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Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Raubkunst-Vorwürfe gegen Präsident Parzinger

Ausgerechnet die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ein Kraftzentrum historischer Ermittlungen, muss sich jetzt mit einem möglichen Raubkunst-Fall im eigenen Haus auseinandersetzen. Im Büro des Präsidenten Hermann Parzinger hing bis vor Kurzem Oskar Kokoschkas "Pariser Platz in Berlin", dessen Provenienz ungeklärt ist.

Von Burkhard Müller-Ullrich | 11.04.2014
    Oskar Kokoschkas "Pariser Platz in Berlin" ist ein Bild, das viel Geschichte mit sich führt. Gemalt hat es der Künstler 1925 im Auftrag des Verlegers und Galeristen Paul Cassirer. Man sieht das Brandenburger Tor von der Akademie aus - und rechterhand Max Liebermanns Haus, in dem der Malerfürst 1935 voller Gram über die Nazis gestorben ist. An der Stelle des einstigen Liebermann-Hauses residiert heute die von der Bankgesellschaft Berlin gegründete Stiftung Brandenburger Tor. In deren Räumen fand vor acht Jahren eine Paul-Cassirer-Ausstellung statt, in der auch Kokoschkas Bild "Pariser Platz" gezeigt wurde. Kokoschkas Name steht übrigens am nämlichen Platz auf einer Gedenktafel unter der Überschrift "AUSGESCHLOSSEN, AUSGETRETEN", und zwar schräg gegenüber in der Akademie der Künste.
    Höchst bezeichnender Fall
    Normalerweise hängt das Bild im Amtszimmer des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der neoklassizistischen Villa Von-der-Heydt im Berliner Bezirk Tiergarten, und zwar nicht erst seit Hermann Parzinger dort Chef ist, sondern schon unter seinen Vorgängern Klaus-Dieter Lehmann und Werner Knopp. Es ist nicht nur verwunderlich, sondern höchst bezeichnend, dass auch an einer solch exponierten Stelle bis jetzt niemand auf die Provenienz des Werks geachtet hat, beziehungsweise diese nicht genügend hinterfragt hat.
    Denn das Bild - so steht es überall zu lesen - wurde 1935, also in Max Liebermanns Todesjahr und dem Jahr der Nürnberger Rassegesetze, von der Dresdner Bank erworben und an die Nationalgalerie weitergereicht. Obwohl man weiß, dass die Dresdner Bank damals eine Hauptdrehscheibe für unsaubere Kunstgeschäfte war, hat sich offenbar niemand die Mühe gemacht herauszufinden, von wem das Bild gekauft wurde: Anna Caspari, die nach Litauen deportierte und dort ermordete Witwe des jüdischen Münchner Kunsthändlers Georg Caspari.
    Selbstherrlicher Umgang mit der Problematik
    Hermann Parzinger hatte erst unlängst wieder mit der Problematik des - wie es im Bürokratenjargon heißt - NS-verfolgungsbedingten Entzugs zu tun, als es um den Verbleib des Welfenschatzes ging, dessen Rückgabe die Erben der jüdischen Vorbesitzer seit acht Jahren von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz fordern. Parzinger meint aber, dass der ebenfalls just 1935 abgewickelte Verkauf rechtens und in Ordnung gewesen sei, die jüdischen Händler seien dabei nicht übervorteilt worden. Auch da hatte die Dresdner Bank als Kasse des von Hitler regierten Reichs agiert.
    Wer mit der Raubkunstproblematik so selbstherrlich umgeht, muss seiner Sache schon sehr sicher sein. Deswegen kommt man aus dem Staunen nicht heraus, dass ausgerechnet ein Bild in Parzingers eigenem Büro, also an dem Ort, der als Kraftzentrum historischer Ermittlungen natürlich absolut clean sein muss, die Flecken einer fragwürdigen Überlieferung trägt. Geradezu drollig aber ist Parzingers Reaktion: Er hat das Bild abhängen und im Depot verschwinden lassen. Warum? Gefällt es ihm nicht mehr? Ist Kokoschka weniger sehenswert, weil seine Werke jüdischen Sammlern und Händlern von deutschen Beamten abgejagt, abgepresst und abgenommen wurden? Oder bestraft sich der Präsident symbolisch durch Verzicht auf den ästhetischen Genuss? Oder möchte er einfach nicht durch den täglichen Anblick dieses Gemäldes an seine Fahrlässigkeit erinnert werden?