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Steuersünder
Staatssekretär: "Selbstanzeige beibehalten"

Man werde nur einen minimalen Anteil der Steuersünder erwischen, wenn es die Selbstanzeige nicht gäbe, sagte Michael Meister (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, im DLF. Er unterstützt deshalb, dass die Selbstanzeige beibehalten wird.

Michael Meister im Gespräch mit Jasper Barenberg | 28.03.2014
    Im Bild ist links ein Steuererklärungsformular und darüber liegend rechts ein weißes Blatt mit dem Titel "Selbstanzeige" zu sehen.
    Die Selbstanzeige steht in der Diskussion (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich Michael Meister, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Schönen guten Morgen, Herr Meister.
    Michael Meister: Guten Morgen, Herr Barenberg!
    Barenberg: Ganz am Ende haben wir es gehört im Bericht der Kollegin: Auch über eine gänzliche Abschaffung dieser strafbefreienden Selbstanzeige wird diskutiert. Eine Idee, für die Sie sich erwärmen können?
    Meister: Die Finanzminister der Länder haben ja gestern einen Beschluss gefasst, wo 15 sich dafür ausgesprochen haben, an der Selbstanzeige festzuhalten, allerdings den Zugang zur Strafbefreiung deutlich zu verschärfen. Und das ist auch die Position des Bundesfinanzministeriums.
    Barenberg: Es bleibt also dabei: Geld geht vor Moral?
    Meister: Nein! Es geht zum einen darum, dass wir Strafrecht und Steuerrecht in Einklang bringen. Sie haben im Steuerrecht die Mitwirkungspflicht, Sie haben im Strafrecht die Zeugnisverweigerungsmöglichkeit als Beschuldigter. Das muss in Einklang gebracht werden. Und zum zweiten, Herr Kühl hat recht: Wir würden nur einen minimalen Teil der Steuerhinterziehung erwischen, wenn wir das Instrument der Selbstanzeige nicht hätten. Und deshalb geht es gerade durch die Selbstanzeige um ein Stück weit Gerechtigkeit, dass wir mehr Hinterzieher dazu bringen, ehrlich zu werden, ihre Steuern, Zinsen und Strafen nachzuzahlen.
    Barenberg: Und da haben wir ja gerade einiges gelernt, was da an schärferen Regeln diskutiert wird, auf was sich die Landesfinanzminister jetzt schon geeinigt haben an Eckpunkten. Können Sie das alles so unterschreiben, wie es da jetzt vorgesehen ist? Geht das in die richtige Richtung?
    Meister: Die Grundrichtung ist richtig: Beibehaltung der Selbstanzeige bei deutlicher Verschärfung des Zugangs. Allerdings muss man im Detail genau hinschauen, wie gehen wir etwa mit den Anmeldesteuern um, also Umsatzsteuer und Lohnsteuer, wo es ja um sehr hohe Beträge geht. Und wo es sehr oft nicht um die Frage Hinterziehung geht, sondern einfach Wertungsfragen. An der Stelle gibt es Prüfungsbedarf, wie man damit umgeht.
    Barenberg: Was ist Ihr Vorschlag?
    Meister: Der Vorschlag ist: Ich glaube, man muss überlegen, ob man bei den Anmeldesteuern nicht andere Regeln schafft als bei den Steuern, die erklärt werden. Wir haben zum zweiten die Fragestellung, dass wir seither die ganzen Zahlen, die im Gesetz stehen bei der strafbefreienden Selbstanzeige, aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ableiten. Wenn man da jetzt andere Parameter setzt, dann könnte das willkürlich sein. Und wir müssen auch schauen, dass die neuen Regelungen am Ende vor dem Bundesverfassungsgericht haltbar sind.
    Barenberg: Sie gehören, Herr Meister, also auch zu denjenigen in der Union, die vor zu hohen Hürden warnen. Verstehe ich das richtig?
    Meister: Ich bin der Meinung, dass wir eine klare, handhabbare und rechtssichere Lösung brauchen. Es würde, glaube ich, niemand nachvollziehen, wenn wir am Ende jemand haben, der eine Selbstanzeige abgibt, dann die ganzen Zahlungen leistet und sich dann durchklagt vor Gericht und Recht bekommt, dass er zu Unrecht zahlen musste. Das würde, glaube ich, dem Rechtsempfinden der Bevölkerung widersprechen. Und deshalb brauchen wir klare, handhabbare und rechtssichere Lösungen.
    Barenberg: Es gibt ja auch eine Diskussion darüber, ob es so etwas wie eine Obergrenze geben soll, ob man also einen Betrag festlegt, ab dem dann diese Strafbefreiung nicht mehr gelten kann. Was halten Sie davon?
    Meister: Zunächst müssen wir sehr aufpassen, dass wir nicht die großen Steuerhinterzieher im Blick haben, an denen sich ja die öffentliche Debatte festmacht, und dann im Sinne von Walter-Borjans die Masse derjenigen, die eigentlich nur sehr kleine Beträge hinterzogen haben, mit sehr großen Erschwernissen versehen. Ich glaube, das würde im Lande auch niemand verstehen, sondern wir müssen schon gucken, je höher der Hinterziehungsbetrag ist, umso höher muss auch die Strafe ausfallen. Und zum zweiten: Die Argumente, die grundsätzlich für die Strafbefreiung bei der Selbstanzeige sprechen, die gelten unabhängig von Beträgen.
