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"Steuererhöhungen kann es gar nicht geben"

Den Wählerwillen umzuinterpretieren, nur um SPD oder Grüne glücklich zu machen, wäre absurd, kritisiert der bayerische Finanzminister Markus Söder. Der CSU-Politiker hält das für einen absoluten Fehler. Stattdessen erwartet er ein klares Signal der SPD, um eine Lähmung des Landes zu verhindern.

Markus Söder im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 27.09.2013
    Tobias Armbrüster: Es ist Tag fünf nach der Bundestagswahl, und obwohl es noch nicht mal Sondierungsgespräche gibt, können wir uns offenbar schon einmal auf Steuererhöhungen einstellen. Zumindest haben wir das in dieser Woche von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gehört, und allgemein werden diese Äußerungen interpretiert als Entgegenkommen an die SPD, so eine Art Balzgesang also vor möglichen Sondierungsgesprächen. – Am Telefon ist jetzt Markus Söder (CSU), Finanzminister in Bayern. Schönen guten Morgen!

    Markus Söder: Guten Morgen, grüß Gott.

    Armbrüster: Herr Söder, stellen Sie sich auch schon mal auf Steuererhöhungen ein?

    Söder: Nein, absolut nicht. Steuererhöhungen kann es gar nicht geben. Man darf ja nicht vergessen: Die Wähler haben klar Steuererhöhungen eine Absage erteilt. Das war ja das große Thema auch von Angela Merkel, von CDU/CSU im Bundestagswahlkampf, und die Bürger wollten genau nicht diese Steuererhöhungen von SPD und Grünen. Es wäre geradezu absurd, wenn der Wählerwille jetzt uminterpretiert wird, nur um eine Koalition zu schaffen und Teile einer Partei, nämlich SPD oder Grüne, glücklich zu machen.

    Armbrüster: Dann können wir festhalten: Sie schließen Steuererhöhungen aus?

    Söder: Wir wollen auf keinen Fall Steuererhöhungen. Das wäre ein absoluter Fehler. Es wäre übrigens auch ein strategischer Fehler für die Union, wenn sie jetzt ein so grundlegendes Wahlversprechen, eine grundlegende Wahlaussage einfach ändern würde. Das geht nicht.

    Armbrüster: Aber wenn die Steuererhöhungen dann doch in wenigen Wochen in einem Koalitionsvertrag drinstehen, können wir dann sagen, Söder hat gelogen?

    Söder: Zunächst einmal glaube ich auf keinen Fall, dass das passieren kann. Die SPD muss sich jetzt mal bewegen. Es geht doch hier nicht darum, dass sich die Union bewegen muss, sondern das größte Land in Europa, die wichtigste Wirtschaftsnation, eine der wichtigsten der Welt, muss regierungsfähig sein. Und der Wählerauftrag war klar.

    SPD und Grüne müssen jetzt entscheiden, ob sie sich der Verantwortung für Deutschland stellen, oder lieber Parteitaktik machen. Ich glaube, da steht am Ende dann genau diese Entscheidung, die man machen muss: Zählt die Partei mehr oder das Land. Deswegen liegt die Frage der Bewegung nicht bei Union, sondern eher bei SPD und Grünen.

    Armbrüster: Wie beurteilen Sie denn das, was sich da gerade bei der SPD tut?

    Söder: Schwer abzuschätzen. Natürlich ist eine schwere Wahlniederlage – das ist es ja – schwer zu verdauen. Natürlich verstehe ich auch die einzelnen Befindlichkeiten. Nur wenn ich die ganzen Talkshows dieser Woche, beispielsweise Herrn Stegner sehe, und jeden Tag höre, dass er nur darüber philosophiert, wie dann die Ausgangslage für die nächste Wahl 2017 wäre, dann stellt sich schon die Frage, geht es jetzt solchen Funktionären der SPD mehr um die eigenen Interessen, mehr um die Interessen der Partei, oder mehr um die Frage, wie jetzt regiert werden kann. Wir müssen doch jetzt regieren und nicht an Wahlen von 2017 denken!

    Armbrüster: Na ja. Aber Sie müssen auch sehen, dass Ihre Partei oder die Union zumindest knapp an der absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt ist. Sie brauchen einen Koalitionspartner. Also kann man nicht überrascht sein, wenn der Koalitionspartner Forderungen stellt.

