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Stimmung bei Unternehmern
Harter oder weicher Brexit?

Die Verhandlungen stehen noch am Anfang und die Folgen des Brexits auf den britischen Handel mit der EU sind ungewiss. Viele Unternehmer fürchten den "harten Weg" eines Ausstiegs aus dem Binnenmarkt und der Zollunion. Andere sehen in ihm eine Chance.

Von Stephanie Pieper | 03.11.2016
    Ein Schaufenster in einer Fußgängerzone in England. Das Schaufenster ist leer und trägt den großen, roten Schritzug: "SALE".
    Britische Unternehmer schauen in eine ungewisse Zukunft. Kleine und mittlere Unternehmen fürchten bei den Deals vergessen zu werden. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Ob Carr's Cheese, Yorkshire Tea oder Weetabix-Müsli: Fast alles, was in britischen Supermärkten zu kaufen ist, exportiert der Großhändler Sean Ramsden aus Grimsby an der englischen Nordseeküste rund um den Globus. Ein Drittel geht dabei in andere EU-Staaten, zwei Drittel in den Rest der Welt. Die Brexit-Entscheidung hat der Unternehmer inzwischen verdaut:
    "Das künftige Wachstum sehen wir sowieso in Asien, in Afrika, im Nahen Osten und in Lateinamerika – und nicht in Europa. Meine Hoffnung ist trotzdem, dass sich am Ende die Vernunft durchsetzt und es mit der EU weiter Freihandel geben wird."
    Doch das ist derzeit ungewiss. Und das belastet nicht nur Konzerne, sondern auch kleine Betriebe und den Mittelstand, auch ihn als Gründer von Ramsden International.
    Den EU-Austritt zu verhandeln, dauert allein zwei Jahre; einen neuen Handelsdeal zu schließen, wahrscheinlich wesentlich länger. Ramsden fordert von der Regierung in London, aufs Tempo zu drücken.
    Möglicher Ausstieg aus dem Binnenmarkt und der Zollunion
    Ramsdens größte Sorge sind nicht so sehr Zölle, die anfallen würden, sollte Großbritannien nur noch als WTO-Mitglied mit der EU handeln – sondern vielmehr andere Hemmnisse, wie unterschiedliche regulatorische Standards.
    Ein harter Brexit hieße: Raus aus dem EU-Binnenmarkt, raus aus der EU-Zollunion, dafür aber Kontrolle über die Zuwanderung auf die Insel.
    Ein Szenario, das Start-up-Gründerin Leah Hutcheon gern vermeiden würde. Für ihre eigene Firma Appointedd indes, hat der Binnenmarkt kaum Bedeutung. Denn Hutcheon betreibt in Edinburgh ein reines Online-Business, basierend auf innovativer Software zur Organisation von Meetings und Konferenzen.
    Hutcheon fürchtet gleichwohl, dass die Regierung versucht, den bestmöglichen Deal mit der EU etwa für die Finanz- und die Autoindustrie herauszuholen – darüber jedoch die kleinen und mittleren Unternehmen vergisst:
    "Dabei sind wir – zusammengenommen – doch der größte Arbeitgeber des Landes. Und es ist wichtig, dass Regierung und Wirtschaftsverbände, das in den Verhandlungen nicht aus dem Blick verlieren."
    Brexit als Chance für die "Brand Britain"
    Einen soften Brexit – so dicht wie möglich an der jetzigen EU-Mitgliedschaft –wünscht sich auch Neil Smith. Er ist Verkaufsvorstand bei der nordenglischen Firma Polyseam, die industrielle Dichtungsmittel und Kleber herstellt. Dank des drastisch gefallenen Pfund-Kurses sind einerseits seine Produkte in vielen Ländern günstiger und wettbewerbsfähiger geworden.
    Andererseits muss Polyseam nun Rohmaterialien teurer aus der Euro-Zone importieren, weshalb Smith voraussichtlich im nächsten Jahr die Preise anheben wird. Der Manager versucht dennoch, im bevorstehenden Brexit auch eine Chance zu sehen für die Wirtschaft:
    Die Unternehmer seien jetzt gefordert, "Brand Britain" als Marke wieder erfolgreich zu machen, meint Smith. Und nennt als Vorbild dafür: "Made in Germany".