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Stewart O’Nan: Abschied von Chautauqua

Stewart O'Nan hat in seinen zumindest umfangmäßig weniger amibitiösen Werken immer wieder gezeigt, dass er ein packender Erzähler sein kann. Besonders effektvoll ist seine Methode, Elemente der populären Spannungsliteratur mit psychologischer Tiefschürfigkeit zu verbinden, wie er dies etwa in "Engel im Schnee" getan hat, dem Roman, der ihn international bekannt machte. Es ist schade, dass in "Abschied von Chautauqa" sein epischer Furor überhand nimmt, und das Ergebnis sich hauptsächlich durch konventionelle Kunstfertigkeit auszeichnet.

Von Sacha Verna | 24.04.2005
    Stewart O'Nans Romane beginnen zum Beispiel so:

    "In dem Herbst, als mein Vater fortging, spielte ich in der Band, in der Mitte der zweiten Posaunenreihe, weil ich Anfänger war. "
    Oder so:

    "Ich hoffe, es stört Sie nicht, aber ich habe diesen ersten Teil aufgeschrieben, drum lese ich das jetzt einfach vor, damit wir's hinter uns haben. "

    Oder so:

    "Sie fuhren in der Nacht, durch die verdunkelte Stadt, die Küste von Long Island entlang. "

    Sprecher 1: Der erste Satz von O'Nans jüngstem Roman "Abschied von Chautauqua" lautet:

    "Sie fuhren mit Arlenes Wagen, weil der eine Klimaanlage hatte und Emily sich nicht sicher war, ob der Olds es schaffen würde. "

    Na und? wird man sich nun fragen, die zitierten Einstiege klingen alle gleichermaßen harmlos. Das stimmt. Die zitierten Einstiege geben keinen Hinweis darauf, dass es sich bei den Romanen, aus denen sie stammen, um völlig unterschiedliche Werke handelt.

    Stewart O'Nan ist ein schriftstellerisches Chamäleon. Der 1961 in Pittsburg geborene, heute in einem kleinen Ort in Connecticut lebende Autor deckt eine Bandbreite von Gattungen ab, die manchen seiner Kollegen vor Neid erblassen lassen dürfte. Oder auch nicht. Jedenfalls zählen zu O'Nans bislang über ein Dutzend Büchern eine Sammlung von Kurzgeschichten, historische Romane, Bildungsromane, Thriller und Gespensterromane. Sowie Werke über den Vietnam-Krieg, ein Buch über einen historischen Zirkusbrand, und zurzeit stehen O'Nan und Co-Autor Stephen King mit einem Buch über Baseball auf der Bestsellerliste der New York Times. King und O'Nan outen sich in dem betreffenden Band als leidenschaftliche Fans der Boston Red Sox, eines Baseball-Teams, dessen erstem Meisterschaftssieg nach 86 Jahren über die New York Yankees im letzten Herbst viele Amerikaner weit mehr Bedeutung beimassen als dem fast zeitgleichen Wahlsieg von George W. Bush.

    Von Bildungsroman bis Baseball also. Je nachdem ob man Wandlungsfähigkeit als Zeichen literarischer Qualität betrachtet oder nicht, hält man Stewart O'Nan entweder für einen brillanten Autor oder für einen unseriösen Tausendsassa. Das Urteil bleibe hier vorläufig dahingestellt.

    "Abschied von Chautauqua" ist ein Familienroman. Mit seinen siebenhundert Seiten gigantisch, verglichen mit "Halloween", O'Nans knapp zweihundertfünfzig Seiten starkem zuletzt auf Deutsch erschienenem Roman.

    Bei "Halloween" handelte es sich um die makabere Rekonstruktion eines Autounfalls, erzählt von den Teenagern, die dabei ums Leben kamen. Der Erzähler in "Abschied von Chautauqua" ist ebenfalls körperlos, jedoch im klassischen Sinn, unsichtbar und den Überblick bewahrend.