    Barenberg: Jetzt haben Sie uns erklärt, dass Sie schon dafür sind, sich vorstellen könnten, die Regeln zu verschärfen. Über die Einzelheiten muss dann gesprochen werden. Ist das nicht doch ein bemerkenswerter Kontrast zu Ihrer früheren Position, zur früheren Position der Union, wo es in dem Steuerabkommen mit der Schweiz ja letztlich darauf hinauslief, dass die Leute ungeschoren davon kommen, wenn sie einen Teil der Steuern zahlen?
    Meister: Nein! Im Abkommen mit der Schweiz wären die Leute nicht ungeschoren davon gekommen, sondern sie hätten in die Zukunft genau die Steuern zahlen müssen, die man auch in Deutschland zahlen muss für Kapitalerträge. Und sie hätten die letzten zehn Jahre in die Vergangenheit anonym und pauschaliert ihre Steuern nachzahlen müssen. Dieses Geld ist jetzt zum großen Teil weg, was die Vergangenheit betrifft, weil dort Verjährung eingetreten ist. Und insofern haben wir durch das Scheitern des Steuerabkommens mit der Schweiz große finanzielle Nachteile für die deutschen Steuerbürger erlitten.
    Barenberg: Sie haben ja erwähnt das Dilemma, das auch darin besteht, dass, wenn man die Regeln allzu scharf macht, dann viele Steuersünder unentdeckt bleiben wollen. Zwingt dieser Gedanke nicht automatisch zu der Schlussfolgerung, dass es jetzt in Zukunft um ein neues Steuerabkommen gehen muss, beispielsweise mit der Schweiz. Und dass man die Banken in der Schweiz dazu drängt, dazu zwingt möglicherweise, alle Informationen automatisch weiterzuleiten?
    Über Michael Meister:
    Geboren 1961 in Lorsch, Hessen. Der CDU-Politiker studierte bis 1985 Mathematik an der Technischen Hochschule in Darmstadt und promovierte 1988. Seit 1991 ist er Mitglied der CDU. Für sie sitzt er seit 1994 als Abgeordneter im Deutschen Bundestag, nahm verschiedene Funktion in Partei und Fraktion ein. Seit 2013 ist Meister Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen.
    Meister: Wir haben ja einen gewaltigen Schritt gemacht, dass wir jetzt auf europäischer Ebene die Situation haben, dass Luxemburg und Österreich bei der EU-Zinsrichtlinie eingelenkt haben. Wir müssen dazu kommen, dass wir da nicht nur über Zinsen, sondern über Kapitalerträge insgesamt sprechen und dass wir dann auch die Drittstaaten, etwa die Schweiz, einbeziehen in einen automatischen Informationsaustausch. Dann wird das Entdeckungsrisiko für Steuerhinterzieher wahnsinnig nach oben gehen und der Druck, seine Steuererklärung ordentlich abzugeben, wird wesentlich höher werden. Das ist das richtige Ziel und das betreiben wir in der EU, aber auch auf der Ebene der OSZE.
    Barenberg: Und das ist eigentlich die bessere Alternative, im Vergleich jedenfalls zu diesem Grundsatz, lieber volle Kassen als volle Gefängnisse?
    Meister: Es geht uns darum, dass wir Steuergerechtigkeit erreichen. Das heißt, dass alle Bürger die Steuern, die nach Gesetz zu leisten sind, auch entrichten. Das benötigen wir, um dafür notwendige Infrastruktur in unserem Land finanzieren zu können, unseren Staat handlungsfähig zu machen. Und ich glaube auch, man kann von dem ehrlichen Steuerzahler die Zahlung nur dann erwarten, wenn man das bei allen durchsetzt.
    Barenberg: Verstehen Sie denn, dass viele Menschen doch das Gefühl haben, da geht es um unfaire Privilegien, bei allen rechtlichen Vorbehalten, die Sie ja auch uns erklärt haben?
    Meister: Ich glaube, es geht nicht um ein Privileg, sondern es geht am Ende des Tages darum: Es muss ja Steuer und Zins in vollem Umfang gezahlt werden. Es kommt dann ab 50.000 Euro heute ein Strafzuschlag hinzu. Also ich glaube, insofern kann man nicht von Privilegien sprechen. Und es geht um die Frage, wie schaffen wir es denn, dass wir überhaupt an die Fälle der Hinterziehung herankommen. Nur ganz, ganz wenige werden entdeckt und die meisten, die aufgedeckt werden, resultieren aus der Selbstanzeige der Steuerpflichtigen. Insofern, glaube ich, ein Instrument, was dafür sorgt, dass mehr Menschen aus der Unehrlichkeit in die Ehrlichkeit rübergehen.
    Barenberg: ... , sagt Michael Meister, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, live heute Morgen hier im Deutschlandfunk mit ein wenig Verkehr im Hintergrund. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Meister.
    Meister: Schönen Tag, Herr Barenberg.
    Barenberg: Danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.