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Disziplinarordnung für Studierende
Arbeitsdienst und Geldstrafen an der Uni Zürich

Wer nicht pariert, wird zum Arbeitsdienst verdonnert, oder gleich zu einer saftigen Geldstrafe. Klingt drakonisch – wird aber schon bald Realität sein, wenn an der Universität Zürich die neue Disziplinarordnung gilt. Doch die Studierenden laufen dagegen Sturm.

Von Thomas Wagner | 29.06.2020
Der Eingang der Universität Zürich
Anfang September soll die umstrittene neue Disziplinarordnung an der Universität Zürich in Kraft treten (dpa / picture-alliance / Thomas Eisenhuth)
Bis zu 4.000 Schweizer Franken Geldstrafen, das wären über 4.000 Euro, drohen Studierenden, die sich nicht an die Regeln halten – oder bis zu 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit.
"Das beginnt bei unerlaubten Hilfsmitteln bei Prüfungen, bei Störungen des Universitären Betriebes, bis zu Plagiatsverstößen", erklärt Pio Steiner. Er ist stellvertretender Vorsitzender im "Verband der Studierenden der Universität Zürich."
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Das Studium europaweit vereinheitlichen – das war das Ziel des Bologna-Prozesses. Doch das Bachelor-Master-System hat sich nicht überall durchgesetzt. Die innereuropäische Mobilität der Studierenden hat aber zugenommen.
Die neue Disziplinarverordnung seiner Hochschule, die Anfang September in Kraft treten soll, liegt ihm schwer im Magen: 40 Stunden gemeinnützige Arbeit, ersatzweise 4.000 Schweizer Franken Strafe für eines der aufgeführten Vergehen – das erscheine als unverhältnismäßig viel und dürfte vor allem für diejenigen Studierenden, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, kaum zu stemmen sein. Die neue Disziplinarverordnung verstärke somit soziale Unterschiede, so der Haupteinwand von David Schnider, ebenfalls Vorstandsmitglied im "Verband der Studierenden":
"Das wäre das, was wir verhindern möchten, dass auch sozial benachteiligte oder Leute aus ärmeren Familien, dass da nicht die Familien der jeweiligen Studenten belangt werden, weil Studenten in der Regel ja kurz nach dem Studium nicht gut verdienen."
Daran ändere auch die Rangfolge der vorgesehenen Sanktionen nichts: Die neue Disziplinarverordnung sieht vorrangig gemeinnützige Arbeitseinsätze bei Verstößen vor.
Nur wer die nicht leisten wolle, müsse die Geldstrafe bezahlen – was nach der Lesart der Studierendenvertreter dazu führt, dass sich Töchter und Söhne reicher Eltern regelrecht "freikaufen" können. Das sei nicht akzeptabel. Und noch eines stößt ihnen übel auf: Die Aufwertung des Universitätsanwaltes, der bei geringeren Strafen über die Verhängung eigenständig entscheiden kann.
"Die Entscheidung ist subjektiv"
"Das heißt: Dass das nicht durch die Disziplinarkommission geregelt wird, sondern dass der Universitätsanwalt frei über die Strafmaßnahmen und Geldleistungen bis 1.000 Franken verfügen kann", so Pio Steiner. Und genau dies sehen er und sein Vorstandskollege David Schnider kritisch:
"Definitiv. Die Entscheidung ist subjektiv. Unserer Meinung: Sinnvoller wäre es, wenn ein Gremium dahinter stünde. Ja, also dadurch, dass es eine Person ist, macht es die Sache verzwickter."
Kurzum: Den Studierendenvertreter schmeckt die neue Disziplinarverordnung mit Geldstrafen und ‚Straf-Arbeitseinsätzen‘ ganz und gar nicht. In einer schriftlichen Stellungnahme betont die Universitätsleitung auf Anfrage des Deutschlandfunks dagegen, dass eine Überarbeitung des Disziplinarverordnung längst überfällig war. Die alte Verordnung sei bereits vier Jahrzehnte alt und längst nicht mehr zeitgemäß, …
"weil in der heutigen Zeit Fälle von unlauterem Prüfungsverhalten – etwa Plagiate oder die Verwendung unlauterer Mittel – die meisten Verfahren ausmachen. Dies im Gegensatz zu den 1970er Jahren, als die bisher gültige Disziplinarverordnung entstand. Damals ging es vor allem darum, störende Studierende zu maßregeln."
Doch auch die neue Ordnung sanktioniert "Störungen des universitären Betriebes", und dies nach Ansicht der Studierendenvertreter heftiger als bisher. Und was heißt schon "Störungen des universitären Betriebes?" fragt sich Pio Steiner:
"Es könnte sein, dass eine Person, welche eine politische Demonstration an der Universität Zürich organisiert oder auch nur mitmacht, dann mit gemeinnütziger Arbeit belangt wird, welches nicht wirklich zielführend ist."
Meinungsfreiheit gefährdet
Letztlich gefährde damit die neue Disziplinarordnung auch das Recht auf ein offenes politisches Wort der Studierenden.
"Die studentische Meinungsfreiheit könnte dadurch sehr stark leiden, wenn tatsächlich mehr Vergehen bestraft würden in Zukunft."
Ein Einwand, den die Universität Zürich selbst in ihrer schriftlichen Stellungnahme wiederum zurückweist:
"Politische Aktionen sind an der Universität Zürich bis anhin möglich, sofern sie den Unibetrieb nicht stören und nicht gegen geltendes Recht verstoßen."
Dem "Verband der Studierenden der Universität Zürich" ist das zu wenig. In Gesprächen mit der Universitätsleitung und Mitgliedern des Universitätsrates, der die neue Diziplinarverordnung beschlossen hat, wollen die Studierendenvertreter auf eine Abmilderung der vorgesehenen Strafen drängen – Strafen, die mit als die höchsten in der ganzen Schweiz gelten. David Schnider sagt: "Wenn ich mich nicht täusche, ist die UZH dort mehr oder weniger vorgeprescht und hat dementsprechend eine Vorreiterrolle gespielt. Und das sollte so nicht sein! Weil: Meinungsfreiheit für Studenten ist wichtig, ohne dafür belangt zu werden."