Freitag, 19. April 2024

Archiv

Steuersenkungen
Wer gibt den Takt an im SPD-Wahlkampf?

Nach der Landtagswahl in NRW setzt der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Steuerfrage auf die Agenda. Sein Reformvorschlag sieht die Entlastung mittlerer Einkommen vor. Die Partei diskutiert über die Finanzierung. Kanzlerkandidat Schulz weicht aus.

Von Frank Capellan | 17.05.2017
    Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD)
    Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stellt die Steuerfrage (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Eines ist richtig: Der niedersächsische Ministerpräsident hat nicht innerhalb von Tagen ein SPD-Steuerkonzept aus dem Hut gezaubert. Schon Ende letzten Jahres gab Stephan Weil eine Studie darüber in Auftrag, wie sich kleine und mittlere Einkommen entlasten lassen. Doch dass er zwei Tage nach der verlorenen NRW-Wahl damit an die Öffentlichkeit geht, erweckt den Eindruck, als wolle er den Kanzlerkandidaten in der Steuerfrage treiben. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann wiegelt ab. Die Debatte ist eröffnet, nicht mehr und nicht weniger, sagt er und schimpft über Steuersenkungsversprechen der Union:
    Die SPD will kleinere und mittlere Einkommen entlasten
    "Wir werden ganz sicher, das kann ich Ihnen definitiv sagen, nicht 45 Milliarden Euro Senkung versprechen, weil das zwangsläufig nur mit Schulden oder Einsparungen zu finanzieren wäre. Wir werden einen seriösen Vorschlag machen und nichts versprechen, was wir nicht halten können. Deshalb nehmen wir uns dafür Zeit, der Diskussionsbeitrag von Herrn Weil war ein guter Impuls in dieser Sache!"
    Oppermann ist Mitglied der Programmkommission, die nun ein 67seitiges Papier für den Parteitag Ende Juni vorgelegt hat – das SPD-Wahlprogramm, das in Steuerfragen jedoch allgemein bleibt. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel aus Hessen sollte ein Steuerkonzept für Schulz entwickeln, der Niedersachse Weil ist ihm nun zuvorgekommen.
    Katarina Barley: "Wir wollen eine Entlastung von kleineren und mittleren Einkommen, und wir wollen, dass starke Schultern auch mehr Verantwortung übernehmen!"
    Die Finanzierung ist noch unklar
    Diese Ansage der Generalsekretärin Barley wird von allen in der SPD unterschrieben. Wenn es aber darum geht, wie stark die Vermögenden von den Genossen tatsächlich zur Kasse gebeten werden sollen, weicht Katarina Barley aus. Die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer ist für linke Sozialdemokraten eine zentrale Forderung. Ob sie erfüllt wird, bleibt unklar.
    Barley: "Bei der Vermögenssteuer gibt es rechtliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes, die durchaus kompliziert sind, auch da befinden wir uns in der Diskussion."
    Matthias Miersch, Sprecher der SPD-Linken, selbst Bundestagsabgeordneter aus Niedersachsen, ist erst einmal erleichtert, dass sich die Sozialdemokraten nun auch in der Steuerfrage positionieren. Seine Erwartung an Martin Schulz:
    "Ich glaube, er muss jetzt ganz klare Kante zeigen. Gerechtigkeit, Zukunft und Europa sind die Überschriften, um die es jetzt gehen muss."
    Diskussionen um ein überzeugendes Konzept
    Der Steuervorschlag Stephan Weils sieht vor, Einkommen mit einem Brutto-Jahreseinkommen ab 58.000 Euro mit 45 Prozent besteuert werden, dann erfolgt ein linearer Anstieg, ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 150.000 Euro soll ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent greifen. Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sieht darin eine gute Diskussionsgrundlage:
    "Wir werden uns die Zeit nehmen, ein durchgerechnetes, ein nachvollziehbarer Steuerkonzept, darauf kommt es an, denn da sind eben viele andere Themen mit verbunden, die Renten und Sozialpolitik beispielsweise. Deswegen geht es jetzt nicht darum, wer ist schneller, sondern: Wer hat das überzeugendere Konzept? Daran arbeiten wir, auch mit den Vorschlägen von Stephan Weil."
    Schulz verschärft den Ton
    Martin Schulz ahnt, dass es in seiner Partei noch heftige Diskussionen über die Steuerpolitik geben könnte. Da trifft es sich ganz gut, dass heute in Berlin ein anderes Thema ganz oben steht: Die Krise der Bundeswehr. Der SPD-Chef greift Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen scharf an.
    Schulz: "Dass unsere Soldaten auch einen öffentlichen Dank verdienen, Ebola, es war keiner da, wer war da? Die Bundeswehr. Bei der Flüchtlingskrise, es war oft keiner da, wer war da? Die Bundeswehr! Unsere Armee leistet Herausragendes, und dann anschließend in einer schwierigen Situation als Chefin dieser Armee hinzugehen und diese Armee unter einen Pauschalverdacht zu stellen, das finde ich, ist aller Diskussionen wert."
    So der Kanzlerkandidat vor einer halben Stunde im Willy Brandt Haus. Keine Frage: Nach dem Debakel in NRW verschärft Schulz den Ton – an allen Fronten.