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Stimmenfang im Netz

Alle Parteien setzen im Internet mit eigenen Seiten auf Wählermobilisierung. Mit verschiedenen "Mitmachangeboten" versuchen die Politiker, per E-Mail oder auf Social Networkseiten wie Facebook Bürger in ihren Wahlkampf einzubinden.

Von Eleni Klotsikas | 12.09.2009
    Frank-Walter Steinmeier (Youtube-Videopodcast): "Herzlichen Dank, dass Sie mich im Bundestagswahlkampf unterstützen wollen. Ich verspreche Ihnen, es lohnt sich dabei zu sein. Es lohnt sich mitzumachen."

    Angela Merkel (Youtube-Videopodcast): "Liebe Mitglieder des Team Deutschland. Ich möchte mich bei jedem einzelnen von Ihnen ganz herzlich bedanken, dass Sie sich dafür entschieden haben, mich und die christlich-demokratische Union im Bundestagswahlkampf zu unterstützen."

    Per Videobotschaft bedanken sich Kanzlerin und Kanzlerkandidat bei Internetnutzern, die sich auf ihren Kampagnenseiten als Unterstützer angemeldet haben: Wer sich dort registriert hat, wird per E-Mail mit Mitmachangeboten regelrecht überhäuft:

    CDU (Botschaft auf Youtube): "Sie wollen mit dabei sein? Ihr Gesicht auf diesem Plakat sehen? Gehen Sie einfach auf www.team2009.de . Laden Sie Ihr Foto hoch."

    SPD (Botschaft auf Youtube): "Werden Sie mit iSPD selbst zum Wahlkampfreporter. Machen Sie hierzu ein Foto mit Ihrer iPhone-Kamera."

    Für den Politikjournalisten Thomas Leif ist diese Art der Mitmach-Kampagne nur eine vorgetäuschte Form der politischen Partizipation.

    Thomas Leif: "Es geht um die Inhalte und nicht um die Symbolik nach außen und mein Eindruck ist, dass die vielen Internetaktivitäten am Ende nur einen modischen Habitus spiegeln sollen. Schaut her, wir sind auf Eurer Kommunikationswelt."

    SPD (Botschaft auf Youtube): "Ihr Foto erscheint dann in Kürze im Internet auf Wahlkampf09, für alle im Internet sichtbar."

    Eine politische Graswurzelbewegung ist durch diese neue Kampagnenform in Deutschland bisher nicht entstanden. Für einen Mobilisierungswahlkampf wie US-Präsident Obama ihn vorgemacht hat, brauche man vor allem charismatische Politiker, betont Michael Spreng hinzu. Er war 2002 Medienberater von Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber:

    Michael Spreng: "Es gibt keinen Obama-Wahlkampf ohne Obama. Wenn ich keine charismatischen Politiker habe und keine Politiker, die ein Feuer der Demokratie entzünden können, rein sprachlich nicht, weil sie rhetorisch unbegabt sind, weil sie eben eine beamtenhafte politische Tarnsprache haben, dann bekomme ich auch keine Anhänger im Internet, keine Follower."

    Einen virtuellen Dialog zwischen Politik und Bürger hat dagegen die Webseite abgeordnetenwatch.de ins Leben gerufen. Das größtenteils spendenfinanzierte Projekt existiert seit 2004 und wird besonders vor Wahlen gern genutzt:

    "Sie haben alle direkt Kandidatinnen und Kandidaten in den 299 Wahlkreisen auf der Plattform. Man kann in einem Grundeintrag Name, Alter, berufliche Qualifikation, aber auch Wahlkreise und Listenplätze miteinander vergleichen und man kann alle Kandidatinnen und Kandidaten schon vor der Wahl befragen","

    sagt Gregor Hackmann, Mitbegründer von abgeordnetenwatch.de. Sowohl Fragen als auch Antworten sind für alle sichtbar. So sieht man auch, welcher Politiker sich dem Forum verweigert. Mittlerweile sind es aber 95 Prozent der Bundestagsabgeordneten die abgeordentenwatch nutzen und Bürgerfragen zu den verschiedensten Themen beantworten:

    ""Auf Bundesebene sind das auch schon größere Themen, wie HartzIV, Auslands Einsätze der Bundeswehr, aber letztlich muss man sagen, dass allein im letzten Jahr, wurden den Bundestagsabgeordneten auf abgeordnetenwatch über 30.000 Fragen gestellt, da ist im Prinzip jedes Thema vertreten."

    Auch wenn gerade kein Wahlkampf ist können Bürger ihre Abgeordneten befragen und auch ihr Abstimmungsverhalten im Parlament verfolgen. Alles wird auf der Seite dokumentiert und ist jederzeit abrufbar. "Big Bürger ist watching you?" Die Internetpartizipation der Bürger hat vor allem eines bewirkt sagt Gregor Hackmann:

    "Das alte Motto von Konrad Adenauer: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern ist im Internetzeitalter nicht mehr aktuell. Jetzt muss man zumindest begründen warum einen das Geschwätz von gestern nicht interessiert."