Steppenbeben

Von Ulla Lachauer · 10.09.2013
"Lauft ins Freie!", riefen die Rotarmisten. Kurz darauf bebte die Steppe, Blitze durchzuckten den Himmel. Dann Rauch, "Satansfaust" nannten die Kasachen das Phänomen, ihre schwäbischen Nachbarn, die Stalin in die Steppe verschleppt hatte, sagten "Pfifferling". Keiner der Dorfbewohner wusste, was genau das war.
Von 1949 bis 1989 wurden in der Steppe bei Semipalatinsk 461 Mal Atombomben getestet – und deren Wirkung auf Menschen. Viele wurden alle Jahre in ein geheimes Krankenhaus beordert, Befunde wurden ihnen nicht mitgeteilt. Sie aßen weiterhin Gemüse aus ihren Gärten, Fische aus den verseuchten Seen.

In Deutschland leben etwa 40.000 Augenzeugen und Leidtragende dieser Tests - Russlanddeutsche, Russen, Kasachen. Viele sind krank davon. Kinder und Enkel kommen behindert zur Welt. Jetzt erst werden ihnen die Zusammenhänge klar. Zum ersten Mal wagen sie es, ihre Stimme zu erheben und Forderungen zu stellen.

DLF 2013