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Stiftungsgelder in der Wissenschaft
Antrieb oder Bremse

12,4 Prozent aller Stiftungen engagieren sich im Bereich Wissenschaft und Forschung. Ohne sie könnte so manche Professur oder ein Forschungsprojekt nicht laufen. Diese Gelder sind für die einen Segen, für die anderen sind sie die Bremse für die Hochschulpolitik, die dadurch verzögert Änderungen einführt.

Von Dana Sindermann | 02.10.2014
    Ein Doktorhut
    Die Robert-Bosch-Stiftung möchte es promovierten Wissenschaftlern ermöglichen, das Endziel Professur zu erreichen. (dpa/picture alliance/Uni Jena)
    "Es kann nicht die Aufgabe der privaten, gemeinnützigen Stiftungen sein, ein Reparaturbetrieb für eine kaputte Hochschulpolitik zu sein."
    Michael Hanssler von der Gerda-Henkel-Stiftung fasst den Hintergrund, auf dem Stiftungen zur Förderung von Wissenschaft und Forschung agieren, in scharfe Worte. Aber die fünf großen unternehmensnahen Förderinstitutionen, Volkswagen-, Gerda-Henkel-, Fritz-Thyssen, Robert-Bosch-Stiftung und Stiftung Mercator, sind der Einladung der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften nicht gefolgt, um die Hochschulpolitik zu zerpflücken, sondern, um ihr eigenes Engagement in der gegebenen Situation auf den Prüfstand zu stellen. Diese Lage zeigt für den Dauer-Problemfall "Akademischer Mittelbau" zunächst eine positive Entwicklung.
    Drittmittel haben sich verdoppelt
    "Wir haben die Zahl der drittmittelfinanzierten Mitarbeiterstellen so weit finanziert, dass wir mittlerweile bei 200.000 im System sind, es waren mal vor 15 Jahren 120.000, also fast verdoppelt."
    Allerdings sind deren Beschäftigungsbedingungen ziemlich pflichtvergessen. Aber nach heftigen Diskussionen und starken Initiativen scheint sich die Situation des akademischen Mittelbaus langsam zu bessern. So haben erste Universitäten, wie Duisburg-Essen, Halle-Wittenberg oder Frankfurt/Oder Selbstverpflichtungen für stabilere Beschäftigungsverhältnisse formuliert. Einzelne Landesregierungen verhandeln mit Hochschulen über die Einführung von Arbeitsmindeststandards.
    Auch die Exzellenzinitiative hat dem akademischen Mittelbau neue Möglichkeiten eröffnet. Allerdings ändert das nichts an dem Grundproblem, das Wilhelm Krull, Vorsitzender der Volkswagenstiftung adressiert:
    "Wir haben gleichzeitig eine relativ stagnierende Anzahl an Professuren. Und da sind wir schon an dem Punkt, dass da was passieren muss."
    Stifter oder Unheil-Stifter
    Die Stiftungsvertreter befragen dabei ihr Engagement auch selbstkritisch: Bildet ihre Förderung nicht einen Teil der Misere?
    "Das kann ein Problem werden, wenn immer noch weiter über die zweite und dritte Postdoc-Phase hinaus mit solchen Projektkarrieren auch Stiftungen beitragen und da wären wir dann beim Unheil-Stiften und dann haben sie überhaupt keine Perspektive mehr. "
    Stiftungen wollen neue Voraussetzungen für Impulse geben
    Die Stiftungsvertreter wollen sich nicht mit vorgegebenen Situationen abfinden, sondern sie wollen auch Voraussetzungen hinterfragen und neue Impulse in das Wissenschaftssystem schießen. So diagnostiziert Katrin Rehak von der Robert-Bosch-Stiftung kritisch, dass der Weg in die Professur als Königsweg gilt.
    "Es gibt im Prinzip in der Wissenschaft nur das Ziel Professur, weil nur das die unbefristete Beschäftigung und auch die Freiheit, die Wissenschaft verspricht, garantiert, und in dem Sinne, was wir Stiftungen tun, ist natürlich das System in so weit stützen, dass wir die jungen Leute oder die Leute befähigen, in diesem System das Endziel Professur zu erreichen."
    Einen Alternativweg zum Alleinziel Professur will indes die Volkswagen Stiftung mit ihrem Schumpeter Fellowship aufzeigen, das Führungspersönlichkeiten für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft fördert.
    "Gleichwohl kommunizieren wir bereits mit den Ausschreibungen für etwa die Freigeist-Fellowships oder auch für andere Fördermöglichkeiten, dass wir gerne besonders experimentierfreudige, interdisziplinäre und nicht in den sogenannten Mainstream der Wissenschaften passende Dinge fördern möchten, die es bekanntermaßen in den öffentlichen Institutionen schwer haben."
    Zwischen Individualförderung und Systemkritik – es ist ein weites Feld, auf dem sich Stiftungen im wissenschaftlichen Bereich engagieren. Die Bretter, auf denen sie sich bewegen, lassen sich nicht leicht anbohren. Vielleicht ist deshalb der Anteil an Stiftungen, die den Wissenschaftsbereich fördern, von über lange Zeit konstante 15 Prozent erstmals auf 12,4 Prozent gesunken.