Samstag, 20. April 2024

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Steuerermittlungen gegen den DFB
Aufräumarbeiten und immer neue Affären

Wieder einmal schreibt der DFB negative Schlagzeilen. Eine Razzia sorgte unter der Woche für Wirbel, es geht um den Verdacht der Steuerhinterziehung. Niemand sei mehr davon überrascht, meint der Journalist Marcus Bark im Dlf-Sportgespräch. Doch auch die aktuelle Steuer-Affäre könnte noch nicht die letzte sein.

Marcus Bark, Thomas Kistner und Jan Christian Müller im Gespräch mit Matthias Friebe | 11.10.2020
07.10.2020, xjhx, Fussball, Polizei Razzia DFB - wegen Verdacht auf Steuerhinterziehung, emspor, v.l. Die Steuerfahndung, die Polizei und das BKA durchsuchen die Zentrale des Deutschen Fussball Bund wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung Frankfurt am Main *** 07 10 2020, xjhx, Football, Police raid DFB on suspicion of tax evasion, emspor, v l The tax investigation department, the police and the BKA search the headquarters of the German Football Association on suspicion of tax evasion Frankfurt am Main
Verdacht auf schwere Steuerhinterziehung: Durchsuchung in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main (imago images / Jan Huebner)
Nach diversen Affären - unter anderem in Steuerangelegenheiten - gibt es erneut Ermittlungen gegen gegenwärtige und ehemalige DFB-Funktionäre. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt verdächtigt sie der schweren Steuerhinterziehung und durchsuchte in dieser Woche die Geschäftsräume des DFB in Frankfurt und Privatwohnungen von sechs gegenwärtigen und früheren DFB-Verantwortlichen.
Sie sollen in den Jahren 2014 und 2015 Einnahmen aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Fußball-Nationalmannschaft bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt haben, "damit der DFB insoweit einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entging", teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt mit.
Müller: Sommermärchen-Affäre wirkt bis heute nach
Für den Verband bedeute das ein "ganz derber Rückschlag", da der DFB seit Jahren und auch sein seit einem Jahr amtierender Präsident Fritz Keller behaupteten, für Transparenz eintreten zu wollen, sagt der Sportjournalist Marcus Bark. Das Schlimme sei, dass es niemanden mehr überrasche, dass es negative Schlagzeilen über den DFB gibt.
Frankfurt/Main: Polizei steht vor der DFB-Zentrale. 
Verdacht auf Steuerhinterziehung beim DFB - "Die Strukturen laden dazu ein, sich zu bereichern"
Dem Deutschen Fußball-Bund droht Ärger in Steuerangelegenheiten. Im Dlf sprach sich der Ökonom Wolfram Richter dafür aus, den DFB in einen gemeinnützigen und einen kommerziellen Bereich aufzuspalten und kritisierte die Politik, dass sie bei den Gewinnen der Sportorganisationen nicht richtig hinschaue.
Jan Christian Müller von der Frankfurter Rundschau stellt fest, "dass noch immer dieser dunkle Schatten des Sommermärchens über dem DFB liegt". Dem DFB würden "alle Schlechtigkeiten dieser Welt" zugetraut. Bei der Sommermärchen-Affäre geht es im Kern um zehn Millionen Franken, die vom deutschen OK-Chef für die WM 2006, Franz Beckenbauer, an den katarischen Fußball-Funktionär Mohammed bin Hammam flossen. Was dahinter steckte, wurde bislang nicht aufgeklärt.
Thomas Kistner, Sportjournalist bei der Süddeutschen Zeitung, sieht es so: Franz Beckenbauer als zentrale Figur sei zugleich über viele Jahrzehnte die Lichtgestalt der Nation gewesen. Das wirke sich auch auf die schleppenden Ermittlungen aus: "Da geht man natürlich nicht mit dem großen Besteck ran."
Die Rolle von DFB-Präsident Fritz Keller
Beim DFB sieht Kistner grundsätzlich eine Haltung der Unantastbarkeit. Ein Grund dafür sei die Vernetzung des Verbandes mit wichtigen Politikerinnen und Politikern. Marcus Bark findet ein gewisses Auftreten typisch für den DFB: "Uns kann keiner was." Bei den aktuellen Ermittlungen verwundert ihn das Vorgehen des Fußballverbandes. Dort habe man von den Schwierigkeiten bei der Versteuerung der Bandenwerbung gewusst. Er frage sich: "Warum macht man keine Selbstanzeige oder warum geht man nicht an die Öffentlichkeit?" Damit hätte man der Angelegenheit aus Barks Sicht die Dramatik nehmen können, die sich nun in den Razzien gezeigt habe.
Bark verweist auf DFB-Präsident Fritz Keller, der vor einem Jahr mit dem Vorsatz angetreten sei, für Transparenz zu sorgen und den DFB in ruhigere Fahrwasser zu bringen. Keller sei anfangs überfordert gewesen, so Müller: "Jetzt hatte man den Eindruck, dass er ein bisschen Boden unter den Füßen bekommt, seinen Laden in den Griff bekommt." Die Steuerrazzia sei ein Rückschlag. "Er hat es nicht geschafft, eine Agenda aufzusetzen", so Bark über Keller.
Kistner rechnet mit wichtigen Erkenntnissen für die Behörden
SZ-Journalist Kistner konstatiert für den DFB: "Wann immer eine Affäre oder Ermittlungsbehörden einen Kopf der Hydra abschlagen, wächst eben irgendein anderer nach, der aber aus der gleichen politischen Entwicklungsgeschichte stammt." Sportfunktionäre kämen immer aus demselben Milieu.
Im DFB würden sich Funktionäre mit den Aufräumarbeiten der Sommermärchen-Affäre beschäftigen "und dabei sind sie selbst schon von einer eigenen, neuen Affäre eingeholt worden." Kistner vermutet, dass die Ermittlungsbehörden bei der Steuerrazzia bewusst oder im Beifang an weitere Dokumente gekommen seien, "dass man jetzt sicherlich auch noch Licht in andere Vorgänge bringen kann".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.