    Söder: Ja, das wäre schon ganz klar. Aber es muss natürlich angemessen und vernünftig sein. Wenn Rot beispielsweise sagt, sie wollen nicht Rot-Rot-Grün machen, wenn sie das klar sagen, also wenn sie keine Zusammenarbeit mit einer Linkspartei machen bei einer knappen Mehrheit im Bundestag, dann bleibt ja für demokratische Parteien gar nichts anderes übrig, als eine vernünftige Lösung zu finden.

    Und die Stabilität des europäischen Kontinents hängt mit an der Stabilität der deutschen Regierung. Insofern geht es hier ja um viel mehr, verstehen Sie, als nur um die Frage, wie fühlt sich eine Partei. Wir haben auch eine Verantwortung und dieser Verantwortung, der muss man gerecht werden. Dass es immer Einzelaspekte gibt, die in einer Koalition diskutiert werden, ist doch klar, aber man kann nicht von vornherein sagen, es geht zunächst um die Befindlichkeit einer Partei, die zumal bei der Bundestagswahl nicht gut abgeschnitten hat.

    Armbrüster: Wäre es nicht auch ein leichtes Spiel für die CDU oder die Union insgesamt, eine Minderheitsregierung einzugehen?

    Söder: Deutschland braucht eine stabile Regierung. Minderheitsregierungen sorgen für Instabilität.

    Armbrüster: Aber glauben Sie nicht, dass Sie, wenn es darauf ankommt, diese drei, vier, fünf Stimmen zusammenbekommen, die Sie brauchen?

    Söder: Für jede Entscheidung dann immer? Für die Wahl einer Kanzlerin bestimmt. Aber für die anderen Fragen? Ich halte von Minderheitsregierungen persönlich nichts. Ich halte die für außerordentlich schwierig. Da glaube ich dann auch eher, dass man am Ende einen anderen Weg geht, indem man dann eher die Bevölkerung befragen will. Das, glaube ich, wollen aber viele andere auch nicht. Das will ja SPD und Grüne erkennbar auch nicht, ist ja auch schwer im Moment.

    Bei den Grünen spüren Sie ja, da ist völlig neues Personal. Gerade in der Anmoderation haben Sie ja schon gesagt: jeden Tag ein neuer Name. Das ist in der Tat wahr. Und die SPD muss das jetzt einfach mal für sich klären. Das ist auch in Ordnung übrigens, dass sie das klärt. Allerdings kann es nicht sein, dass man ein halbes Jahr mit zig Mitgliederbefragungen dann Deutschland lähmt. Das darf auch nicht sein.

    Armbrüster: Aber die Grünen wären für Sie grundsätzlich auch ein Koalitionspartner?

    Söder: Man wird auch mit den Grünen reden. Aber normalerweise und klar ist die Präferenz immer gewesen, dass man sagt, Schwarz-Rot, weil es ist von der Grundaussage, von den Herausforderungen in Europa natürlich immer die stabilste Regierung, die breiteste Regierung. Und bei den Grünen - in der Tat: Die Grünen streiten über Inhalt, Kurs und vor allen Dingen auch noch über Personen. Völlig unabsehbar, wer sich da durchsetzt. Insofern gilt normalerweise …

    Armbrüster: Na ja, sie reformieren sich jetzt ja gerade. Wir hören ja von einem Personalwechsel an der Spitze.

    Söder: Das wird sich zeigen. Es wird sich zeigen, wie das stattfindet, was sich dann am Programm ändert. Man hat immer gesagt, man wird auch da abwarten und schauen, was passiert. Aber zunächst einmal liegt der berühmte Ball eben nicht jetzt da in unserem Spielfeld, sondern heute beim Parteikonvent der SPD.

    Armbrüster: Und was erwarten Sie von dem?

    Söder: Ich glaube, dazu kann ich schwer etwas sagen. Ich kenne auch die inneren Befindlichkeiten nicht. Ich will auch der SPD zunächst mal keinen Ratschlag geben, wie sie intern diskutiert. Vom Ergebnis her hoffe ich, dass dann ein etwas klareres Signal kommt, in welche Richtung es gehen muss, und das Signal muss eher heißen, wollen wir oder wollen wir nicht, anstatt jetzt vielleicht zu sagen, wir müssen es noch mal verschieben, wir müssen noch drei Voten machen, wir müssen in jedem Landesverband ein Mitgliedervotum machen. Das Beste wäre, wenn wir keine Lähmung haben, sondern ein Signal, in welche Richtung es jetzt weitergeht. Das wäre wichtig heute.

