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Stell deine Neurosen ins Netz und du bist sie los

Auf der "Cologne Conference" werden ab Sonntag in Köln neueste Filme und Fernsehserien einem breiten Publikum vorgestellt. Ein Highlight: die Webserie "Dr. Hanno Verbier". Das Projekt mit Hanns Zischler in der Hauptrolle parodiert unseren Umgang mit dem Internet.

Von Susanne Luerweg | 23.09.2011
    "Bei der Expositionsmaßnahme nach Verbier gehen wir die neurotischen Störungen konfrontativ an",

    sagt der Psychotherapeut Dr. Hanno Verbier.

    "Dabei wird der Patient auf Video aufgenommen. Er veröffentlicht seine inneren Konflikte durch Exposition im öffentlichen und privaten Raum. Das aufgezeichnete Video findet seinen Weg ins Internet www und wird dort weltweit veröffentlicht. Durch die globale Aufmerksamkeit löst sich die Neurose vom Patienten und verschwindet im Weltmeer der Neurosen im Verhältnis 1 zu Bodensee."

    Eine steile These. Aufgestellt vom behandelnden Therapeuten persönlich – und zu sehen und zu hören in der Webserie "Dr. Hanno Verbiers Expositionsmaßnahme". Auf den ersten Blick hat der Betrachter den Eindruck, tatsächlich einer neuen Therapieform beizuwohnen. Heilung durch öffentliches Zuschaustellen von Problemen. Gib deine Neurosen dem Netz und du bist sie los, lautet die Devise. Stutzig wird der geneigte Zuschauer, weil es nur einen Patienten gibt. Patient Null.

    "Das ist gut für Sie, Gerd.
    Sie exponieren sich vor allen.
    'Ich bin der König der Welt.'
    Merken Sie, wie ihre Neurosen sich von ihnen lösen?"

    Patient Gerd taucht jeden Montag in einem neuen Video auf der Homepage von Dr. Hanno Verbier auf. Einmal als König der Welt – da turnt er auf einem Baum im Park herum –, einmal als Freund von Dr. Verbiers Schwester oder auch hypnotisiert in Hannos Praxis auf der Liege. Jede Sitzung wird aufgezeichnet, ins Netz gestellt und auf Facebook anschließend diskutiert.

    "Die Facebook-Profile erzählen ja immer viel über die Charaktere. Demnach ist Hanno Verbiers Facebook-Profil sehr auffällig, er hat sehr viele Freunde und äußert sich auch sehr oft. Gerd Sacher ist genau das Gegenteil. Er kommt nicht damit klar, dass ihn Freunde anfragen, er kommt nicht damit klar und ignoriert das jetzt erst mal."

    Jens Schillmöller ist einer der Macher der Serie. Zusammen mit zwei Kollegen hat er Dr. Hanno Verbier erfunden. Der Reiz, eine Serie für das Netz zu produzieren, liegt für die Regisseure unter anderem in den vielschichtigen Verbreitungswegen und den Interaktionsmöglichkeiten. Sebastian Poerschke:

    "Der Charakter oder die Person Dr. Hanno Verbier hat ein Facebook-Account, schreibt ne Kolumne auf meinesüdstadt.de usw. Und der Patient Gerd Sacher schreibt Beiträge über Bücher auf Amazon, hat einen Flickr-Account, wo er seine absurden Fotos hinstellt."

    Webserien sind der neue Trend. Besonders junge Filmemacher nutzen die Möglichkeit, nonlinear zu erzählen. Bei Dr. Hanno Verbier gibt es keine fortlaufende Handlung. Die Folgen sind mal drei, mal 46 Minuten lang. Der Patient ist nie geheilt. Der Therapeut drängt immer stärker in die digitale Öffentlichkeit. Die Serie nimmt das Online-Leben gekonnt auf die Schippe.

    "Track 31: Das Internet Web 2.0 ist ja nichts anderes als ein Riesenpool von Expositionstherapiepatienten. Also wer sich bei Facebook einträgt oder bei Flickr oder MySpace, macht letztendlich nichts anderes, als seinen Profilneurosen Raum zu geben."

    Die Expositionsmaßnahme nach Verbier bietet Profilneurotikern eine perfekte Bühne. Streckenweise erinnern die Dialoge an Woody-Allen-Filme, gewürzt mit den Zutaten des digitalen Zeitalters.

    Patient Null wird dargestellt von Piet Fuchs, und Dr. Hanno Verbier ist kein Geringerer als Hanns Zischler. Er agiert mit unglaublicher Energie und echtem Engagement. Kein Wunder, dass er als Hanno Verbier immer wieder Therapieanfragen erhält, User seine Methoden heftig kritisieren und er schon 1605 Facebook-Freunde hat.

    "Exponieren Sie sich. Haben Sie keine Angst. Ihre Neurosen sind der Star. Ich freue mich auf Sie: Ihr Dr. Hanno Verbier."