Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Steuerverschwendung und Vetternwirtschaft

Die sportwissenschaftliche Forschung des Bundes wird durch das Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn gesteuert. Das Institut fördert mit Mitteln des Bundesinnenministeriums sportwissenschaftliche Projekte in Deutschland. Beispielsweise in der Sportmedizin oder in der Trainingswissenschaft. Doch jetzt steht die Einrichtung in der Kritik.

Von Daniel Drepper | 29.08.2009
    Rund zwei Millionen Euro hat das Bundesinstitut für Sportwissenschaft im Jahr für wissenschaftliche Projekte zur Verfügung. Allerdings gibt es erhebliche Bedenken, wie das Geld vergeben wird. Zweifel äußert allen voran der hoch angesehene Wissenschaftsrat, die wissenschaftliche Beratung des Bundes.

    Vor zwei Jahren veröffentlichte dieser ein Gutachten. Darin werden dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft Steuerverschwendung und Vetternwirtschaft vorgeworfen. Bis zu drei Viertel ihrer Fördergelder sollen sich die Mitglieder der Entscheidungsgremien selbst zugeschustert haben. Zudem seien Projekte ohne Ausschreibung vergeben worden. Aus dem Wissenschaftsrat heißt es, die Selbstbedienungsmentalität vieler Gremienmitglieder sei im deutschen Wissenschaftssystem einzigartig.

    Gemeinsam mit den Sportwissenschaftlern waren damals zahlreiche andere Forschungsinstitute des Bundes überprüft worden, um Steuergelder einzusparen. Kein anderes Institut kam so schlecht weg, wie das der Sportwissenschaftler. Und die wollen sich zu den Vorwürfen nicht äußern.

    In diesem Frühjahr mussten die überprüften Institute berichten, was sie seitdem verbessert haben. Im Haushaltsausschuss des Bundestages sollte ein über 500-seitiger Bericht vorgestellt werden. Denn der Haushaltsausschuss überprüft die Ausgaben der Bundesregierung und damit auch die Mittel für die wissenschaftlichen Institute. Doch statt wie gefordert im März antwortete das Sportinstitut erst im Juli – mitten in der politischen Sommerpause. Zudem schickte es nur magere eineinhalb Seiten nach Berlin. Tenor: Bei uns ist alles wieder gut, macht euch keine Sorgen.

    Beinahe hätten die Haushalter es auch dabei belassen. Doch aktuelle Medienberichte ließen den SPD-Bundestagsabgeordneten Klaus Hagemann aufhorchen. Er veranlasste, die für vergangenen Mittwoch geplante Vorstellung des Berichtes noch einmal zu verschieben, bis die Vorwürfe geklärt sind.

    Jüngster Sündenfall: Ein Projekt zur Erforschung der deutschen Dopingvergangenheit - gefördert mit einer halben Millionen Euro. Dopingexperten wie der Sportsoziologe Karl-Heinrich Bette kritisierten die Ausschreibung bereits im Vorfeld als wissenschaftlich drittklassig. Und externe Gutachter bewerteten die Bewerbungen aus Münster und Berlin sehr negativ. Dennoch: Kurz vor der Leichtathletik-WM vergab das Bundesinstitut das Projekt an die Bewerber aus Münster und Berlin.

    Es ist nicht nur die mangelnde Qualität, die die Gutachter kritisieren. Grundsätzlich steht in Frage, inwieweit ein solches mit öffentlichen Mitteln finanziertes Projekt notwendig ist. Denn zu diesem Thema gibt es bereits zahlreiche, umfassende Veröffentlichungen. Unter anderem von Bette, Treutlein, Schimank, Meutgens, Berendonk und Spitzer. Viele der genannten Experten haben sich auf das neue Projekt daher ganz bewusst nicht beworben. Schließlich signalisiert ein solches Projekt, dass alle bereits veröffentlichten Forschungen zur Dopingvergangenheit in Zweifel gezogen werden. Zahlreiche Dopingexperten vermuten deshalb, dass das Projekt ein klassisches Feigenblatt ist mit der Intention: Seht her, wir erforschen Doping! Für Jahre würde die öffentliche Debatte mit dem Verweis auf dieses Forschungsprojekt gelähmt. Zugleich sind neue Erkenntnisse kaum zu erwarten.

    Aufgrund der umfassenden Vorwürfe überprüft aktuell auch der Bundesrechnungshof das Bundesinstitut für Sportwissenschaft. Das Ergebnis bekommt in den nächsten Wochen der Haushaltsausschuss des Bundestages. Davon wird abhängen, wie es weitergeht mit den Bonner Sportwissenschaftlern. Nicht auszuschließen, dass das Institut am Ende sogar geschlossen wird.