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Steuerhinterziehung
"Wesentliche Einnahmen" durch Selbstanzeige

Das Bundesfinanzministerium lehnt es ab, die strafbefreiende Selbstanzeige für Steuerhinterzieher abzuschaffen. Es seien aber Änderungen geplant, zum Beispiel eine Erhöhung der Geldbuße, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Michael Meister (CDU) im Deutschlandfunk.

05.02.2014
    Dirk-Oliver Heckmann: Es ist noch nicht lange her, da hat der Fall des FC-Bayern-Präsidenten und Steuerhinterziehers Uli Hoeneß für Schlagzeilen gesorgt. Seit Montag ist das Thema Steuerhinterziehung wieder in aller Munde. Erst wurde publik, dass Alice Schwarzer über Jahre, über Jahrzehnte ein Konto in der Schweiz unterhalten hat, dessen Erträge sie dem Finanzamt verschwiegen hatte. Dann wurde bekannt: Auch Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz hat Steuern hinterzogen und war deshalb verurteilt worden. Gestern erklärte er seinen Rücktritt. Auch der ehemalige "Zeit"-Herausgeber Theo Sommer musste Verfehlungen eingestehen. Seitdem ist das Thema also wieder voll präsent und auch die Frage: Soll es weiterhin möglich sein, straffrei davon zu kommen, wenn man sich voll umfänglich selbst anzeigt. Die SPD, die drängt lautstark auf Änderungen, die Union aber, die ist zurückhaltend. Weshalb eigentlich? Darüber möchte ich reden mit Michael Meister, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er gehört der CDU an. Schönen guten Tag, Herr Meister.
    Michael Meister: Guten Morgen, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Meister, ist Steuerhinterziehung aus Sicht Ihres Ministeriums weiterhin praktisch nur ein Kavaliersdelikt?
    Meister: Nein. Das haben wir nie als Kavaliersdelikt gesehen. Das ist eine Straftat, zum Teil eine schwere Straftat und muss entsprechend geahndet werden.
    Heckmann: Aber Sie sind trotzdem dafür, dass diese Straffreiheit für reuige Steuerhinterzieher im großen und ganzen erhalten bleibt. Das gibt es ja bei keiner anderen Straftat, dass sich jemand anzeigt und deswegen dann straffrei ausgeht. Sahra Wagenknecht von der Linkspartei, die sagt deshalb, die Bundesregierung, die deckt kriminellen Steuertourismus.
    Meister: Nein! Die strafbefreiende Selbstanzeige hat zwei wesentliche Grundlagen. Das eine ist: Wir haben an dieser Stelle einen Konflikt zwischen Steuerrecht und Strafrecht. Im Steuerrecht ist jeder Steuerbürger verpflichtet, aktiv an der Aufklärung der Sachverhalte mitzuwirken. Er muss den zuständigen Finanzbehörden darlegen, wie seine Einkommens- und sonstigen Vermögensverhältnisse sich darstellen. Er kann also nicht sagen, ich schweige. Im Strafrecht haben wir genau in einem Rechtsstaat diese Möglichkeit, dass jeder Beschuldigte vom Recht zu schweigen Gebrauch macht, und bei Steuerstrafdelikten treffen sich diese beiden Punkte und da ist die strafbefreiende Selbstanzeige die Möglichkeit, dass wir zu einer Aufklärung der Straftat kommen und gleichzeitig nicht in dieses Verwertungsverbot von Eigenbelastungen hineinlaufen.
    Der zweite Punkt ist: Wenn Sie die CD-Ankäufe sehen, dann haben wir zwar viele Informationen bekommen, aber die Auswertung wäre von den Steuerbehörden ob der Menge und Komplexität kaum möglich gewesen, sondern nur in ganz wenigen Fällen. Den Haupteffekt haben wir erzielt, indem Menschen, die vermutet haben, dass sie betroffen sind, von dem Instrument der Selbstanzeige Gebrauch gemacht haben, und dadurch sind dann die wesentlichen Fälle aufgedeckt worden und auch die wesentlichen Einnahmen für den Fiskus erzielt worden.
    Meister: Dem Rechtsgut und der Aufklärung gerecht werden
    Heckmann: Das heißt, ich fasse mal zusammen, Herr Meister: Den Finanzministern von Bund und Ländern, denen ist es im Prinzip lieber und wichtiger, dass die Steuern nachgezahlt werden und dass die Staatshaushalte hier mit Geld versorgt werden, als dass der Anspruch des Staates auf Strafverfolgung durchgesetzt wird?
