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Stickstoff
Unterschätzte Gefahr für Umwelt und Klima

Stickstoff bereitet der Umwelt zunehmend Probleme - das geht aus einem Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen in Berlin hervor. Grund dafür sind immer mehr Stickstoff-Verbindungen, die vom Menschen in die Umwelt eingebracht werden.

Von Anja Nehls | 14.01.2015
    Stickstoff alleine ist erst mal nichts Schlechtes - aber es ist wie mit fast allem: Die Dosis macht das Gift. Das ist es mit N für Stickstoff ähnlich wie mit CO2 für Kohlendioxid.
    Stickstoff macht ¾ der Atemluft aus und es ist ein wichtiger Dünger in der Landwirtschaft. 4,2 Mio Tonnen sogenannter reaktiver Stickstoff gelangt allein in Deutschland Jahr für Jahr in den Stickstoffkreislauf, 60 Prozent davon in der Landwirtschaft. Von vornherein verdammen will Heidi Foth vom Sachverständigenrat für Umweltfragen und Professorin an der Universität Halle-Wittenberg, den Stickstoff deshalb nicht:
    "Stickstoff ist nämlich ein ganz wesentliches Element für alle, was Leben heißt. Und das haben wir seit fast 100 Jahren auch gezielt ausnutzen können, also wir als Menschheit, indem unserer Kulturpflanzen mit Dünger ernährt werden konnten und damit haben wir Ernährungssicherheit. Also Stickstoff und Verbraucherzusammenhang und Leben heißt Erntesicherung-Ernährung für Mensch und Tier."
    Ein Teil des Stickstoffs oder der Stickstoffverbindungen findet sich anschließend in der Nahrung wieder. Der Rest gelangt in die Luft oder verbleibt in Böden, wandert in Grundwasser, Flüsse und Meere und bleibt dem Kreislauf sozusagen erhalten. Irgendwann sei es dann eben genug, denn unserer Ökosysteme bräuchten eigentlich wenig Stickstoff.
    "Die Düngung wurde in der Vergangenheit zu intensiv angewendet. Man hat in der Zwischenzeit gelernt, die Düngungsmengen einzustellen. Dennoch nehmen die Pflanzenpartikel ja über Jahrzehnte an dem Kreislauf in der Natur teil, sodass wir jetzt eine allmähliche Aufsättigung unserer Umweltmedien haben."
    Konsumgewohnheiten überprüfen
    Im Wasser finden sich dann zum Beispiel Nitrate, also Verbindungen, Salze und Ester, die aus Stickstoff entstehen. Die Nitratbelastung des Grundwassers nimmt zu. 27 Prozent der Grundwasserkörper befinden sich in schlechtem chemischen Zustand. Die Überdüngung der Meere führt zu verstärkter Algenbildung und eine Folge ist die Schaumbildung an den Stränden von Nord- und Ostsee. Das Trinkwasser sei allerdings unbedenklich - noch, meint Heidi Foth. Anders sehe es jetzt bereits bei der Belastung der Luft besonders in Ballungsgebieten aus.
    "In der Luft sind die sogenannten Stickoxide vorhanden, die aus allem kommen, was Verbrennungsprozesse sind. Hier wäre vor allem Energiegewinnung aber auch unsere private Autonutzung ein wesentlicher Treiber. Und dieses Stickoxid kann mit der Flüssigkeitsoberfläche in unserer Lunge interagieren und es entsteht ein chemisch reizender Prozess, das heißt, wir bekommen Lungenerkrankungen."
    An etwa 70 Prozent der innerstädtischen stark durch den Verkehr beeinflussten Messstationen würde der Langzeitgrenzwert für Stickoxid überschritten. Es muss sich also dringend etwas ändern. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert von Bund und Ländern gemeinsam eine Stickstoffstrategie.
    Die Novelle der Düngeverordnung, die die Ausbringung von Gülle und Gärresten regeln soll müsste überarbeitet und dann auch streng kontrolliert werden. Eine Umweltabgabe auf Stickstoffüberschüsse aus der Landwirtschaft wäre ein wirksames Instrument und die Reduktionsziele in der europäischen Luftreinhaltepolitik müssten unbedingt mit allen Kräften weiterverfolgt werden. Aber auch wir als Verbraucher können einiges tun, indem wir unsere Konsumgewohnheiten überprüfen, meint Heidi Foth:
    "Das heißt, wir müssen in unserer Ernährung von der fleischlastigen Ernährung etwas zurücktreten. Wir müssen in unserem Selbstverständnis Auto zu fahren uns auf das umweltverträgliche Maß konzentrieren. Wir müssen in unserer Energiegewinnung und Energienutzung das machen, was wir machen können, um Energie einzusparen. Als Verbraucher haben wir eine ganz große Möglichkeit."
    Und die sollten wir nutzen - meint der Sachverständigenrat für Umweltfragen und hat ein Sondergutachten erstellt, das heute an die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks übergeben wird.