für diesen Fall hatte seine Partei bereits im Vorfeld mit dem Ausstieg aus der Regierungskoalition gedroht. Dann hätte Benjamin Netanjahus Bündnis keine Mehrheit im Parlament mehr. Diese Drohung machte das Jüdische Heim nun noch nicht wahr. Die Parteiführung forderte vorgezogene Neuwahlen. Dafür hatten sich zuvor schon zwei weitere Koalitionspartner Netanjahus ausgesprochen.
    Der Premierminister selbst versucht, seine Koalition zu retten. In einer Stellungnahme nannte es Netanjahu einen historischen Fehler, wenn sein Regierungsbündnis nun scheitere. Der Premier kann aktuell kein Interesse an Neuwahlen haben.
    Rund 70 der Israelis sind einer Umfrage zufolge unzufrieden mit dem Verhalten des Regierungschefs in der jüngsten Gaza-Krise. Dass Israel die von der Hamas und anderen bewaffneten Gruppen im Gazastreifen einseitig verkündete Waffenruhe akzeptierte und auf Angriffe verzichtet, halten viele Israelis für falsch, so wie dieser Mann, der mit anderen Bewohnern der Grenzregion zum Gazastreifen gegen die Politik seiner Regierung demonstrierte.
    "Ich erwarte von der Regierung, dass sie dieses Problem löst, dass sie den Raketenbeschuss der Grenzstädte beendet und dass wir Ruhe bekommen. Die Massenproteste der Palästinenser jeden Freitag müssen enden, damit wir Bürger hier in Frieden leben können und einen normalen Alltag haben."
    Benjamin Netanjahu hatte erklärt, er verstehe die Proteste der Grenz-Anwohner, aber er habe die Sicherheit ganz Israels im Blick zu behalten. Nun muss er womöglich bald das vorzeitige Ende seiner Regierungskoalition bekannt geben.