    Meister: Nein! Wir wollen sowohl das Ziel, dass die Steuern bezahlt werden, als auch das Ziel, dass entsprechende Verfolgung stattfindet. Allerdings bewegen wir uns in einem Rechtsstaat und da müssen wir beiden Gütern gerecht werden: Einerseits dem Rechtsgut, dass ein Beschuldigter schweigen kann, und andererseits Aufklärung von Steuersachverhalten. Worüber man nachdenken kann ist die Höhe der Strafe, die im Rahmen der strafbefreienden Selbstanzeige zugemessen wird. Über die Frage denken wir seit Herbst vergangenen Jahres in der Koalition nach, gemeinsam mit den 16 Ländern. Wir haben dazu jetzt Vorschläge einer Arbeitsgruppe auf dem Tisch und wir hoffen, dass die Staatssekretärsebene der Länder und des Bundes im nächsten Monat auch einen Vorschlag an die Finanzminister macht, um dann Anpassungen bei dem Instrument strafbefreiende Selbstanzeige vorzunehmen.
    Heckmann: Die SPD hatte ja schon Vorschläge gemacht, lautstark in der Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen, und dieser Vorschlag läuft darauf hinaus, diese steuerbefreiende Selbstanzeige abzuschaffen bis zu einer Bagatellgrenze. Wie ist da die Haltung des Bundesfinanzministers? Soll an diesem Punkt alles beim alten bleiben wie es ist?
    Meister: Zunächst muss man mal sehen, dass die alte Bundesregierung, Union und FDP, bereits massive Hindernisse im Bereich der strafbefreienden Selbstanzeige aufgebaut hat. Wir haben die Vollständigkeit verlangt, die es früher nicht gab. Wir haben den Zeitpunkt schärfer und enger definiert.
    Meister: Nicht das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige aufgeben
    Heckmann: Aber es ist immer noch möglich, straffrei auszugehen, wenn man sich rechtzeitig und vollständig selbst offenbart.
    Meister: Bei den Fällen, die Sie vorhin in Ihrer Berichterstattung genannt haben, sieht man ja, wie schwierig es ist, tatsächlich die Strafbefreiung zu erlangen. Und jetzt ist das Ziel der Debatte, nicht das Instrument strafbefreiende Selbstanzeige aufzugeben, denn das würde die Probleme mit sich bringen, die ich vorhin genannt habe, aber über weitere höhere Anforderungen, Erschwernisse nachzudenken.
    Zusatzstrafe bei Selbstanzeige
    Heckmann: Welche zum Beispiel?
    Meister: Zum Beispiel die Frage, welchen Zeitraum man aufklären muss. Seither ist der Zeitraum fünf Jahre zurück in die Vergangenheit. Man kann über die Frage nachdenken, ob ein längerer Zeitraum zurück aufgeklärt werden muss. Man kann zum zweiten die Frage stellen: Es gibt eine Penale, soweit man über 50.000 Euro hinaus Hinterziehungsbetrag hat. Der beträgt dann fünf Prozent auf die Steuerschuld. An der Stelle kann man nachdenken, ob diese Zusatzstrafe bei niedrigeren Beträgen schon greift, oder ob die Strafe an der Stelle auch höher ausfällt.
    Heckmann: Zum Beispiel auf zehn Prozent angehoben wird. Bisher liegt die Strafzahlung dann ja bei fünf Prozent. – Das sind alles Forderungen, die auch die SPD jetzt in den vergangenen Tagen auf den Tisch gelegt hat. Sie sagen, man muss prüfen, man muss Fragen stellen, man muss darüber nachdenken. Wie ist denn die Haltung des Ministers?
    Meister: Die Haltung des Ministers ist, dass er eine Abrede getroffen hat mit seinen Kollegen auf Landesebene im vergangenen Herbst, dass man einen Arbeitsauftrag gibt, wo bestehen denn Möglichkeiten, die strafbefreiende Selbstanzeige in ihren Rahmenbedingungen zu verändern, anzupassen, zu schärfen. Dieser Arbeitsauftrag ist auf Arbeitsebene ein Stück weit abgearbeitet und wird jetzt in die Finanzministerkonferenz der Länder hineingehen. Dort erwarten wir zeitnah einen Vorschlag, den wir dann gesetzlich umsetzen wollen.
    Heckmann: Das heißt, Sie sagen, Herr Meister, dass das Bundesfinanzministerium in diesem Punkt keine eigene Position hat?
