Franziska Gerstenberg: "So lange her ..."

Geschichten des Alltags

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Die Schriftstellerin Franziska Gerstenberg © imago/gezett
Von Manuela Reichart · 01.04.2016
Franziska Gerstenberg ist Jahrgang 1979 und hat am Literaturinstitut in Leipzig studiert. Sie ist vor allem durch ihre Erzählungen bekannt geworden. Jetzt gibt es einen neuen Band: "So lange her, schon gar nicht mehr wahr" - atmosphärisch dicht und psy­cho­logisch genau.
Die Trennung scheint freundlich und einvernehmlich, der Ex-Mann kommt stets vorbei, wenn sie ihn braucht. Und sie lernt scheinbar mühelos, alleine zu leben, Silvester ohne ihn zu verbringen. Ist alles nicht so schlimm. Sie bleiben befreundet, und er hilft ihr auch beim Autokauf, denn sie macht nun tatsächlich den Führerschein. Aber sie hasst das Autofahren und das Auto.
Als sie in der Werkstatt dem netten Mechaniker begegnet, kommt es in einem Schwall aus ihr heraus: Ob er nicht das Auto vor ihre Tür fahren, eine Parklücke suchen, sich um den TÜV kümmern und sie außerdem heiraten könne. Eine Geschichte mit glücklichem Ausgang. Die Frau will nicht alleine leben, nicht selbstständig sein - und muss das auch nicht.

Ohne eindeutiges Ende

Die anderen Erzählungen in diesem Band gehen weniger gut aus. Da ist der junge Mann, der meint, er sei zu dumm für den Erfolg, er hat es zu nichts gebracht, sehnt sich aber nach einem glücklichen Leben mit der Freundin. Er versteht nicht, warum sie ihn verlässt, warum sie seine Gewalttätigkeit nicht verzeiht. Kein froher, vielmehr ein bedrohlicher Schluss, auch wenn die Autorin den Gewaltexzess, in dem dieses Unglück enden wird, unserer Fantasie überlässt. Oft haben diese Geschichten kein eindeutiges Ende.
Franziska Gerstenberg lässt offen, ob der altgediente Ehemann ein Lügner oder die angebliche Geliebte eine Stalkerin ist, ob das junge Paar, das so unterschiedliche Wünsche hat, beieinander bleibt und ob der Freund einer alleinerziehenden Mutter ein Kinderschänder ist. Atmosphärisch ungemein dicht und psychologisch genau wird in diesen acht Erzählungen von Lebensträumen und Alltagsschrecknissen erzählt.
Die Menschen sind auf der Suche nach dem Glück und finden stattdessen unsichere Verhältnisse. Nur die Frau, die nicht emanzipiert sein will, strahlt über ihr ganz und gar unvorhergesehenes wunderbares Familienleben.

Franziska Gerstenberg: "So lange her, schon gar nicht mehr wahr"
Schöffling & Co, Frankfurt am Main 2016
239 Seiten, 19,95 Euro

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