    Der Roman ist in sieben Kapitel unterteilt, von denen jedes für einen Tag der Woche steht, die drei Generationen der Familie Maxwell zusammen in ihrem Sommerhaus verbringen. Das Haus ist nicht luxuriös, aber idyllisch am Lake Chautauqua gelegen, einem See und beliebten Urlaubsort in der Nähe der kanadischen Grenze im Bundesstaat New York. Der gemeinsame einwöchige Urlaub dort gehört zur Familientradition - einer Tradition, die mit diesem Aufenthalt allerdings zu Ende geht: Emily, seit dem Tod ihres Mannes Henry das unbestrittene Oberhaupt der Maxwells, hat sich entschlossen, das Haus zu verkaufen. Die Stimmung ist von Anfang an dem entsprechend wehmütig.
    Emily:

    "Sie würde das Haus vermissen, so einfach war das. Wenn sie alles berücksichtigt hatte - Henry, Arlene, die Kinder und das Geld -, würde sie ihren Entschluss bereuen, denn sie genoss es, jeden Sommer herzukommen. Das Sommerhaus war vertraut, ein Ort, den sie immer noch kannte, während die übrige Welt sich verändert hatte. "

    Auch Emilys erwachsene Kinder Margaret und Kenneth sind unglücklich über den bevorstehenden Verkauf und nehmen Emily ihren Entscheid mehr oder weniger heimlich übel. Hohe Steuern, aufwendiger Unterhalt - im Nachhinein erscheinen ihnen diese Schwierigkeiten nebensächlich und Emilys Pragmatismus grausam.
    Stewart O'Nan schildert das Geschehen aus den unterschiedlichen Perspektiven seiner Figuren - aus neun Perspektiven, um genau zu sein: aus jener der Mutter, der Schwägerin, der Kinder und der Kindeskinder im Teenager alter. Die sieben Kapitel bestehen aus zahlreichen Unterkapiteln, die jeweils von den Eindrücken einer Figur bestimmt werden. Die Stimme des Erzählers verändert sich dabei nicht wesentlich. Hier die Ankunft im Sommerhaus, wie Kenneth sie erlebt:

    "Er schleppte die Taschen nach oben, in das lange Zimmer unter dem Dachfirst, wo sie schlafen würden. Auch dort war der Fussboden mit einem Zottelteppich ausgelegt, aber in Rot, Weiss und Blau, und die Kommodenschubladen und alles, was von dem geziegelten Schornstein zu sehen war, hatten sie anlässlich der Zweihundertjahrfeier in den gleichen Farben gestrichen. Die Wände waren aus himmelblauem Pressspan, weich wie Kork und an den Fugen schon bröckelig. Rings um die Nägel sah er die Spuren der Hammerschläge seines Vaters. "

    Später trifft Kenneths Schwester Margaret mit ihren Kindern ein, und auch sie kümmert sich zunächst ums Gepäck:

    "Ken half ihr, die Taschen hochzubringen, während Arlene am Fuß der Treppe stand und das Ganze beaufsichtigte. Er sah gut aus, noch immer adrett, er hatte zwar Geheimratsecken, aber sein Haar war kräftig und kaum zu bändigen wie bei ihrem Vater. Als Kind hatte sie Ken um seine Naturwelle und seine Wimpern beneidet, und doch war er nie eitel gewesen. Er schien auf seine stolpernde weltvergessende Art unglaubliches Glück zu haben. "

    Zweimal werden Taschen die Treppe hinaufgetragen, zweimal wird etwas - das Zimmer unter dem Dach - oder jemand - Kenneth - beschrieben, und zweimal blitzt kurz die Vergangenheit auf. Die Blickwinkel mögen verschieden sein, der Ton ist derselbe.

    Mit dieser Erzählweise vermeidet Stewart O'Nan die Holprigkeit und Hektik, die multi-perspektivische Romane manchmal an sich haben. Andererseits riskiert er damit, dass das gleichbleibende Gemurmel des Erzählflusses auf den Leser mit der Zeit einschläfernd wirkt. Wohl um dies zu vermeiden, schilderte O'Nan dieselbe Szene kaum je aus der Sicht von zwei verschiedenen Personen. Die Uhr tickt, die Kulisse verändert sich von Figur zu Figur.

    Wie die zitierten Passagen bereits andeuten, spielen Erinnerungen eine zentrale Rolle in diesem Roman. Das Sommerhaus ist ein Symbol für die Vergangenheit, und die Geschichte eine, deren Protagonisten versuchen, von dieser Vergangenheit Abschied zu nehmen.

