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Steuerpolitik in den Sondierungen
"Das ist halt mit den Sozis nicht so einfach"

Der CDU-Politiker Klaus-Peter Willsch hätte sich in der Steuerpolitik andere Sondierungsergebnisse gewünscht, etwa beim Spitzensteuersatz und bei der Abschaffung des Solis. Es sei aber schwierig, hier mit der SPD vorwärts zu kommen, sagte Willsch im Dlf. Die Union habe diese erstmal von Steuererhöhungen abbringen müssen.

Klaus-Peter Willsch im Gespräch mit Dirk Müller | 17.01.2018
    Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch.
    Der CDU-Abgeordnete Klaus-Peter Willsch. (imago/Sven Simon)
    Dirk Müller: Es ist eine ganze Reihe von namhaften Ökonomen, die da Alarm schlagen, ganz gleich ob sie als eher arbeitnehmerfreundliche oder arbeitgeberfreundliche Wirtschaftsexperten gelten: Massive Kritik an den Steuerplänen der Sondierer, weil es zum Beispiel keine Steuersenkungen geben wird, obwohl über 45 Milliarden Euro Überschuss zur Verfügung stehen. Weil der Solidaritätszuschlag eben nicht abgeschafft wird, sondern nur noch einer kleinen Gruppe von Steuerzahlern aufgebürdet wird, die ohnehin schon am meisten Steuern zahlen. Und zum Beispiel wegen der Pläne, die Abgeltungssteuer auf Zinsgewinne abzuschaffen, damit hinterher diese Gewinne nur noch höher besteuert werden können als zuvor. So klingen jedenfalls die Vorwürfe. Die mittleren Einkommen, die etwas höheren mittleren Einkommen könnten wieder einmal mehr Verlierer sein einer künftigen Großen Koalition. Versprochen wurde genau das Gegenteil.
    Bei uns am Telefon ist nun der CDU-Haushalts- und Finanzpolitiker Klaus-Peter Willsch. Guten Morgen!
    Klaus-Peter Willsch: Guten Morgen, Herr Müller! Guten Morgen an die Hörer.
    Müller: Herr Willsch, hätten doch besser alle die FDP wählen sollen?
    Willsch: Wissen Sie, das Leben ist ja kein Wunschkonzert. Wir können uns ja nicht das Ergebnis herbeiwünschen, sondern wir müssen es erzielen bei Wahlen. Da ist ein Punkt mir ganz besonders wichtig, den wir jetzt erreicht haben. Am Freitag wird der Gesetzentwurf eingebracht, dass der Nachzug weiter ausgesetzt wird, der Familiennachzug. Da drohte ja, dass mehrere Hunderttausend nachkommen. Das ist, glaube ich, die zentrale Botschaft, die wir jetzt gemeinsam hinbekommen, dass das nicht kommt und dass wir weiter zu einer strikten Begrenzung der Zuwanderung kommen.
    Müller: Das hätten Sie aber auch mit der FDP geschafft.
    Willsch: Ja, aber zusammen haben wir halt keine Mehrheit. Deshalb muss man nun irgendwie versuchen, aus diesem Wahlergebnis was zu machen. Wir haben schwer auf die Mütze gekriegt bei der Wahl, die SPD auch, hat das historisch schlechteste Ergebnis, und wir sind nun mal aufgefordert, irgendwas daraus zu machen. Ich merke das viel, wenn ich im Wahlkreis unterwegs bin, dass die Leute sagen: Mein Gott, muss das so lange dauern, warum setzt ihr euch nicht zusammen und regelt die Dinge? Das versuchen wir jetzt. Ich bin dazu bereit, auf Grundlage der Sondierungsergebnisse nun in die Koalitionsverhandlungen einzutreten. Aber die SPD muss auch wissen, was sie unterschrieben hat und was gemeinsam aufgeschrieben wurde.
    Forderungen der SPD nach Steuererhöhungen "abenteuerlich"
    Müller: Gut. Jetzt haben wir die Flüchtlingspolitik, für Sie ein ganz wichtiger elementarer Punkt in der politischen Auseinandersetzung, in der politischen Zukunft. Darüber haben wir auch hier im Deutschlandfunk mit Ihnen schon häufiger geredet. Sie haben das häufig auch hauptverantwortlich gemacht dafür, dass die Wählerstimmen auch für die Union in den Keller gegangen sind. Wir beide sind jetzt verabredet, Steuerpolitik zu diskutieren, Finanz- und Haushaltspolitik zu diskutieren. Da sind Sie Experte auch im Ausschuss und beschäftigen sich seit vielen Jahren damit. Steuererleichterungen, Senkungen, das wurde immer wieder versprochen. Viele sind davon ausgegangen, gerade auch die Bezieher mittlerer Einkommen. Jetzt wird das alles doch nichts. Warum nicht?
    Willsch: Wir sind in diese Gespräche eingetreten gegenüber der Forderung der SPD, Steuern zu erhöhen. Das ist ja nun wirklich abenteuerlich bei einer Lage, wo die Steuerquellen in der Tat sprudeln wie ganz selten. Jetzt noch anzutreten und zu sagen, wir müssen aber Steuern erhöhen, wie das die SPD gemacht hat, das war schon abenteuerlich und das war Arbeit genug, denen klarzumachen, dass die schwarze Null stehen muss und dass es keine Steuererhöhungen mit uns gibt.