    Meister: Wir haben eine eigene Position, dass wir gemeinsam mit den Ländern, weil wir haben ja an der einen Stelle Rechtsetzung, wir haben auf der anderen Seite die Situation, dass Steuervollzug betrieben werden muss, und deshalb muss es eine gemeinsame Lösung sein, die Bund und Länder tragen, und deshalb haben wir verabredet, dass wir gemeinsame Vorschläge machen und diese gemeinsamen Vorschläge auch gemeinsam zur Umsetzung bringen.
    Causa Linssen
    Heckmann: Schauen wir mal, was dabei herauskommt. Jetzt gibt es, Herr Meister, Vorwürfe ausgerechnet gegen den CDU-Schatzmeister Helmut Linssen, früher Finanzminister in Nordrhein-Westfalen. Der "Stern" berichtet, Herr Linssen habe Geld in einer Briefkasten-Firma auf den Bahamas und in Panama gehortet. Er bestreitet aber, Steuern hinterzogen zu haben. Gegen Linssen lief auch ein Strafverfahren, das 2012 eingestellt wurde. Bekommt jetzt auch die CDU ein echtes Problem?
    Meister: Zunächst einmal bitte ich um Verständnis, dass ich mich zu Einzelfällen nicht äußere, denn das ist nicht die Aufgabe des Bundesfinanzministeriums, einzelne Steuersachverhalte aufzuklären. Allerdings besteht schon ein Interesse, dass möglichst schnell dargelegt wird, transparent wird, was die richtigen Sachverhalte sind, und ich glaube, es ist ein bisschen kurz, wenn man hier jetzt parteipolitisch diskutiert. Gestern haben wir über den Kulturstaatssekretär der SPD diskutiert, heute ist der Schatzmeister der Union in der Diskussion. Also ich glaube, hier müssen wir breiter dafür werben, dass Steuerzahlung in diesem Land Akzeptanz bekommt. Ich glaube, kleinkarierte parteipolitische Münze ist da fehl am Platze.
    Heckmann: Das ist schon klar, deswegen gucken wir ja auch in alle Richtungen, sowohl in Richtung SPD als auch in Richtung CDU. Was wäre denn, wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten würden? Ist ein Schatzmeister politisch zu halten, der solchen Vorwürfen ausgesetzt ist?
    Meister: Ich warte da mal das Ergebnis ab, was dort tatsächlich inhaltlich passiert, und wenn ich das weiß, dann nehme ich eine Bewertung vor.
    Heckmann: Was erwarten Sie jetzt von Helmut Linssen?
    Meister: Steuergeheimnis muss gewahrt werden
    Meister: Wie gesagt, dass möglichst rasch Aufklärung betrieben wird, die Sachverhalte klargelegt werden und man dann auch in der Lage ist, zu beurteilen, was tatsächlich geschehen ist.
    Heckmann: Letzte Frage, Herr Meister. Alice Schwarzer hat sich ja selbst angezeigt und Steuern nachgezahlt. Trotzdem ist das in die Öffentlichkeit gekommen, wie auch schon beim Fall Uli Hoeneß. Ist das Steuergeheimnis in Deutschland eigentlich noch etwas wert, oder kann man das gleich abschaffen?
    Meister: Nein! Ich glaube, wir müssen das Steuergeheimnis wahren und wir haben an der Stelle zwei Delikte jeweils. Das eine ist das Hinterziehen von Steuern, das ist strafwürdig und strafbewährt, und auf der anderen Seite haben wir das Steuergeheimnis und dessen Verletzung ist auch strafwürdig und strafbewährt.
    Heckmann: Aber es halten sich ja viele offenbar nicht daran.
    Meister: Ich glaube, zunächst muss man mal klarstellen: Das eine Vergehen entschuldigt das andere nicht, weder in der einen, noch in der anderen Richtung, sondern beide sind strafwürdig und beide müssen beachtet werden. Warum brauchen wir das Steuergeheimnis? Man muss sich selbst voll umfänglich gegenüber den Finanzbehörden äußern und ich glaube, es gäbe da erhebliche Vorbehalte, wenn man etwa im Wettbewerb zu anderen Menschen in unserer Gesellschaft plötzlich als Unternehmen seine steuerlichen Daten öffentlich bekäme. Insofern, glaube ich, hat das Steuergeheimnis einen Sinn und muss auch verstanden werden.
    Heckmann: Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister, war das von der CDU. Herr Meister, danke Ihnen für die Zeit.
    Meister: Bitte sehr, Herr Heckmann. Schönen Tag.
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