    "Everyday People", zu Deutsch "Ganz alltägliche Leute" lautete der Titel eines früheren Romans von Stewart O'Nan. Und ganz alltägliche Leute sind auch die Maxwells. Keiner von ihnen besitzt außergewöhnliche Talente oder Eigenschaften, keiner von ihnen hat in seinem Leben Unzumutbares durchgemacht. Tatsächlich beschäftigt sich O'Nan in seinen Büchern mit Vorliebe mit ziemlich durchschnittlichen Menschen - außer natürlich, er macht eine Massenmörderin zur Hauptfigur wie in "Die Speed-Queen" oder er leiht Untoten seine Stimme wie eben in "Halloween".

    Stewart O'Nan räumt in "Abschied von Chautauqua" allen Figuren in etwa gleich viel Platz ein, von Großtante Arlene und Sam und Margararets Sprösslingen bis zum alterschwachen Hund Rufus. Die drei am genausten gezeichneten Personen sind jedoch Emily, Tochter Margaret und Sohn Kenneth.

    Emily ist eine eher selbstgerechte alte Dame. Der Tod ihres Mannes hat sie sehr getroffen, doch aus Prinzip behält sie ihren Kummer für sich - was sie freilich nicht vor Sentimentalität schützt:

    "Nicht der Tod rührte sie im Stillen zu tränen, sondern Trennung. Beim Fernsehen musste sie immer schniefen und sich die Augen wischen, wenn Soldaten aus Zügen winkten, Mütter ihre Kinder in Schulbusse setzten oder es auf Kreuzfahrtschiffen Konfetti regnete. Es musste gar kein fesselnder Film sein. Der Werbespot einer Telefongesellschaft genügte schon. Und die Qualität spielte keine Rolle - es konnte eine ganz augenfällige, sepiabraun eingefärbte Zeitlupe sein, und doch war Emily hinterher völlig mitgenommen. Das war komisch, denn im wirklichen Leben verabschiedete sie sich einfach und ging (das führte sie auf die strengen lutheranischen Grundsätze ihrer Mutter zurück). Sie und Henry hatten ein Jahr Zeit gehabt, sich voneinander zu verabschieden, und sie war zufrieden damit, wie sie es bewerkstelligt hatten. Es hatte nichts mehr zwischen ihnen gestanden, sie hatten alles gesagt. Aber warum quälten sie dann diese klischeehaften Szenen so sehr? "

    Verlustangst und Verdrängung, würde ein Hobbypsychologe auf diese Frage wohl antworten. Obleich sich Emily vor der Stille in ihrem Haus in Pittsburgh fürchtete, würde sie nie jemandem ihre Gefühle von Einsamkeit und Trauer offenbaren. Sie steht ihrer Umwelt grundsätzlich kritisch gegenüber, wobei sie ihre Kritik öfter mit einer säuerlichen Miene kundzutun pflegt als verbal.
    Ihr Sohn Kenneth ist gleichermaßen verschlossen, hat jedoch das Selbstbewusstsein seiner Mutter nicht geerbt. Er ist über vierzig und hält nur noch aus Gewohnheit an seinem Jugendtraum fest, es als Fotograf zu Erfolg und Anerkennung zu bringen. Eine anständig bezahlte Stelle hat er aufgegeben, doch statt von Einzelausstellung zu Einzelausstellung zu reisen, entwickelt er nun für einen miserablen Stundenlohn Hochzeitsfotos und Urlaubsschnappschüsse in einem Labor. Seine Frau Lise arbeitet zwar ebenfalls, aber die finanzielle Lage ist prekär. Immerhin macht Kenneth für sein Versagen niemand anderen als sich selber verantwortlich. Er ist schwach, aber von Natur aus freundlich und stets um Harmonie bemüht.

    Kenneths Anstrengungen zu vermitteln sind allerdings selten von Erfolg gekrönt, wenn seine Mutter und seine Schwester zusammentreffen. Margaret ist das pure Gegenteil ihres jüngeren Bruders: impulsiv, jähzornig, bereit, mit allen Mitteln zu verteidigen, was es zu verteidigen gibt. Ein Problemkind in Emilys Augen, das zur Erwachsenen mit Problemen geworden ist. Das größte dieser Probleme ist Margarets Mann, der sie vor kurzem wegen einer Jüngeren verlassen hat. Margaret fühlt sich von ihrer neuen Situation überfordert: Allein mit zwei Kindern, zutiefst gekränkt, verschuldet und kurz davor, ihr Haus zu verlieren - ihr Zuhause, nicht das gemeinsame Ferienhaus, an dem sie wie ihre Mutter, ihr Bruder und ihre Tante Arlene aus reiner Nostalgie hängt.