    Müller: Beim Spitzensteuersatz für Reiche?
    Willsch: Was heißt für Reiche? Der Spitzensteuersatz, der ist ja heute … Wir wollten eigentlich gerne die Grenze anheben, ab der der Steuersatz wirkt. Das ist ja heute ein Steuersatz, den sehr viele Durchschnittsverdiener schon bezahlen müssen. Das wird die SPD irgendwann auch mal merken, hoffe ich, denn so können wir nicht langfristig dazu kommen, dass wir weniger Staat haben, dass wir mehr Freiheit haben für die Bürger. Das ist alles etwas, was auf der Agenda bleibt, aber momentan nicht umsetzbar ist, weil wir keine Mehrheiten dafür haben.
    Müller: Einkommen ab 76.000, Herr Willsch. Das haben wir eben von unserem Korrespondenten Theo Geers gehört. Da ging es um Einkommen ab 76.000 Euro. Das sind für Sie noch keine Reiche?
    Willsch: Na ja. Wenn Sie mal anschauen, was die Industriearbeiter in der Automobilindustrie verdienen, aber auch in der Stahlbranche und Ähnliches, dann werden Sie sehen, dass viele, die man eigentlich klassisch der SPD-Klientel zurechnen würde, wobei es das nicht mehr so gibt, natürlich schon davon betroffen sind.
    "Ich wünsche mir, dass der Staat den Leuten mehr Geld lässt"
    Müller: … da reinfallen. Aber wenn Sie sagen, 76.000 sind keine Reiche, wenn ich da noch mal einhaken darf – wir reden zum Beispiel jetzt über den Soli. Das hatten wir in unserem Beitrag auch vorangestellt. Da geht es um 60.000 Euro zu versteuerndes Einkommen. Diese Zahl, das heißt diejenigen, die 60.000 zu versteuern haben, die müssen dann den vollen Soli-Satz bezahlen. Ist das so?
    Willsch: Ob die Freigrenze das geeignete Mittel ist, darüber wird sicher bei der gesetzlichen Formulierung noch mal zu reden sein. Die Freigrenze hat ja den Nachteil, der gerade geschildert worden ist, dass ab Überschreiten der Grenze der gesamte Einkommensbetrag dann dieser Last unterliegt, während Freibeträge anders wirken. Das ist sicher keine gute Lösung.
    Müller: Das ist von null auf hundert, um das ein bisschen deutlicher zu machen?
    Willsch: Exakt. In Ihrem Vorbericht ist das ja sehr schön dargestellt worden. Ich hoffe, dass so was auch, was jetzt öffentlich da ja nun dargestellt wird und vorgerechnet wird, auch die SPD nicht unbeeindruckt lässt und wir da auch noch zu Verbesserungen kommen, wenn wir dann über das Gesetz gebeugt sitzen und uns Gedanken darüber machen, wie es genau auszuformulieren ist. Ich wünsche mir, dass der Staat sich bescheidet, dass er den Leuten mehr Geld lässt, weil ich glaube, dass die Menschen am besten wissen, was sie mit ihrem Geld, das sie mit harter Arbeit verdienen, anstellen wollen, dass wir nicht ständig weiter den Staatssektor aufblähen müssen. Aber das ist halt mit den Sozis nicht so einfach. Die glauben, am besten 100 Prozent abgeben beim Staat und dann wieder zuteilen, nach dem, was man dort für richtig hält auf Parteitagen, dass wir mit denen Schwierigkeiten haben, in diesem Bereich wirklich vorwärts zu kommen. Umso wichtiger wird sein, jetzt erst mal ordentlich die Arbeit zu machen, die drängenden Fragen zu lösen, und dann auch mit klarer Profilbildung in die nächste Wahl zu gehen und zu zeigen, was Union wäre, wenn wir alleine regieren könnten oder alleine maßgeblich regieren könnten.
    Müller: Aber Sie tragen das schon mit? Das heißt, das sind Steuerbelastungen für viele auch im mittleren Sektor, und die Union macht das Ganze ohne Probleme klipp und klar mit und steuert nicht dagegen?
    Willsch: Nicht ohne Probleme, aber wir haben eine Sondierung hinter uns, die zweite Sondierung hinter uns, und die Menschen haben zurecht die Erwartung, dass es zu einer Regierungsbildung kommt und dass wir vorwärtsgehen. Dass da jetzt einige Umwege zu laufen sind, ist bedauerlich, aber mit diesem Partner offenbar nicht anders zu machen.
    "Die ersten vier Jahre GroKo waren die sozialdemokratischen"
    Müller: Heißt das denn, Herr Willsch, alle Kostensteigerungen gehen auf die SPD zurück?