    Armbrüster: Herr Söder, wir haben zum Konvent und zur Erwartung auch an die Union vor gut einer dreiviertel Stunde hier im Deutschlandfunk mit Hilde Mattheis aus dem SPD-Vorstand gesprochen, und sie hat uns gesagt, wir sollen Ihnen, Herr Söder, das hier ausrichten. Hören wir mal rein:

    O-Ton Hilde Mattheis: "Wenn er sagt, die SPD hat ein wunderbares Regierungsprogramm, und wir stimmen dem zu, dann hätte ich das ganz gerne schriftlich von ihm. Das dürfen Sie ihm dann sagen."

    Armbrüster: Das wären also Ihre Bedingungen für eine Koalition. – Was sagt Ihnen so was über die SPD?

    Söder: Na ja, wenn die Wähler das so gefunden hätten, hätten sie die SPD auch gewählt, oder? Wenn das Regierungsprogramm so toll gewesen wäre, dann hätte ja die absolute Mehrheit bei der SPD sein müssen. Ich finde, man sollte ein bisschen Respekt vor den Wählern haben. Das ist das Entscheidende.

    Bei den Grünen übrigens spüre ich das, dass die sich überlegen, da haben Sie recht, oh, die Wähler wollten das nicht, was wir haben, wir müssen unseren Weg ändern. Ich finde, dieser, sagen wir mal, Prozess der normalen Vernunft, der praktischen Vernunft des demokratischen Respekts, der tut auch nicht weh, wenn der beim SPD-Konvent eine Rolle spielt.

    Armbrüster: In der Großen Koalition, da plädieren Sie jetzt dafür, da wäre die CSU allerdings, Herr Söder, auch der mit Abstand kleinste Partner. Wäre das ein Problem für Sie?

    Söder: Nein. Bayern ist immer stark und die CSU auch. Wir haben ja auch zum Unionswahlerfolg den überproportional stärksten Anteil erbracht. Also da mache ich mir überhaupt keine Sorge. Im Übrigen ist unser Parteivorsitzender einer der stärksten Politiker in Deutschland. Also da hätte ich jetzt keine Sorge, Bayern bleibt stark.

    Armbrüster: Wenn Sie jetzt Steuererhöhungen ausschließen, können Sie uns andere Punkte sagen, wo Sie sagen würden, da kommen wir der SPD entgegen?

    Söder: Ich finde, das ist heute nicht der Zeitpunkt, wo man irgendwelche Entgegenkommen-Punkte macht, sondern zunächst einmal muss die SPD grundlegend die Frage klären, stellt sie sich der demokratischen Verantwortung. Dann wird verhandelt, dann wird über Punkte geredet, aber nicht umgekehrt. Ich mache nicht von vornherein irgendwelche Angebote und Programme.

    Die Union hat eines gesagt: Wir sind bereit zu den Gesprächen, wir sind bereit, miteinander zu versuchen, Deutschland zu regieren, dann schauen wir, ob es klappt. Aber der Punkt, da muss jetzt erst die Hürde überwunden werden: Will die SPD oder will sie nicht. Diesen Sprung muss sie schon machen.

    Armbrüster: Was ist denn zum Beispiel mit dem Betreuungsgeld? Muss die SPD das auch akzeptieren?

    Söder: Na ja, stellen Sie sich mal vor: Das ist ja deswegen schon ganz erfolgreich, weil es Tausende von Familien wollen. Jetzt stellen Sie sich mal vor: Es kann doch nicht der erste Schritt einer Bundesregierung sein, Tausenden von Familien, übrigens im grün-roten Baden-Württemberg sogar am meisten, fast mehr als in Bayern, Geld wieder wegzunehmen. Das, glaube ich, wäre ein schlechter Schaden für die Bundesrepublik Deutschland und für das Vertrauen zu einer Regierung, wenn sie das tun würde. Das Betreuungsgeld muss schon bleiben.

    Armbrüster: Herr Söder, auch in der bayerischen Landesregierung werden ja gerade die Karten neu gemischt, nach der Landtagswahl vor zwei Wochen. Bleiben Sie Finanzminister?

    Söder: Das entscheidet alles der Ministerpräsident, und bis dahin wird man sehen.

    Armbrüster: Und kriegen Sie von dem irgendwelche Botschaften?

    Söder: Wir haben klar gesagt, nächste Woche haben wir Fraktionswahl, dann ist die Wahl des Ministerpräsidenten, dann des Kabinetts. Das ist wie immer das Gleiche, und da ist es gut, wenn das auch so bleibt.

    Armbrüster: Markus Söder war das, der bayerische Finanzminister, live hier bei uns in den "Informationen am Morgen". Besten Dank, Herr Söder, für das Gespräch.

    Söder: Danke auch!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.