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Steuerhinterziehung
Bundestag beschließt automatischen Informationsaustausch

Wer Steuern hinterziehen will, soll es künftig deutlich schwerer haben. Denn Deutschland wird sich ab 2017 am automatischen Informationsaustausch beteiligen, zu dem unter anderen auch Liechtenstein und die britischen Kanalinseln beitragen. In der Praxis wird sich allerdings zeigen, ob er hält, was die Koalition sich davon verspricht.

Von Theo Geers | 12.11.2015
    Dienstmarke eines Steuerfahnders auf einer Akte des Finanzamts
    Steuern hinterziehen wird ab 2017 deutlich schwieriger. (dpa / picture-alliance / Uli Deck)
    Ab 2017 werden die Maschen, durch die Steuerbetrüger bislang noch hindurchschlüpfen können, noch enger geknüpft. Und Deutschland ist Teil dieses enger werdenden Netzes. Mittel zum Zweck ist der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten, für den der Bundestag am Nachmittag den Weg einstimmig frei machte. Aus Sicht der Großen Koalition ist dies ein Meilenstein im Kampf gegen grenzüberschreitende Steuerflucht und Steuerhinterziehung, so Mathias Middelberg (CDU): "Das ist ein maßgeblicher Schritt zur Bekämpfung Steuerhinterziehung. Länder, die unterzeichnen, stehen als Fluchtort nicht mehr zur Verfügung."
    Im Oktober letzten Jahres hatten 51 Staaten beschlossen, sich künftig - und das ist das Entscheidende - automatisch über die Kapitaleinkünfte zu informieren, die ihre Bürger im jeweils anderen Land erzielen. Inzwischen haben sich diesem Vertrag über 60 Staaten angeschlossen, darunter die Schweiz, Luxemburg oder Liechtenstein, aber auch Großbritannien einschließlich seiner Kanalinseln und Überseegebiete wie den Bermudas oder den Cayman-Islands. Einmal im Jahr müssen die Banken eines Landes nun Informationen über Zinsen, Dividenden, Einnahmen aus Versicherungsverträgen, über Guthaben und über Erlöse aus dem Verkaufe von Wertpapieren an eine Behörde melden. Ist der Anleger ein Deutscher, werden diese Informationen automatisch über das Bundeszentralamt für Steuern an das zuständige Finanzamt weiter geleitet. Parteiübergreifend ist dieser automatische Informationsaustausch von Kontodaten einerseits ein Erfolg, anderseits auch wieder nur ein Zwischenschritt. Denn wenn ab 2017 die massenhafte Steuerhinterziehung nicht mehr möglich ist, entfällt nicht nur aus Sicht von Lisa Paus von den Grünen auch die Berechtigung, Kapitaleinkünfte mit der Abgeltungssteuer von 25 Prozent pauschal zu belegen.
    Doch der daraus abgeleiteten Forderung, die Abgeltungssteuer schon jetzt gleich mit abzuschaffen, wollten Union und SPD noch nicht folgen. Sie wollen erst abwarten, ob der jetzt beschlossene automatische Informationsaustausch in der Praxis das hält, was er auf dem Gesetzespapier verspricht. Damit allerdings dürften die Tage der Abgeltungsteuer gezählt sein. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble hat bereits angedeutet, dass mit Einführung des Informationsaustauschs die Abgeltungssteuer ihre ursprüngliche Begründung verloren hat. Sie war 2009 eingeführt worden, um sicher zu stellen, dass Kapitaleinkünfte aus dem Ausland zumindest mit 25 Prozent erfasst werden. Die Steuer wird allerdings anonym überwiesen, die Steuerschuld ist mit dieser Pauschalzahlung abgegolten. Sollte die Abgeltungssteuer abgeschafft werden, würden Kapitaleinkünfte wieder mit dem Einkommenssteuersatz des Steuerzahlers belegt, also mit bis zu 42 Prozent und bei Spitzenverdienern mit zu 45 Prozent.