    Willsch: Na ja. Wenn Sie sich die Bilanz auch der letzten Großen Koalition anschauen, dann hätte ich der SPD empfohlen, mal ein bisschen mehr damit zu wuchern, was sie durchgesetzt haben. Ich habe gesagt, als wir anfingen zu sondieren, die ersten vier Jahre GroKo waren die sozialdemokratischen, jetzt müssten wir auch mal drankommen. Denn ob Sie nun an Mietpreisbremse denken, ob Sie an Mindestlohn denken und an Rente mit 63, das sind ja alles Dinge, die wir schlucken mussten in der letzten Großen Koalition mit der SPD.
    Müller: Aber die Mütterrente hatten wir ja auch. Die kam von der Union.
    Willsch: Das ist wahr. Da müssen wir jetzt insgesamt versuchen, was aus diesem Wahlergebnis zu machen. Wir können ja nicht vor die Wähler treten und sagen: Gefällt uns nicht, wie das ausgegangen ist, jetzt wählt mal weiter, bis es uns passt.
    Müller: Sie haben eben die Rolle des Staates angesprochen. Sie formulieren das ja immer fast freigeistig, wenn ich das so formulieren darf, auch ein bisschen im liberalen Sinne und sagen, ja klar, der Staat soll sich zurückhalten, der soll nicht immer nur kassieren, sondern wenn es uns gut geht, soll er auch etwas zurückgeben. Das haben Sie immer gesagt. Können wir das aber zumindest festhalten: Auch die neue vermeintliche Große Koalition wird auf gar keinen Fall etwas zurückgeben?
    Willsch: Wir haben Bereiche im Rahmen der Sondierungen definiert, wo wir Festlegungen getroffen haben. Alles was nicht vereinbart ist, ist nicht vereinbart. Da wird es auch an uns liegen, uns zu überlegen, wo Spielräume sind, wo wir auch mit den Ländern gemeinsam was hinkriegen. Das ist ja in der Tat ein Problem, immer bei allem, was im Bereich Stellen liegt, ganz wichtig. Wir haben hier zum Beispiel, dass wir bei dem Thema Wohnbauförderung, Baukindergeld oder Ähnliches, Förderung von jungen Familien, dass die Wohneigentum erwerben können, dass wir da noch was erreichen. Ich hoffe, dass wir da auch noch ein Stück vorwärts kommen.
    "Kreativ sein in der konkreten Zusammenarbeit"
    Müller: Das kostet noch mehr Geld. Das kostet noch zusätzliches Geld.
    Willsch: Das ist wahr. Aber es ist ja auch wirklich eine hervorragende wirtschaftliche und steuereinnahmenmäßige Lage da und da müssen wir kreativ sein auch dann in der konkreten Zusammenarbeit und versuchen, mit vernünftigen Punkten auch dann den möglichen Koalitionspartner zu überzeugen und durchzusetzen.
    Müller: Herr Willsch, wenn Sie jetzt federführend wären für die Finanz- und Steuerpolitik bei den Koalitionsverhandlungen – mit großer Wahrscheinlichkeit wird das nicht mehr passieren in den nächsten Tagen, unterstelle ich jetzt einmal - und Sie sagen, wir müssen auch sparen, wir müssen Steuerentlastungen weitergeben, an den Bürger zurückgeben, wo würden Sie den Schnitt machen? Wo würden Sie sagen, hierauf müssen wir verzichten, das geht in Milliardenhöhe zurück an den Steuerzahler?
    Willsch: Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass wir beim Soli schneller vorangehen, als es jetzt vorgesehen ist. Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Grenze, ab der der Spitzensteuersatz wirkt, nach oben schieben, um die Kalte Progression und den Mittelstandsbauch zu bekämpfen. Und ich hätte mir gewünscht, dass wir mehr für junge Familien tun. Aber wie gesagt, das Leben ist kein Wunschkonzert und ich bin nur hier einer von 246 in der Fraktion und ich bin auch nur einer von 709 im gesamten Bundestag, so dass das auch nicht alles immer nur nach meinen Vorstellungen geht.
    "Würde Minderheitsregierung mit FDP ausprobieren"
    Müller: Aber dann müsste Christian Lindner Sie doch im Grunde anrufen und sagen, dann kommen Sie endlich zu uns, damit wir was Vernünftiges auf die Reihe bekommen?
    Willsch: Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass für mich eine bürgerliche Zusammenarbeit das Wunschbild eigentlich ist. Da hätte es auch Probleme gegeben in anderen Bereich, vielleicht in der Innenpolitik oder Ähnlichem. Aber das ist einfach nicht da von den Mehrheitsverhältnissen. Das Einzige, was bliebe, wäre eine Minderheitsregierung. Ich würde dazu neigen, das durchaus mal auszuprobieren, eine Minderheitsregierung mit der FDP zu machen. Aber das ist jetzt Schnee von gestern zunächst. Wir haben ein Sondierungsergebnis mit der SPD. Der Martin Schulz hat die Leute hoch auf die Bäume getrieben und muss sehen, dass er sie jetzt runterholt. Er muss erst durch den Parteitag kommen am Sonntag und dann muss er nachher noch durch einen Mitgliederentscheid kommen. Wenn eine Koalitionsvereinbarung dann vorliegt, dann wollen wir mal sehen, ob die SPD zur Übernahme von Verantwortung bereit ist.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.