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"Steuerhinterziehung wird toleriert"

Im Zuge der Finanzkrise wehren sich Länder wie die Schweiz und Liechtenstein gegen den Vorwurf, Steuerhinterziehung zu begünstigen. Auch die Kanalinsel Jersey, die als Steueroase gilt, versucht ihren Ruf zu verbessern. Ziel ist, nicht auf die geplante "Schwarze Liste" der EU zu kommen.

Von Burkhard Birke | 01.04.2009
    Seit letzter Woche ist Abkommen Nummer elf in Kraft: Frankreich und Jersey haben einen Informationsaustausch vereinbart. Zwölf Abkommen benötigt die zur britischen Krone, nicht aber zur EU gehörende Kanalinsel, um nicht auf die ominöse schwarze Liste anrüchiger Steuerparadiese zu kommen, zu denen sie sich selbst ohnehin nicht zählt.

    "Niemand hat doch jemals Steueroase klar definiert."

    … meint Regierungschef Terry Le Sueur.

    "In meiner Definition wäre Steueroase ein Ort, wo etwas verheimlicht wird, wo am Gesetz vorbei Steuerverpflichtungen im Heimatgebiet umgangen würden. Jersey macht nichts dergleichen, und deshalb ist für mich Jersey keine Steueroase. Wir sind ein Finanzzentrum mit steuerneutralen Operationen."

    Ausländische Finanzfirmen zahlen neuerdings null Steuern, heimische zehn Prozent. Der maximale Einkommensteuersatz liegt bei 20 Prozent, es sei denn man ist Multimillionär, dann zahlt man im Schnitt sechs Prozent, denn der Steuersatz wird mit den Behörden ausgehandelt. Es gibt keine Gewerbe-, Erbschafts-, Vermögens- oder Mehrwertsteuer. Paradiesische Zustände?

    Nicht von ungefähr haben sich 47 Banken, 187 Trusts, sprich: Stiftungen, und hunderte Fonds auf der 116 Quadratkilometer großen Insel unweit der normannischen Küste niedergelassen. Ganz zu schweigen von den eingetragenen Firmen: Auf Jersey gibt es 30.000 bei 90.000 Einwohnern. Vor allem die weniger wohlhabenden Bewohner reagieren mittlerweile jedoch empfindlich, müssen sie doch neuerdings drei Prozent Umsatzsteuer zahlen, um die durch die quasi-Steuerfreiheit der Unternehmen entstandenen Haushaltslöcher zu stopfen.

    "Es sollte fairer zugehen ... .

    Jersey sollte kein Steuerparadies bleiben.

    Es wird viel über uns als Steuerparadies geklagt. Vor allem Amerika tut das, aber haben die nicht selbst Steueroasen – Delaware, glaube ich!?"

    In der Tat ist Jersey nur eines von weltweit zwischen 30 und 70 Steuerparadiesen – je nach Zählart und Definition –, vor allem aber ist Jersey der verlängerte Arm der Londoner City, die das Gros der jährlich zirka 470 Milliarden Pfund – umgerechnet 520 Milliarden Euro - in das Finanzsystem der Kanalinsel einspeist. Von Transparenz kann keine Rede sein, trotz einer 120-köpfigen Regulierungsbehörde, trotz der Informationsabkommen entsprechend dem OECD Standard. Die sehen keinen automatischen Informationsaustausch, sondern nur Kooperation bei kriminellen Machenschaften vor. Mit Dritte-Welt-Ländern existieren erst keine derartigen Abkommen. Daniel Wimbley, Abgeordneter der States of Jersey, des Inselparlamentes:

    "Wir wissen zum Beispiel: Der Bürgermeister von Sao Paolo war auf der ersten Seite unserer Tageszeitung, er hat 600 Millionen Dollar ungefähr versteckt, und ein Teil davon ist hierher geflossen."

    Für Jersey spricht, dass dieser Skandal herauskam. Dennoch: Mindestens 900 Milliarden Dollar gehen nach Schätzungen des "Tax Justice Networks" den Entwicklungsländern jedes Jahr in Steueroasen verloren. Und Nick Le Cornu von der Oppositionsgruppe "time 4 change", Zeit für Wandel würde auch einen Fall Zumwinkel auf Jersey nicht ausschließen:

    "Die Sicherheitsvorkehrungen sind nicht besonders hoch, das Problem ist: Steuerhinterziehung wird toleriert. Die britische Steuerbehörde könnte Spione schicken, aber sie tut das nicht, weil die Insel ein Teil der funktionierenden Finanzwelt ist."

    Das ist die Crux: auch wenn allein Großbritannien mindestens 20 Milliarden Euro jährlich an Steuern durch die Lappen gehen, so würde wohl der Londoner City das Wasser abgegraben, wenn den harschen Worten gegen Steueroasen tatsächlich strenge Regeln und Sanktionen folgten.

    Ich habe ein bisschen den Eindruck, viel wird geredet von Merkel und Sarkozy und sie haben das schon vorher gemacht. Aber ob wirklich etwas passieren wird, das wissen wir noch nicht!

    Es wird bekanntlich nicht so heiß gegessen wie gekocht, hätte der oppositionelle Daniel Wimbley wohl auch sagen können.