    Gescheiterte Karrieren, zerbrochene Ehen, Existenzängste. Und außerdem:
    Dauerregen. Die Hälfte der Zeit, die die Maxwells zusammen verbringen, regnet es am Chautauqua See. Es ist, als hätte es Stewart O'Nan alles, was er an depressionsförderndem Material auftreiben konnte, in diesen Roman eingearbeitet. Und leider muss man sagen, dass O'Nan, bei aller Versiertheit, was das Überwinden von Gattungsgrenzen angeht, eines gänzlich fehlt: Humor. In "Abschied von Chautauqua" findet sich genauso wie in seinen übrigen Werken keine Spur von Ironie. Ist O'Nan deshalb ein schlechter Schriftsteller? Nein. Aber die Lektüre dieses Romans ist kein Vergnügen. Sie ist interessant, das ja. Denn O'Nan versteht es sehr gut, die Gefühlslagen seiner Figuren auszuloten, die Spannungen und Ressentiments zwischen ihnen zu schildern. Margarets Wut auf den Rest der Welt, Kenneths Enttäuschung über sich selbst, Eifersucht, Liebeskummer, Schüchternheit, Protzsucht, Ängstlichkeit, Melancholie: jedem sein Psychogramm. O'Nan ist präzis, ja geradezu penibel bei der Darstellung menschlicher Befindlichkeiten. Emilys Fixierung auf den Briefkasten, in dem sich während ihrer Abwesenheit Ameisen eingenistet haben, erscheint angesichts ihres in jeder Hinsicht auf Sauberkeit und Ordnung bedachten Wesens genauso plausibel wie die Angst vor Margarets Sohn vor dem Schwimmen im dunklen Wasser des Sees, in dem alle anderen so fröhlich herumplanschen.

    Und trotzdem wirkt vieles in diesem Roman wie die Fleißarbeit eines Creative Writing-Studenten, der im Kurs 'Charakterporträts und Interaktion' sehr gut aufgepasst hat. Dieses Epos ist handwerklich perfekt, aber glanzlos, prall gefüllt, aber langatmig. Auch ein Subplot ändert daran nichts, der den Horrorautor in O'Nan verrät: Ein junges Mädchen der Umgebung wird vermisst. Entführt von ihrem Arbeitsplatz an der Tankstelle, an der Kenneth und die Seinen kurz vor ihrer Ankunft im Sommerhaus Halt gemacht und die sie leer vorgefunden hatten. Die ganze Urlaubswoche über hoffen einige der Maxwells auf Neuigkeiten im Fall des verschwundenen Mädchens, die allerdings nicht eintreffen. Kommt hinzu, dass sich O'Nan auch den gewöhnlichsten Beschäftigungen seiner Protagonisten mit einer Detailfreudigkeit widmet, die der Leser nach einer Weile nicht mehr zu teilen bereit ist. Hier bringt Emily den Müll hinaus:

    "Sie hatte ihre alten Tennisschuhe an, deshalb war sie auf den Steinplatten vorsichtig und machte die Tür ganz auf, bevor sie den Müllsack in die Garage zog. Sie schob die mit Rädern ausgestattete Mülltonne ein Stück vor und stellte fest, dass schon etwas drin war. Ein Bungeeseil, das durch den Griff auf dem Deckel gezogen war, schützte die Tonne vor Waschbären. Sie machte das Seil los, klappte den Deckel auf und sah einen Sack von letztem Jahr, in dessen Falten sich dunkle Flüssigkeit gesammelt hatte; als ihr der säuerliche Geruch entgegenschlug, wandet sie sich ab und klappte den Deckel zu. Sie holte tief Luft, öffnete die Tonne noch einmal hievete den frischen Sack hinein und schlug den Deckel wieder zu." "

    Stewart O'Nan protokolliert den Tagesablauf der einzelnen Maxwells so gewissenhaft wie ein Kernphysiker die Spaltung eines Atoms: Das Aufstehen am Morgen, verklebte Nasen und Augen, stickige Luft, weil am Abend zuvor jemand vergessen hat, den Ventilator anzustellen. Unter dem Dach teilen sich sieben Personen ein Badezimmer, doch wie der Autor überzeugend darlegt, wird das Wer-darf-wann-unter-die-Dusche -Problem mit Bravour gelöst. Für Körperhygiene scheint O'Nan überhaupt ein besonderes Interesse zu hegen: Mindestens einmal begleitet er jede seiner Figuren auf dem Gang zur Toilette, sei's daheim, im Restaurant oder auf der Touristenplattform der Niagara Fälle. Die Zubereitung von Frühstück, Mittag- und Abendessen sind jeweils strategische Grossunternehmen, Abwaschen nicht inbegriffen. Für einen Krabben-Dip braucht die Köchin eine halbe Seite, und selbst Lesen und Puzzle Spielen erweisen sich als Aktivitäten, die sich literarisch über zahlreiche Absätze hinziehen. Eine Golfpartie, die Kenneth und seine Mutter zusammen unternehmen, ist eine harte Geduldsprobe für alle, die des Golfsports unkundig sind: Par, Putt, Doppelbogey, und das von Unterkapitel zu Unterkapitel. Dabei geht das eigentliche Thema das Romans unter.

    "Abschied von Chautauqua" wie bereits eingangs gesagt, handelt von Verlust und Abschied von der Vergangenheit. O'Nan versucht anhand seiner Protagonisten zu zeigen, wie unterschiedlich Menschen mit ihren Erinnerungen umgehen. Seine Figuren befinden sich an einem Punkt in ihrem Leben, an dem sie Bilanz ziehen. Nach dem Tod des Vaters Henry sind sie sich bewusst geworden, wie schnell die Zeit vergeht und wie wenig bleibt.

    Der Verkauf des Sommerhauses ist der offensichtlichste Beweis dafür. So drängt Emily ihre Verwandten, eine Liste von fünf Dingen aufzustellen, die sie aus dem Sommerhaus mit zu nehmen wünschen, bevor sie es der Maklerin übergibt. Als ließe sich die Vergangenheit in Form von Souvenirs festhalten. Bei den übrigen Maxwells stößt sie damit auf wenig
    Begeisterung:

    "Niemand hatte den niedrigen Schrank von oben notiert oder den ovalen Spiegel mit dem welligen Glas und dem vergoldeten Adler, der so grimmig herabstarrte. Niemand wollte das gute Kaminbesteck oder das Tischen haben, auf dem das Telefon stand, das kam ihr vor wie ein Irrtum, wie ein grobes Vergehen. "

    Es ist nicht so, dass einem das Anliegen des Autors, sein Räsonnieren über den Menschen und die Vergänglichkeit entgeht. O'Nan ist in dieser Hinsicht mehr als deutlich: Was ist Kenneths Fotografie anderes, als der Versuch, die Flüchtigkeit des Augenblicks für die Ewigkeit zu bannen?

    Worin, wenn nicht in verschwundenen Lokalen und verfallenden Vergnügungsparks erkennt man, dass die eigene Jugend endgültig vorbei ist?
    O'Nan winkt mit Zaunpfählen.

    Stewart O'Nan hat in seinen zumindest umfangmäßig weniger amibitiösen Werken immer wieder gezeigt, dass er ein packender Erzähler sein kann. Besonders effektvoll ist seine Methode, Elemente der populären Spannungsliteratur mit psychologischer Tiefschürfigkeit zu verbinden, wie er dies etwa in "Engel im Schnee" getan hat, dem Roman, der ihn international bekannt machte. Es ist schade, dass in "Abschied von Chautauqa" sein epischer Furor überhand nimmt, und das Ergebnis sich hauptsächlich durch konventionelle Kunstfertigkeit auszeichnet. Stewart O'Nan ist kein unseriöser Tausendsassa, aber auch kein brillanter Autor. Er ist ein seriöser Tausendsassa, und das ist durchaus als Kompliment gemeint.

    Er wird es uns mit seinem nächsten Roman sicher beweisen.

    Stewart O'Nan: Abschied von Chautauqua. Roman. Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. Rowohlt Verlag, Rheinbek 2005. 700 Seiten. 24.90 Euro.